Stromschalter für die Nanowelt
Physiker entdecken Schaltfunktion in einem molekularen Draht.
Die weitere Miniaturisierung in der Elektronik wird zu Bauteilen führen, die nur noch aus wenigen oder einzelnen Molekülen bestehen. Um diese Komponenten auf der Nanoebene zu einem Stromkreis zu verbinden, werden winzige Drähte benötigt. Ein internationales Forschungsteam der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel CAU und des Donostia International Physics Centers in San Sebastián, Spanien, hat jetzt einen Draht aus einem einzelnen Molekül mit dem Durchmesser eines Atoms hergestellt. Er funktioniert wie ein Nanostromschalter und macht den Einsatz molekularer Drähte in elektronischen Bauteilen denkbar.
Abb.: Je näher die Spitze des Rastertunnelmikroskops (gelb) dem Nanodraht (blau) kommt, desto mehr biegt er sich – und die Stärke des Stromflusses ändert sich, wie ein Stromschalter auf Nanoebene. Quantenmechanische Kräfte, die zwischen Spitze und Draht wirken, verändern die Geometrie des Drahtmoleküls und damit seine Eigenschaften. (Bild: Jasper-Tönnies, CAU)
Gerade einmal zwei Atombindungen lang und ein Atom breit ist der Draht, den die Wissenschaftler hergestellt haben. „Das ist der denkbar einfachste molekulare Draht, dünner und viel kürzer geht es nicht“, erklärt der Kieler Physiker Torben Jasper-Tönnies. Um den Strom zu messen, der durch den Nanodraht fließt, müssen seine beiden Enden jeweils mit einer Metallelektrode verbunden werden – wie bei größeren Schaltkreisen auch. Doch es gibt keine Metallklammern, die klein genug wären, um elektrische Kontakte im Nanomaßstab herzustellen. „Einzelne Moleküle in einem elektrischen Schaltkreis zu kontaktieren, ist ein Problem, das bisher noch nicht zufriedenstellend gelöst wurde und in der Forschung viel diskutiert wird“, erklärt Jasper-Tönnies.
Um einen elektrischen Kontakt zu ermöglichen, entwickelten die Wissenschaftler den neuen Draht aus einem Molekül. „Das Besondere an unserem Draht ist, dass wir ihn senkrecht auf eine Metalloberfläche anbringen können. Das heißt, einer der beiden nötigen Kontakte ist im Draht gewissermaßen schon eingebaut“, erläutert Jasper-Tönnies das Prinzip. Dafür nutzen die beteiligten Chemiker einen Ansatz aus dem Kieler Sonderforschungsbereich 677 „Funktion durch Schalten“. In dem interdisziplinären Forschungsverbund wird unter anderem mit molekularen Plattformen gearbeitet. Auf so eine Plattform stellten sie den Draht. Sie besitzt eine gute Leitfähigkeit und lässt sich ähnlich wie ein Saugnapf problemlos an einer Metalloberfläche befestigen.
Für den zweiten benötigten Kontakt nutzte das Forschungsteam ein Rastertunnelmikroskop. Mit einer Metallspitze ertastet es sich eine Probe und erstellt so eine Abbildung ihrer Oberfläche bis auf die Skala von wenigen Nanometern. In ihren Experimenten verwendeten die Kieler Forscher eine besonders feine Metallspitze, an deren Ende nur ein einziges Atom sitzt. Damit konnten sie das zweite Drahtende elektrisch kontaktieren, den Stromkreis schließen und die Stromstärke messen. „Durch diesen sehr präzisen Kontakt über nur ein Atom haben wir besonders gute Daten erhalten. Wir können diese Kontakte immer wieder herstellen und die Stromwerte unterscheiden sich von Draht zu Draht wenig“, sagt Jasper-Tönnies.
Während ihrer Messungen stellten die Wissenschaftler außerdem fest, dass zwischen der Metallspitze des Mikroskops und dem Nanodraht quantenmechanische Kräfte wirken, mit deren Hilfe sich der Draht mechanisch verbiegen lässt. Wird der Draht nur leicht verbogen, reduziert sich die Stromstärke. Bei starkem Verbiegen steigt sie hingegen an. „Durch das Biegen des Drahts konnten wir also den Strom an- oder ausschalten. Obwohl unser Draht so einfach aufgebaut ist, verhält er sich sehr komplex – das hat uns überrascht“, so Jasper-Tönnies.
Die Ursache für die ungewöhnliche Stromleitung des Nanodrahts sehen die Wissenschaftler in seiner molekularen Struktur. Das untermauern die Berechnungen von Aran Garcia-Lekue und Thomas Frederiksen aus San Sebastián. Aufgrund der quantenmechanischen Kräfte gehen einzelne Atome des Drahts neue chemische Bindungen mit dem Atom der Mikroskopspitze ein. So verändert sich die Geometrie des Moleküls und damit seine Eigenschaften. „Tatsächlich können kleine geometrische Unterschiede einen sehr großen Effekt haben. Deshalb ist es wichtig, die Geometrie eines Moleküls möglichst genau einstellen und messen zu können – und das erreichen wir über die präzise Kontaktierung des Nanodrahts und über die Bilder in atomarer Auflösung“, so Jasper-Tönnies.
CAU Kiel / JOL