Supraleiter zeigt sein Streifenmuster
Wie die Ladungsstreifen und der Pseudogap bei den dotierten Cupraten zusammenhängen, haben jetzt Forscher in Princeton untersucht.
Wie die Ladungsstreifen und der Pseudogap bei den dotierten Cupraten zusammenhängen, haben jetzt Forscher in Princeton untersucht.
Für die Hochtemperatursupraleiter gibt es auch nach fast 25 Jahren intensiver Erforschung noch keine anerkannte Theorie, die alle beobachteten Eigenschaften erklären könnte. Vielmehr hat man immer neue faszinierende Phänomene entdeckt, die nur schwer unter einen Hut zu bekommen sind. Immerhin steht fest, dass bei der Paarung der Elektronen, die zur Bildung eines supraleitenden Kondensats erforderlich ist, die Wechselwirkung der Elektronenspins eine wichtige Rolle spielt. Jetzt haben Forscher von der Princeton University einen Zusammenhang zwischen dem Auftreten des „Pseudogaps“, der der Supraleitung vorausgeht, und dem Entstehen von Ladungsstreifen im Supraleiter nachgewiesen.
Abb.: Durch Dotierung entstehen in den antiferromagnetischen Kupferoxidebenen Ladungsstreifen, in denen sich Ladungsträger bewegen können. (Bild: Kathryn A. Moler, Nature)
Mit einem Rastertunnelmikroskop haben Ali Yazdani und seine Kollegen eine dünne Schicht des Cuprats Bi2Sr2CaCu2O8+x (kurz BSCCO) untersucht, das bei Abkühlung auf 92 K supraleitend wird. Auf diese Weise konnten sie die räumliche Struktur der elektronischen Zustände sichtbar machen und ihre Energie bestimmen. Das x in der chemischen Formel von BSCCO steht für den Sauerstoffüberschuss und damit für den Mangel an Elektronen oder den Überschuss an positiven Löchern in den Kupferoxidebenen, in denen die Supraleitung stattfindet. Die Forscher haben BSCCO für unterschiedliche Löcherdotierung und bei unterschiedlichen Temperaturen untersucht.
Bei geringer Löcherdotierung und hinreichend hoher Temperatur ist BSCCO ein antiferromagnetischer Nichtleiter. Die Elektronen in den Kupferoxidebenen behindern sich gegenseitig, so dass sie sich nicht bewegen können, und ihre beiden Spineinstellungen bilden ein antiferromagnetisches Schachbrettmuster. Erhöht man die Dotierung, so geben die Löcher den Elektronen in den Kupferoxidebenen Bewegungsraum. Dabei sammeln sich die Löcher in Streifen, die parallel zu den Reihen der Kupferatome ausgerichtet sind. In diesen Streifen können die Elektronen sich frei bewegen, während die Bereiche zwischen den Streifen weiterhin antiferromagnetisch und nichtleitend sind. Quanteneffekte führen dazu, dass die Streifen nicht starr sind sondern fluktuieren.
Schon im antiferromagnetischen Isolatorzustand des BSCCO führt die Wechselwirkung der Elektronenspins dazu, dass sich in ihrem Energieband nahe der Fermi-Energie ein Pseudogap bildet. Während ein Supraleiter ein Gap, also eine richtige Bandlücke hat, ist bei einem Pseudogap die Zahl der Elektronenzustände nur stark verringert. Die rätselhafte Pseudogap-Phase ist ein Vorläufer der supraleitenden Phase, die schließlich bei weiterer Abkühlung oder Dotierung auftritt. Wie die Streifenstruktur und der Pseudogap miteinander zusammenhängen haben Yazdani und seine Kollegen jetzt genauer untersucht.
Mit dem Rastertunnelmikroskop haben sie die räumliche Struktur der elektronischen Zustände der BSCCO-Schicht (für verschiedene Temperaturen und Dotierungen) vermessen und in der Fouriertransformierten des Signals nach Anzeichen für ein Streifenmuster gesucht. In der supraleitenden Phase gab es deutliche Hinweise auf eine Streifenstruktur. Doch auch in der Pseudogap-Phase traten Streifen auf, die am stärksten ausgeprägt waren, wenn die Löcherdotierung 1/8 betrug, d. h. jedes achte Elektron aus den Kupferoxidebenen entfernt worden war. In diesem Fall war die Beweglichkeit der Elektronen in den Streifen optimal.
Es zeigte sich, dass die Pseudogap-Phase zusammen mit den Ladungsstreifen auftrat. Aus der Energieabhängigkeit der elektronischen Zustände in den Streifen schließen die Forscher, dass es sich bei dem Streifenmuster nicht um einen Interferenzeffekt der Wellenfunktionen von Ladungsträgern handelt, die an Störstellen gestreut wurden. Diese naheliegende und oft vertretene Erklärung schied somit aus. Vielmehr sind die Streifen tatsächlich der Ausdruck einer räumlichen Organisation der Ladungen in den Kupferoxidebenen.
Sind die Streifen nun die Ursache des Pseudogaps oder seine Folge? Die Forscher beobachteten, dass mit abnehmender Dotierung und Annäherung an den Isolatorzustand der Pseudogap immer stärker wurde während die Streifen langsam verschwanden. Sie schließen daraus, dass der Pseudogap nicht durch die Streifen verursacht wird sondern eine Voraussetzung für deren Entstehung ist. Der Pseudogap geht demnach mit starken Korrelationen der Elektronenspins einher, die schließlich die Bildung des fluktuierenden Streifenmusters ermöglichen, das wiederum bei der Entstehung des supraleitenden Zustands hilft.
RAINER SCHARF
Weitere Infos
Weitere Literatur:
- Kathryn A. Moler: How the cuprates hid their stripes. Nature 468, 643 (2010)
dx.doi.org/10.1038/468643a - S. A. Kivelson et al.: How to detect fluctuating stripes in the high-temperature superconductors. Rev. Mod. Phys. 75, 1201 (2003)
dx.doi.org/10.1103/RevModPhys.75.1201
www.physics.ucla.edu/~ianb/rmp.pdf (frei!)
AL