Tattoo-Elektroden messen Hirnströme
Ultraleichte Elektroden sollen Langzeitmessungen von Hirnaktivitäten vereinfachen.
Im Jahr 2015 entwickelte Francesco Greco, Leiter des Laboratory of Applied Materials for Printed and Soft electronics am Institut für Festkörperphysik der TU Graz, gemeinsam mit italienischen Kollegen erste „Tattoo-Elektroden“. Dabei handelt es sich um leitfähige Polymere, die mit einem Tintenstrahldrucker auf handelsübliches Tattoo-Papier gedruckt und dann wie Abziehbilder auf die Haut geklebt werden, um die Herz- oder Muskelaktivität zu messen. Diese Art von Elektrode eröffnete völlig neue Wege bei elektrophysiologischen Untersuchungen wie der Elektrokardiographie (EKG) oder der Elektromyografie (EMG). Dank einer Dicke von 700 bis 800 Nanometern passen sich die Tattoos an Unebenheiten der Haut an und sind am Körper kaum wahrnehmbar. Außerdem handelt es sich um Trocken-Elektroden, sie funktionieren im Gegensatz zu Gel-Elektroden ohne Flüssigkeitsschnittstelle und können nicht austrocknen. Sie eignen sich hervorragend für die Langzeitmessung. Selbst Haare, die durch das Tattoo hindurchwachsen, behindern die Signal-Aufzeichnung nicht.
Aufbauend auf dieser Pionierleistung setzte Greco gemeinsam mit Esma Ismailova von der École Nationale Supérieure des Mines de Saint-Étienne und Laura Ferrari von der Scuola Superiore Sant’Anna nun einen weiteren Fortschritt in der Messung bioelektrischer Signale: Die Gruppe hat die Tattoo-Elektroden derart modifiziert, dass diese auch in der Elektroenzephalografie (EEG) zur Messung der Gehirnaktivitäten eingesetzt werden können. Hierzu verwendeten die Forscher den gleichen Ansatz wie 2018: den Tintenstrahldruck von leitendem Polymer auf Tattoo-Papier.
Zusammensetzung sowie Dicke des Abziehpapiers und des leitenden Polymers wurden optimiert, um eine noch bessere Verbindung zwischen Tattoo-Elektrode und Haut zu erreichen und die EEG-Signale mit maximaler Qualität aufzeichnen zu können, denn: „Hirnstromwellen befinden sich im niedrigen Frequenzbereich und EEG-Signale haben eine sehr geringe Amplitude. Sie sind viel schwieriger in einer hohen Qualität zu erfassen, als EMG- oder EKG-Signale“, erklärt Laura Ferrari. Tests unter realen klinischen Bedingungen haben gezeigt, dass die EEG-Messung mit den optimierten Tattoos genauso gut gelingt wie mit konventionellen EEG-Elektroden. „Durch den Tintenstrahldruck und die handelsüblichen Substrate sind unsere Tattoos aber deutlich günstiger als derzeitige EEG-Elektroden und bieten im direkten Vergleich auch mehr Vorteile hinsichtlich Tragekomfort und Langzeitmessungen“, so Greco.
Bei den neuartigen Tattoo-Elektroden handelt es sich um die allererste Trocken-Elektrodenart, die für Langzeit-EEG-Messungen geeignet und gleichzeitig kompatibel mit der Magnetenzephalographie (MEG) ist. MEG ist eine gut eingeführte Methode zur Überwachung der Gehirnaktivität, für die bisher ausschließlich „nasse Elektroden“ eingesetzt werden können. Solche Elektroden funktionieren auf Basis von Elektrolyt, Gel oder einer Elektrodenpaste, trocknen somit rasch aus und sind für Langzeitmessungen ungeeignet. Die neue Generation von Tattoo-Elektroden besteht ausschließlich aus leitfähigen Polymeren, beinhaltet also keine Metalle, die für MEG-Untersuchungen problematisch sein könnten und wird ausschließlich mit Tintenstrahl gedruckt. Der TU Graz-Forscher spinnt derzeit Ideen, wie diese Technologie in Kliniken, aber auch im Neuroengineering und im Bereich der Brain Computer Interfaces eingesetzt werden kann.
TU Graz / JOL
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
L. M. Ferrari et al.: Conducting polymer tattoo electrodes in clinical electro- and magneto-encephalography, npj Flex. Elec. 4, 4 (2020); DOI: 10.1038/s41528-020-0067-z - Institut für Festkörperphysik, Technische Universität Graz
- Center for MicroBiorobotics, Istituto Italiano di Tecnologia, Pontedera, Italien