Szintillator aus dem 3D-Drucker
Additive Fertigung zeigt neuen Weg für den Bau von Elementarteilchen-Detektoren.
Immer bessere Detektoren sind entscheidend für großer Teilchenphysikexperimente. Damit rücken auch Verfahren der additiven Fertigung in den Fokus der Teilchenphysiker. Nun stellten Forschende von der ETH Zürich, dem Cern und weiterer Institute einen vollständig additiv gefertigten Kunststoff-Szintillator-Detektor für Elementarteilchen vor. Sie sind davon überzeugt, dass ihre Demonstration ein bedeutender Schritt in Richtung zeit- und kosteneffizienter Wege zum Bau künftiger großformatiger Teilchendetektoren ist.

Im Jahr 2024 begann die T2K-Kollaboration mit der Sammlung neuer Neutrinodaten, nachdem das Experiment mehrfach aufgerüstet und mit neuen Detektortypen ausgestattet wurde. Eines davon, SuperFGD genannt, hat eine Masse von etwa zwei Tonnen empfindlichem Volumen und besteht aus etwa zwei Millionen Würfeln. Jeder Würfel ist aus einem Kunststoff-Szintillator-Material produziert und wird von drei orthogonalen optischen Fasern durchquert, die das von Neutrinos indirekt verursachten Szintillationslicht sammeln und an 56.000 Photodetektoren weiterleiten. Die Daten zeigen dreidimensionale Teilchenspuren, die es den Forschenden wiederum ermöglichen, mehr über Neutrinos zu erfahren.
Plastik-Szintillator-Detektoren (PS) ermöglichen mit einer schnellen zeitlichen Reaktion die Verfolgung der Wege und die Messung des Energieverlusts geladener Teilchen. Sie enthalten fluoreszierende Emitter in einer festen Polymermatrix. Ein geladenes Teilchen, das sich durch das Material ausbreitet, regt die Polymermatrix an: Durch eine nicht-strahlende Dipol-Dipol-Wechselwirkung wird die Anregungsenergie auf die Fluore übertragen, die innerhalb weniger Nanosekunden durch die Emission von nahultraviolettem Licht reagieren. Häufig wird dem Polymer eine zweite Art von Fluor zugesetzt, um die Wellenlänge des emittierten Lichts zu verschieben und die Absorption im Szintillator-Material zu vermeiden. Optische Fasern fangen das von einem Detektor erzeugte Licht auf, indem sie dessen Wellenlänge in den grünen Bereich des sichtbaren Spektrums verschieben.
Für die Verfolgung von Elementarteilchen werden granulare 3D-Szintillationsdetektoren aus vielen kleineren Volumina zusammengesetzt, wie etwa die PS-Würfel in SuperFGD. In diesem Szenario ist es entscheidend, dass die kleineren Einheiten optisch isoliert sind, um verschiedene geladene Teilchen unabhängig voneinander zu verfolgen. So wie ein zweidimensionaler Laptop- oder Smartphone-Bildschirm aus einzelnen fluoreszierenden Pixeln besteht, kann ein granularer 3D-Teilchendetektor als eine Ansammlung von funkelnden Voxeln betrachtet werden. Alle Voxel müssen zusammenarbeiten, um hochwertige Daten zu liefern; jedes Voxel ist isoliert, aber Teil eines größeren Ganzen.
„Dies ist wirklich ein technisches Problem“, sagt der ETH-Ingenieur Tim Weber, der seine Erfahrungen mit der additiven Fertigung einbrachte. Er sieht die Sache eher pragmatisch: Wenn das Ziel darin besteht, immer größere Teilchendetektoren mit hervorragender Spurauflösung zu bauen, müssen die Produktionszeiten und -kosten reduziert werden. Dies erfordert Lösungen, die eine schnelle Produktion garantieren, ohne die Qualität und Leistung des Teilchendetektors zu beeinträchtigen. Allerdings ist die additive Fertigung in der Regel nicht geeignet, verschiedene Materialien zu verarbeiten und dabei die nötige Materialtransparenz zu erreichen, so dass das Szintillationslicht nicht vom PS absorbiert wird. Außerdem können nicht alle Verfahren der additiven Fertigung hohle Strukturen herstellen. Das letztgenannte Problem führt häufig zu subtraktiven Eingriffen – zum Beispiel dem Bohren von Löchern in die Voxel für wellenlängenverschiebende Fasern. Das erschwert die Automatisierung des Herstellungsverfahrens.
Das neue Herstellungsverfahren – Fused Injection Modeling (FIM) – ist eine Mischung aus dem Fused Deposition Modeling (FDM) und dem Spritzgießen. Der additive Fertigungsprozess umfasst drei Schritte: Zunächst werden 25 leere, von oben geöffnete und weiß beschichtete Würfel mit FDM hergestellt, einschließlich der Löcher für die optischen Fasern. Hier wird der für den Rahmen ausgewählte Polymerfaden in einem als Extrusion bezeichneten Verfahren durch eine Düse gepresst. Sobald diese Form fertig ist, werden Metallstangen in die Löcher eingesetzt, um Platz für die Fasern zu schaffen. Dann wird das FDM-Extrusionssystem durch eine längliche Düse ersetzt, die Szintillations-Material in die Form einspritzt, wobei sie sich in jedem leeren Würfel von unten nach oben bewegt und das geschmolzene Material so gleichmässig wie möglich verteilt. Im dritten Schritt wird ein beheizter Stempel verwendet, um eine ebene Oberseite für die nächste Matrixschicht zu gewährleisten.
Nach diesem Verfahren stellte das Team einen SuperCube her, einen Detektor mit 125 optisch isolierten Voxeln, wobei jedes Voxel von zwei orthogonalen wellenlängenverschiebenden Fasern ausgelesen wird. Die Herstellungszeit für ein Voxel wurde auf etwa sechs Minuten geschätzt: Diese Zeit wird voraussichtlich sinken, sobald der Herstellungsprozess dank eines neu entwickelten 3D-Druck-Systems weiter automatisiert ist. Die Forscher charakterisierten die Leistung ihres Prototyps mit kosmischen Teilchendaten und konzentrierten sich dabei auf die erzielte Szintillationslichtausbeute in einem einzigen Würfel und die gegenseitige Beeinflussung zwischen den Voxeln. „Dies ist das erste Mal, dass ein 3D-gedruckter Szintillator-Detektor in der Lage ist, geladene Teilchen, wie sie von der kosmischen Strahlung und den Teststrahlen am Cern stammen, zu detektieren und sowohl ihre Spuren als auch den Energieverlust zu rekonstruieren“, sagt ETH-Forscher Davide Sgalaberna.
Um die optische Isolierung der Voxel des Detektors zu optimieren, testete das Team verschiedene Prototypen. Gleichzeitig arbeitet Weber an der Neugestaltung des gesamten Produktionssystems: Das Ziel ist ein automatisierter Drucker, der den Herstellungsprozess auf größere Detektorvolumina skaliert. Dabei würde der Wechsel von einem granularen Detektor mit zwei Millionen Voxeln zu einem mit zehn Millionen Voxeln eine enorme Verbesserung für die Experimente bedeuten: Je größer das Detektorvolumen, desto mehr Wechselwirkungsereignisse können erfasst werden.
ETHZ / JOL