20.06.2008

Strom aus Osmose-Kraftwerken

Die zunehmende Knappheit von Öl und Gas und die Notwendigkeit, den Ausstoß von Kohlendioxid zu reduzieren, verhelfen auch unkonventionellen Kraftwerkskonzepten zu Aufmerksamkeit.



Die zunehmende Knappheit von Öl und Gas und die Notwendigkeit, den Ausstoß von Kohlendioxid zu reduzieren, verhelfen auch unkonventionellen Kraftwerkskonzepten zu Aufmerksamkeit. Der norwegische Energiekonzern Statkraft plant für 2008 den Bau des weltweit ersten Prototypen eines Omose-Kraftwerkes in Toft südwestlich von Oslo. Maßgeblich an der Membranentwicklung beteiligt ist das GKSS-Forschungszentrum Geesthacht.

Osmose ist ein allgegenwärtiger Prozess, der zum Beispiel Würstchen in heißem Wasser platzen lässt. In jeder lebenden Zelle spielt Osmose eine wichtige Rolle für den Stofftransport, durch Osmose können Bäume Wasser in große Höhen transportieren. Osmose tritt immer dann auf, wenn eine halbdurchlässige Membran Lösungen unterschiedlicher Salzkonzentration trennt. Halbdurchlässig bedeutet, dass die Membran durchlässig für das Wasser aber undurchlässig für die gelösten Salze ist. Trennt eine solche Membran reines Wasser von einer Salzlösung, so fließt das Wasser durch die Membran hindurch in die Salzlösung. Hier baut sich ein Druck auf, der abhängig ist von der Salzkonzentration: der osmotische Druck. Er kann über eine geeignete Anlage dazu verwendet werden, eine Turbine anzutreiben, die Strom erzeugt (Abb. 1).

Der osmotische Druck kann recht hohe Werte annehmen. So beträgt er im Blut circa 7,5 bar, derjenige von Meerwasser mit einer Salzkonzentration von 33g/l liegt bei 25 bar. Das bedeutet, dass sich auf der Meerwasserseite eine Wassersäule von 250 m Höhe ausbilden kann, wenn Süßwasser und Meerwasser durch eine halbdurchlässige Membran getrennt werden.

Schon früh entstand daher die Idee, Osmosekraftwerke an Stellen zu bauen, an denen Flüsse ins Meer münden. Bereits 1974 wurden unabhängig voneinander in den USA zwei Patente zur Energiegewinnung durch Osmose angemeldet. Als Pionier gilt der israelische Wissenschaftler Sidney Loeb, der das Konzept 1975 erstmals vorstellte [1].

Abb. 1: Schematischer Aufbau eines Osmose-Kraftwerkes. Salz- und Süßwasser strömen durch ein Becken mit einer halbdurchlässigen Membran. Osmose bewirkt, dass das Flusswasser in den salzigen Meeresteil eindringt, wo wegen der größeren Wassermenge nun ein Überdruck entsteht. Ein Teil des überschüssigen Mischwassers kann abfließen und eine Turbine antreiben.

Lange Zeit blieb es ruhig um diese Idee. Die Membranen wiesen zu dieser Zeit eine viel zu geringe Leistung auf, und es bestand keine Aussicht, mit den damals niedrigen Energiepreisen erfolgreich zu konkurrieren. In den 1990er Jahren griffen Ingenieure des norwegischen Energiekonzerns Statkraft und des Forschungsinstitutes SINTEF diese Idee wieder auf. Mit mehreren europäischen Partnern wurde an der Entwicklung von effektiveren Membranen geforscht. Einer dieser Partner ist das Institut für Polymerforschung des GKSS-Forschungszentrums in Geesthacht, an dem Membranen im Pilotmaßstab für Testzwecke gefertigt werden.

Ausgangspunkt für die Entwicklung waren Membranen für die Entsalzung von Meerwasser, ein Prozess, der Umkehrosmose genannt wird, da hier ein Druck auf das Meerwasser ausgeübt werden muss, der deutlich höher ist als der osmotische Druck des Meerwassers. Durch Modifizierung der Membranstruktur gelang es, die osmotische Leistung der Membranen um den Faktor 20 zu erhöhen.

Die leistungsfähigsten Meerwasser-Entsalzungsmembranen sind Komposit-Membranen. Die eigentliche Entsalzung leistet hier eine nur etwa einen zehntausendstel Millimeter dünne Schicht. Diese befindet sich auf einem porösen Träger mit einer Dicke von 0,1 bis 0,2 mm. Die Forscher konzentrieren sich bei ihrer Entwicklung effektiver Osmosemembranen vor allem auf diese Trägerschicht, die so offen wie möglich sein muss.

Abb. 2 Rasterelektronenmikroskop-Aufnahme einer Osmose-Membran im Querschnitt. Unten erkennt man die Stützschicht, oben die dünne Filterschicht.

Kritischer Erfolgsfaktor ist die elektrische Leistung, die mit einem Quadratmeter Membranfläche erzeugt werden kann. Nach Berechnungen von Statkraft-Ingenieuren ist eine Leistung von 4 bis 6 W/m2 Membranfläche erforderlich, um mit anderen regenerativen Energien konkurrieren zu können. Dieses Ziel ist noch nicht ganz erreicht, aber durch die Entwicklung der letzten Jahre ist es in greifbare Nähe gerückt. Daher wird zurzeit mit der Konstruktion und dem Bau des ersten auf Osmose beruhenden Prototyp-Kraftwerkes begonnen [2].

Das Potenzial ist groß. Osmosekraftwerke können überall dort gebaut werden, wo Süßwasser ins Meer fließt und wo der Gradient im Salzgehalt hinreichend groß ist. Die mit Hilfe der Thermodynamik berechnete maximale Energie (reversible Arbeit), die entsteht, wenn 1 m3/s Süßwasser in Kontakt mit Seewasser gebracht wird, beträgt 2,2 MW [3]. Natürlich kann nur ein kleiner Bruchteil dieser Energie genutzt werden. Anders als Wind- und Sonnenenergie ist ein Osmosekraftwerk wetterunabhängig. Statkraft schätzt das globale Potenzial auf 1600 bis 1700 TWh pro Jahr, für Norwegen allein wird ein Potenzial von 12 TWh pro Jahr abgeschätzt [4].

Die Herausforderungen für Membran- und Anlagenentwickler sind groß. Aber die Aussicht, eine über 30 Jahre alte Idee jetzt zum Leben zu erwecken und eine neue regenerative Energiequelle zu erschließen, lässt alle Beteiligten mit Hochdruck an diesem spannenden Projekt arbeiten.

Klaus-Viktor Peinemann, GKSS Forschungszentrum Geesthacht, Stein-Erik Skilhagen, Statkaft, Werner Kofod Nielsen, WKN Consult

Quelle: Physik in unserer Zeit 2008, 39 (4), 163.

Weitere Infos:

[1] S. Loeb, Science 189, 654 (1975).
[2] http://www.statkraft.com

[3] K.-V. Peinemann et al., Membranes for Power Generation by Pressure Retarded Osmosis, in: K.-V. Peinemann, S. Pereira Nunes (Hrsg.), Membranes for Energy Conversion, (Wiley-VCH, Weinheim 2007).

[4] S.E. Skilhagen et al., Desalination 220, 476 (2008).

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