06.07.2006

Suprafluides Lithium

Ein Team um den Nobelpreisträger Wolfgang Ketterle beobachtet einen exotischen Phasenübergang eines Fermi-Gases.



Ein Team um den Nobelpreisträger Wolfgang Ketterle beobachtet einen exotischen Phasenübergang eines Fermi-Gases.

Cambridge (USA) - Gaswolken aus Bosonen, Teilchen mit ganzzahligem Spin, können bei tiefen Temperaturen ein Bose-Einstein-Kondensat bilden. Doch auch gepaarten Fermionen mit jeweils halbzahligem Spin ist der Übergang in diesen exotischen Materiezustand möglich. Alle beteiligten Teilchen sind innerhalb dieses Superatoms vollständig delokalisiert und können durch eine einzige Wellenfunktion beschrieben werden. Das Team um Nobelpreisträger Wolfgang Ketterle am Massachussetts Institute of Technology (MIT) beobachtete nun erstmals diesen Phasenübergang für ein stark wechselwirkendes Gas aus Lithium-Fermionen. Ihre Ergebnisse, die große Bedeutung für suprafluide und supraleitende Materialien haben, präsentieren sie in der Zeitschrift „Nature“.

„Phasenübergänge sind dramatische Phänomene: Wasser friert zu Eis, atomare Spins richten sich spontan in einem Magneten aus und flüssiges Helium wird suprafluid“, schreiben die MIT-Physiker. Doch für ein Gas aus stark wechselwirkenden Lithium-Atomen konnte der Wechsel in den suprafluiden Zustand bisher nicht beobachtet werden. Durch eine bewusst unausgeglichene Mischung von beiden Spinkomponenten bei den Lithium-Atomen gelang den Wissenschaftlern jedoch nun genau dies. Oberhalb der kritischen Temperatur des Phasenwechsels verteilten sich die Atome mit unterschiedlichem Spin noch homogen. Bei starker Abkühlung nahe dem absoluten Nullpunkt dagegen vollzog sich im Zentrum der Gaswolke plötzlich den Übergang in den energetisch bevorzugten Bose-Einstein-Zustand. Dabei konnten die Forscher den Kontrast zwischen den suprafluiden Kern des Gases aus gepaarten Lithium-Atomen und den quasi überschüssigen Fermionen, die den Kern umhüllen, vergrößern.

Abb.: Suprafluides Lithium: a) Ein homogener Zustand mit einer ungleichen Anzahl von Atomen mit Spin-up bzw. Spin-down. b) Sobald die Temperatur des Gases unter einen kritischen Wert sinkt, findet einen Phasenübergang statt und im Zentrum des Gases bildet sich ein suprafluider Zustand aus, bei dem Atome im Spin-up- und Spin-down-Zustand gepaart und in gleicher Menge vorliegen. Die übrigen ungepaarten Atome wandern an den Rand.

Die Kontrolle über diesen Übergang erfolgte mit Magnetfeldern im Bereich der so genannten Feshbach-Resonanz. Unterhalb dieser Resonanz formen je zwei fermionische Atome die gewünschten Paare, die als bosonische Moleküle beschreiben werden können. Werden diese Paare weiter abgekühlt, vollzieht sich der Phasenübergang zum suprafluiden Bose-Einstein-Kondensat (BSK). Oberhalb der Resonanz dagegen binden die Fermionen nur schwach aneinander und erreichen Zustände, die mit den so genannten Cooper-Paaren in Supraleitern vergleichbar sind (BSC). Gerade der Wechsel zwischen BSK und BSC-Zuständen hält nach Meinung der Physiker den Schlüssel in sich, um Suprafluidität und Supraleitung besser zu verstehen. Die Hoffnungen gehen sogar so weit, dass hierüber der Weg zu Supraleitern bei Raumtemperatur geebnet werden könnte.

„Unsere Methode bietet ein leistungsfähiges neues Werkzeug, um den suprafluiden Phasenübergang zu charakterisieren“, erläutert das Ketterle-Team. Von Nutzen zeigte sich dabei auch die Lithium-Hülle des suprafluiden BSK-Kerns, da diese Atome als Thermometer für den Phasenwechsel dienen konnten. Mit diesen Messungen lassen sich theoretische Modelle zu Supraleitung und Suprafluidität nun deutlich genauer überprüfen. J. E. Thomas von der Duke University sieht in diesem Experiment sogar die Möglichkeit, fundamentale Prozesse im Universum besser analysieren und verstehen zu können. Dazu zählt er die Suprafluidität in Neutronensternen, die Hydrodynamik in einem Quark-Gluonen-Plasma (das ist der prognostizierte Materiezustand unmittelbar nach dem Urknall) und Vorhersagen der String-Theorie.

Jan Oliver Löfken

Weitere Infos:

Weitere Literatur:

  • M. Bartenstein, A. Altmeyer, S. Riedl, S. Jochim, R. Geursen, C. Chin, J. Hecker Denschlag und R. Grimm, Exploring the BEC-BCS crossover with an ultracold gas of 6Li atoms, Proceedings of ICAP-2004.
    http://arxiv.org/abs/cond-mat/0412712 (Preprint)
  • M. Bartenstein, A. Altmeyer, S. Riedl, R. Geursen, S. Jochim, C. Chin, J. Hecker Denschlag, R. Grimm, A. Simoni, E. Tiesinga, C. J. Williams, P. S. Julienne, Precise determination of 6Li cold collision parameters by radio-frequency spectroscopy on weakly bound molecules, Phys. Rev. Lett. 94, 103201 (2005).
    http://arxiv.org/abs/cond-mat/0408673 (Preprint)
  • Greiner, M., Regal, C. A. & Jin, D. S., Emergence of a molecular Bose-Einstein condensate from a Fermi gas, Nature 426, 537 (2003).
  • Zwierlein, M. W. et al., Observation of Bose-Einstein condensation of molecules, Phys. Rev. Lett. 91, 250401 (2003).
  • Bartenstein, M. et al., Crossover from a molecular Bose-Einstein condensate to a degenerate Fermi gas, Phys. Rev. Lett. 92, 120401 (2004).
  • J. Hecker Denschlag, H.-C. Nägerl und R. Grimm, Moleküle am absoluten Nullpunkt: Ultrakalte Moleküle erobern die Welt der Quantengase, Physik Journal März 2004, S. 33.

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