29.01.2016

Stürmisches Ionosphärenwetter

Das Weltraumwetter verschlechtert die GPS-Navigation und kann Satelliten beschädigen. Warn- und Korrekturdienste sind deshalb unumgänglich.

Der Begriff Weltraumwetter subsummiert alle komplexen Einflüsse und Auswirkungen der Sonne und anderer kosmischer Quellen auf den Zustand des erdnahen Weltraums bis hin zur Erdoberfläche. Es hat Einfluss auf Funktion und Betriebssicherheit weltraumgestützter und bodengebundener technologischer Systeme sowie auf Leben und Gesundheit des Menschen. Unsere hoch technisierte Gesellschaft, deren Funktionalität mehr und mehr von Mikroelektronik und Nanotechnik geprägt wird, reagiert auf Erscheinungen des Weltraumwetters zunehmend sensibel und wird damit verletzlich. Erst durch ihre Identifizierung, Beobachtung und Vorhersage können die durch den technologischen Fortschritt entstandenen Risiken und Gefahren verhindert oder zumindest reduziert werden.

Die Signale der Navigationssatelliten werden auf ihrem Weg durch die Ionosphäre vom Plasma abgebremst, von der geradlinigen Ausbreitung abgelenkt und an Plasma-Inhomogenitäten gebeugt und gestreut. Da die Entfernungsmessung auf einer Laufzeitmessung kodierter Satellitensignale beruht, täuscht eine ionosphärische Laufzeitverzögerung eine größere Entfernung des Anwenders vom Satelliten vor als sie tatsächlich ist. Da dieser Fehler bis zu etwa 100 m betragen kann, muss der ionosphärische Laufzeitfehler korrigiert werden.

Während ein Empfänger mit Zweifrequenz-Messungen dies selbst korrigieren kann, ist dies bei Einfrequenz-Empfängern, wie sie in der Luftfahrt eingesetzt und auf dem Massenmarkt angeboten werden, nicht möglich. Diese Geräte benötigen eine Zusatzinformation über die Größe des Fehlers. So leistet der Europäische Geostationäre Overlay Service (EGNOS) mit der Bereitstellung aktueller Korrekturkarten Informationen für die europäische Luftfahrt. Auch Modellrechnungen sind nützlich. So stellt das amerikanische GPS-System täglich aktualisierte Koeffizienten für die individuelle Ionosphärenkorrektur am Ort des Empfängers bereit. Auf diese Weise werden im Mittel 50 bis 60 % des ionosphärischen Fehleranteils kompensiert. Auch am Institut für Kommunikation und Navigation des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Neustrelitz haben Physiker ein sehr effizientes globales Korrekturmodell entwickelt.

Abb. Beispiel einer globalen Karte der die Gesamtionisation der Ionosphäre vom 16. Mai 2012 um 15:35 UT, wie sie das DLR Neustrelitz routinemäßig viertelstündlich bereitstellt.

Wegen der engen Kopplung der Ionosphäre mit den Kapriolen des Weltraumwetters kommt es gelegentlich zu starken und gegenwärtig physikalisch noch unzureichend verstandenen Turbulenzen des ionosphärischen Plasmas. Die sich hierdurch in großer Zahl bildenden Dichte-Inhomogenitäten beugen und streuen einfallende Signale und führen am Navigationsempfänger zu einer unkoordinierten Überlagerung sehr unterschiedlicher Signale, aus der die Position nur ungenau oder gar nicht bestimmt werden kann. Messtechnisch machen sich diese Überlagerungen als starke Schwankungen der Signalstärke und der für die Positionsbestimmung wichtigen Phase bemerkbar. Solche starken Radioszintillationen machen Nutzern mit hohen Genauigkeits- und Sicherheitsanforderungen im Zentimeterbereich das Leben schwer. Sogenannte Referenzsysteme können dieses Problem zumindest lokal lösen. Im Extremfall kann eine präzise Positionsbestimmung aber sehr lange dauern oder zeitweise sogar unmöglich sein, wie es während des "Halloween-Sturms" am 30. Oktober 2003 zu beobachten war.

Genauigkeit, Sicherheit und damit auch die Wirtschaftlichkeit zukünftiger, praktisch alle Lebensbereiche durchdringenden Positions- und Navigationssysteme wird sehr davon abhängen, wie es gelingt, das Fehlerbudget und damit auch den Ionosphärenfehler zu bestimmen, zu korrigieren und vorherzusagen.

In der aktuellen Ausgabe von Physik in unserer Zeit erklären Norbert Jakowski, Jens Berdermann und Mohammed Mainul Hoque vom DLR Neustrelitz die Vorgänge in der Ionosphäre und die damit verbundenen Auswirkungen auf Polarlichter, Satelliten und Navigationssysteme. Der vollständige Artikel steht Ihnen hier zum freien Download zur Verfügung.

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