Sunrise-2 in den Startlöchern
Das ballongetragene Sonnenobservatorium absolviert die letzten Tests vor seiner einwöchigen Mission.
Nach etwa zwei Monaten Vorbereitungen im nordschwedischen Kiruna ist das ballongetragene Sonnenobservatorium Sunrise jetzt flugbereit. Nur eine letzte Generalprobe am Boden steht noch aus. Sobald das Wetter es zulässt, soll dann ein riesiger, mit Helium gefüllter Ballon das Observatorium auf eine Flughöhe von etwa 35 Kilometern tragen. Dort richtet Sunrise, ausgestattet mit dem größten Sonnenteleskop, das jemals den Erdboden verlassen hat, seinen einzigartigen Blick auf die Sonne. Bereits vor vier Jahren hob Sunrise unter Leitung des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung (MPS) zu seinem ersten Flug ab – und lieferte während seiner etwa sechstägigen Reise die bis dahin detailliertesten Bilder unseres Zentralgestirns. Doch entgegen allen Erwartungen zeigte sich die Sonne damals von ihrer ruhigen Seite. Nun jedoch steuert die Sonne auf ihr nächstes Aktivitätsmaximum zu.
Abb.: Für Tests im Freien hängt Sunrise am Startfahrzeug. Während des Starts wird es Sunrise solange festhalten, bis der Heliumballon genau oberhalb des Sonnenobservatoriums steht. (Bild: MPS)
Das Besondere an Sunrise ist sein ungewöhnlicher Beobachtungsstandort: In 35 Kilometer Höhe hat es den größten Teil der Erdatmosphäre unter sich. „Die Turbulenzen in der Atmosphäre ‚verwackeln’ zwangsläufig alle Aufnahmen erdgebundener Teleskope“, erklärt Projektleiter Peter Barthol vom MPS. Sunrise hingegen genießt einen einzigartigen Blick auf die Sonne und kann so Strukturen von weniger als hundert Kilometern Größe sichtbar machen. Auf der Reiseflughöhe angekommen, erfassen Polarwinde Ballon und Gondel und tragen sie westwärts um den Nordpol herum. „Dank der Mitternachtssonne in den Breiten nördlich des Polarkreises werden wir beim Flug die Sonne rund um die Uhr im Blick haben“, so Barthol. Nach etwa sechs- bis siebentägigem Flug soll das Observatorium am Fallschirm im Norden Kanadas landen.
„Der Erstflug vor vier Jahren hat uns gezeigt, dass das gewagte Konzept aufgeht“, sagt Sami Solanki, Direktor am MPS und wissenschaftlicher Leiter des Projekts. Sunrise lieferte einzigartige Bilder und konnte erstmals die magnetischen Grundbausteine der Sonne sichtbar machen. In den komplexen Magnetfeldern der Sonne vermuten Forscher den Schlüssel zu vielen Geheimnissen der Sonne, etwa der Frage, warum die Korona mit drei Millionen Grad etwa 500-mal so heiß wie die darunter liegende Photosphäre ist.
Abb.: Am 8. Juni 2009 hob der Vorgänger Sunrise-1 von der Weltraumbasis ESRANGE im schwedischen Kiruna für eine sechstägige Mission ab. (Bild: MPS)
Ebenfalls ungeklärt ist, warum die Aktivität der Sonne in einem etwa elfjährigen Zyklus schwankt. „Vor vier Jahren hat sich uns eindrucksvoll gezeigt, dass dieser elfjährige Zyklus lediglich eine grobe Faustformel ist“, so Solanki. Denn anders als erwartet, verharrte die Sonne in einem ungewöhnlich langen Aktivitätsminimum. Sunrise-1 konnte weder Sonnenflecken noch -eruptionen beobachten. „Beim Zweitflug dürfte dies anders sein“, so Barthol. Denn seit Ende 2010 nimmt die Aktivität der Sonne wieder zu.
Seit Anfang April bereitet das Sunrise-Team unter Leitung des MPS auf der Weltraumbasis ESRANGE nahe Kiruna in Nordschweden nun den erneuten Start vor. „Sunrise ist vor zwei Monaten in vielen Kisten verpackt in Kiruna angekommen“, erinnert sich Barthol. „Seitdem haben wir die wissenschaftlichen Instrumente und das Teleskop kalibriert, in die Gondel eingebaut sowie alle Systeme und die Software getestet“. Ein wesentlicher Aspekt dabei ist das Pointing: Das Teleskop muss während des Fluges selbstständig die Sonne finden und sich nach ihr ausrichten. Nach ersten Versuchen mit künstlichem Licht in der großen Halle, die Sunrise beherbergt, waren auch Tests außerhalb der Halle mit „echtem“ Sonnenlicht erfolgreich.
Wann genau Sunrise-2 abhebt, ist noch unklar. In den nächsten Tagen steht als letzte Hürde eine Generalprobe am Boden an, bei dem das Team das Zusammenspiel aller Komponenten testet. Danach kann es jederzeit losgehen. „Der Starttermin ist jedoch stark vom Wetter abhängig“, erklärt Barthol. Denn nicht nur Regen, auch zu starker Wind verbietet ein Abheben. Dem Team bleibt somit nichts anders übrig als abzuwarten – auf das richtige Wetter und eine günstige Gelegenheit für die Reise zur aktiven Sonne.
MPS / DE