10.11.2017

Stromschalter für die Nanowelt

Physiker entdecken Schaltfunktion in einem molekularen Draht.

Die weitere Minia­turisierung in der Elektronik wird zu Bauteilen führen, die nur noch aus wenigen oder einzelnen Molekülen bestehen. Um diese Kompo­nenten auf der Nanoebene zu einem Stromkreis zu verbinden, werden winzige Drähte benötigt. Ein inter­nationales Forschungs­team der Christian-Albrechts-Univer­sität zu Kiel CAU und des Donostia Inter­national Physics Centers in San Sebastián, Spanien, hat jetzt einen Draht aus einem einzelnen Molekül mit dem Durchmesser eines Atoms hergestellt. Er funk­tioniert wie ein Nanostrom­schalter und macht den Einsatz molekularer Drähte in elek­tronischen Bauteilen denkbar.

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Abb.: Je näher die Spitze des Rastertunnelmikroskops (gelb) dem Nanodraht (blau) kommt, desto mehr biegt er sich – und die Stärke des Stromflusses ändert sich, wie ein Stromschalter auf Nanoebene. Quantenmechanische Kräfte, die zwischen Spitze und Draht wirken, verändern die Geometrie des Drahtmoleküls und damit seine Eigenschaften. (Bild: Jasper-Tönnies, CAU)

Gerade einmal zwei Atom­bindungen lang und ein Atom breit ist der Draht, den die Wissen­schaftler hergestellt haben. „Das ist der denkbar einfachste mole­kulare Draht, dünner und viel kürzer geht es nicht“, erklärt der Kieler Physiker Torben Jasper-Tönnies. Um den Strom zu messen, der durch den Nanodraht fließt, müssen seine beiden Enden jeweils mit einer Metall­elektrode verbunden werden – wie bei größeren Schalt­kreisen auch. Doch es gibt keine Metall­klammern, die klein genug wären, um elektrische Kontakte im Nano­maßstab herzustellen. „Einzelne Moleküle in einem elek­trischen Schaltkreis zu kontaktieren, ist ein Problem, das bisher noch nicht zufrieden­stellend gelöst wurde und in der Forschung viel diskutiert wird“, erklärt Jasper-Tönnies.

Um einen elek­trischen Kontakt zu ermög­lichen, ent­wickelten die Wissen­schaftler den neuen Draht aus einem Molekül. „Das Besondere an unserem Draht ist, dass wir ihn senkrecht auf eine Metallober­fläche anbringen können. Das heißt, einer der beiden nötigen Kontakte ist im Draht gewisser­maßen schon eingebaut“, erläutert Jasper-Tönnies das Prinzip. Dafür nutzen die beteiligten Chemiker einen Ansatz aus dem Kieler Sonder­forschungs­bereich 677 „Funktion durch Schalten“. In dem inter­disziplinären Forschungs­verbund wird unter anderem mit mole­kularen Platt­formen gearbeitet. Auf so eine Plattform stellten sie den Draht. Sie besitzt eine gute Leit­fähigkeit und lässt sich ähnlich wie ein Saugnapf problemlos an einer Metall­oberfläche befes­tigen.

Für den zweiten benötigten Kontakt nutzte das Forschungs­team ein Raster­tunnel­­mikroskop. Mit einer Metall­spitze ertastet es sich eine Probe und erstellt so eine Abbildung ihrer Oberfläche bis auf die Skala von wenigen Nano­metern. In ihren Experi­menten verwendeten die Kieler Forscher eine besonders feine Metall­spitze, an deren Ende nur ein einziges Atom sitzt. Damit konnten sie das zweite Drahtende elektrisch kontak­tieren, den Stromkreis schließen und die Stromstärke messen. „Durch diesen sehr präzisen Kontakt über nur ein Atom haben wir besonders gute Daten erhalten. Wir können diese Kontakte immer wieder her­stellen und die Strom­werte unterscheiden sich von Draht zu Draht wenig“, sagt Jasper-Tönnies.

Während ihrer Messungen stellten die Wissen­schaftler außerdem fest, dass zwischen der Metall­spitze des Mikro­skops und dem Nanodraht quanten­mechanische Kräfte wirken, mit deren Hilfe sich der Draht mechanisch verbiegen lässt. Wird der Draht nur leicht verbogen, reduziert sich die Strom­stärke. Bei starkem Verbiegen steigt sie hingegen an. „Durch das Biegen des Drahts konnten wir also den Strom an- oder aus­schalten. Obwohl unser Draht so einfach aufgebaut ist, verhält er sich sehr komplex – das hat uns über­rascht“, so Jasper-Tönnies.

Die Ursache für die ungewöhn­liche Strom­leitung des Nanodrahts sehen die Wissen­schaftler in seiner molekularen Struktur. Das unter­mauern die Berech­nungen von Aran Garcia-Lekue und Thomas Frederiksen aus San Sebastián. Aufgrund der quanten­mechanischen Kräfte gehen einzelne Atome des Drahts neue chemische Bindungen mit dem Atom der Mikro­skopspitze ein. So verändert sich die Geometrie des Moleküls und damit seine Eigen­schaften. „Tatsächlich können kleine geome­trische Unter­schiede einen sehr großen Effekt haben. Deshalb ist es wichtig, die Geometrie eines Moleküls möglichst genau einstellen und messen zu können – und das erreichen wir über die präzise Kontak­tierung des Nano­drahts und über die Bilder in atomarer Auflösung“, so Jasper-Tönnies.

CAU Kiel / JOL

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