23.08.2012

Supermoleküle für Datenspeicher bauen sich selbst

Polarisation von günstigen organischen Ferroelektrika bei Raumtemperatur schaltbar.

Ferroelektrizität ist bisher nur anorganischen Verbindungen und wenigen organischen Substanzen bei tiefen Temperaturen vorbehalten. Nun haben amerikanische Forscher von der Northwestern University in Evanston neue organische Kristalle geschaffen, die auch bei Raumtemperatur eine spontane und schaltbare elektrische Polarisation zeigen. Diese Entdeckung könnte zu neuen Modulen der organischen Elektronik führen.

Abb.: Ferroelektrische, nadelförmige Kristalle aus organischen Molekülen/Grafik von nichtflüchtigen Speicherstrukturen. (Bild: D. Cao, M. Seniw)

„Unsere Entdeckung könnte immense Auswirkungen auf die Erforschung von organischer Elektronik und Speichertechnologien haben“, sagt Alok Tayi von der Northwestern University in Evanston. Denn die bei etwa 23 Grad schaltbare und stabile Ausrichtung der elektrischen Ladung in dem neuen Material lässt sich zur Speicherung digitaler Daten und auch bei der Entwicklung von empfindlichen Sensoren nutzen. Für die Herstellung des neuen Ferroelektrikums verteilte Tayi zusammen mit seinen Kollegen spezielle organische Moleküle wie Quinone und Fulvalene in einem Lösungsmittel. In diesem ordneten sie sich selbstständig unter Ausbildung von Wasserstoffbrückenbindungen zu größeren, kristallinen Komplexen an. Nach dem Verdunsten des Lösungsmittels lagen kleine, transparente organische Kristallnadeln vor, die eine spontane ferroelektrische Polarisation zeigten.

Kontaktiert mit winzigen Elektroden aus Gold, schickten die Forscher darauf kleine Spannungspulse von bis zu zehn Volt durch diese Kristalle. Dadurch ließ sich die Polarisation des Materials auch bei Raumtemperatur kontrolliert schalten. Verantwortlich dafür war die parallele Anordnung von Molekülarealen, die einerseits gerne Elektronen aufnehmen (Akzeptor) und andererseits diese Elektronen zur Verfügung stellten (Donator). Nach diesen Schaltprozessen blieb die jeweilige Polarisation ohne permanenten Stromfluss bestehen und eignet sich dadurch prinzipiell für die Entwicklung von nichtflüchtigen Speichern, den so genannten NVRAM-Modulen.

Abb.: Molekülstruktur der ferroelektrischen Kristalle. (Bild: A. Shveyd)

Heute ist es für den Bau von Sensoren und Schaltkreisen noch zu früh. Denn sowohl die Haltbarkeit als auch das Schaltverhalten der organischen Kristalle müssen noch im Detail untersucht werden. „Aber die finanzielle Bedeutung von ferroelektrischen Speichern könnte enorm sein“, sagt Tayi. Dabei hat er eine Reduktion des großen Strombedarfs von heutigen, flüchtigen DRAM-Arbeitsspeichern im Blick.

Diese Entdeckung eines bei Raumtemperatur stabilen, organischen Ferroelektrikums könnte auch zu weiteren Entwicklungen führen. Denn alle bekannten ferroelektrischen Materialien zeigen auch piezoelektrische Eigenschaften, um aus mechanischen Bewegungen direkt elektrische Spannungspulse zu erzeugen. Ob die organischen Kristalle nun eine höhere Effizienz aufweisen könnten, müssten aber weitere Experimente erst offenlegen.

Jan Oliver Löfken

PH

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