Stromnutzung intelligenter regeln
Steuerung flexibler Lasten von Wärmepumpen oder Ladepunkten für die Elektromobilität.
In Zeiten der Energiekrise ist intelligente Stromnutzung besonders wichtig. Ideal, wenn dies keine aktive Einsparung der Nutzer erfordert, sondern lediglich auf Algorithmen basiert. Eine Forschungsgruppe um Stephanie Uhrig von der Hochschule München zeigt, wie sich flexible Lasten – beispielsweise Wärmepumpen und Ladepunkte für die Elektromobilität – intelligent regeln lassen. Beauftragt haben das Vorhaben die Stromnetzbetreiber LEW Verteilnetz und Stromnetz Berlin sowie der Mobilfunknetzbetreiber e*Message. Gemeinsam mit Veronika Barta und Sonja Baumgartner vom Netzbetreiber LEW Verteilnetz entwickelt und forscht Uhrig am Projekt FLAIR2: FLexible Anlagen Intelligent Regeln.
„Die zunehmende regenerative Energieversorgung, etwa durch Photovoltaik auf dem eigenen Hausdach, sorgt für stark variierende Einspeisung“, erläutert Uhrig die Ausgangssituation der Forschung. Direkt genutzt wird der erzeugte Strom aber nicht unbedingt in den Zeiten der Erzeugungsspitzen. Das Ausregeln von Einspeisung und Verbrauch ist für Netzbetreiber sehr aufwendig. Bisher wird ein Zuviel an Energie etwa über Pumpspeicherkraftwerke gespeichert, was jedoch nicht ohne Energieverlust möglich ist. Demgegenüber stehen flexible Lasten – dazu zählen Wärmepumpen, Speicherheizungen, Ladepunkte für Elektromobilität und neuerdings auch Klimaanlagen –, deren Strombedarf variabel innerhalb bestimmter Zeitfenster gedeckt werden kann.
„Genau hier greift das Forschungsprojekts FLAIR2“, so Uhrig: „Damit können wir vor Ort auf die Herausforderungen von dezentralen Erzeugungsanlagen mit steuerbaren Verbrauchseinrichtungen wie Wärmepumpen und Wallboxen für E-Mobilität reagieren.“ Können Erzeugung und Verbrauch lokal überlagert werden, wird das bestehende Stromnetz besser genutzt. „Das ist für uns als Verteilnetzbetreiber ein wichtiger Aspekt bei der Transformation hin zu einem Energiesystem mit vielen dezentralen Stromerzeugern in der Fläche“, ergänzt Baumgartner, die das Projekt bei LEW Verteilnetz koordiniert.
Herzstück des Konzepts sind Steuerboxen inklusive des intelligenten FLAIR2-Moduls. Im Rahmen eines Feldversuchs, der im Dezember 2021 startete, wurden damit mehr als siebzig Haushalte ausgestattet – verteilt auf das ländliche Gebiet im Südwesten Bayerns sowie auf das städtisch geprägte Berliner Stromnetz. Um valide Messergebnisse für die Forschung zu erzielen, werden minütlich Spannungs- und Strommesswerte aus den Steuerboxen an die Hochschule München gesendet. Die Analyse der im Feldversuch bereits generierten Messdaten zeigt, dass sich die Netzsituation – das Verhältnis von Last zu Erzeugung – nicht nur zwischen Stadt und Land, sondern auch innerhalb eines Straßenzugs deutlich unterscheiden kann.
„Darauf können wir mit dem FLAIR2-Modul situationsgerecht netzdienlich Einfluss nehmen und dabei vertraglich vereinbarte Freigabezeiten der Netzbetreiber sowie Mindestladezeiten der flexiblen Anlagen berücksichtigen“, erläutert Uhrig. Aus der Menge von Lastprofilen, die der Feldversuch liefert, lassen sich wesentliche Szenarien ableiten, in denen die FLAIR2-Steuerung bestehende Netzkapazitäten optimal auslastet. Durch die lokale Messung am Haushalt werden individuelle Fahrpläne für die Verbrauchseinrichtungen des jeweiligen Haushalts von einem Algorithmus errechnet. „Das hat unterm Strich nicht nur Vorteile für den Netzbetreiber, sondern auch für die Verbraucher selbst“, betont Uhrig. Diese profitieren von den reduzierten Netzentgelten für regelbare Lasten und können mithilfe eines Home Energy Management Systems selbst entscheiden, welche Verbrauchseinrichtung gerade Priorität haben soll.
HS München / JOL