08.07.2022

Tief gehende Einsichten

Eine der Fields-Medaillen 2022 und der Carl-Friedrich-Gauß-Preis 2022 würdigen Leistungen in der mathematischen Physik.

Die International Mathematical Union (IMU) hat im Rahmen des Internationalen Mathematikerkongresses ihre diesjährigen Preise vergeben. Zu den mit der Fields-Medaille Ausgezeichneten zählt Hugo Duminil-Copin, der sich intensiv mit dem Ising-Modell und kontinuierlichen Phasenübergängen auseinandergesetzt hat. Seine Forschung zum Magnetismus baut auf der Perkolationstheorie auf. Den Carl-Friedrich-Gauß-Preis erhält Elliott H. Lieb. Als mathematischer Physiker hat er zahlreiche Durchbrüche in der Statistischen Mechanik erzielt und die Stabilität von Materie mathematisch exakt erklärt.

Hugo Duminil-Copin (links) und Elliott H. Lieb (Bild: Matteo Fieni / Lance...
Hugo Duminil-Copin (links) und Elliott H. Lieb (Bild: Matteo Fieni / Lance Murphey)

Die Fields-Medaille würdigt außergewöhnliche mathematische Leistungen und die Aussicht auf weitere Erfolge in der Zukunft. Alle vier Jahre erhalten zwei bis vier Personen den Preis, die jünger als 40 Jahre sind. In diesem Jahr zeichnet die IMU neben June Huh, James Maynard und Maryna Viazovska auch den französischen Mathematiker Hugo Duminil-Copin aus für die „Lösung langjähriger Probleme in der probabilistischen Theorie der Phasenübergänge in der statistischen Physik, insbesondere in den Dimensionen drei und vier.“

Duminil-Copin hat in Paris Mathematik studiert und an der Universität Genf (Schweiz) promoviert. Dort arbeitete er zunächst als Post-Doc und hat nach einer Assistenzprofessur mittlerweile eine Professur inne. Darüber hinaus forscht er in Kollaboration mit dem Weizmann-Institut in Rechovot (Israel) und war mehrfach am Instituto de Matemática Pura e Aplicada in Rio de Janeiro (Brasilien) als Gastwissenschaftler tätig. Seit 2016 arbeitet er zusätzlich als Professor am Institut des Hautes Études Scientifiques (IHES) in Bures-sur-Yvette, Frankreich. Dass seine Arbeit durch eine außergewöhnliche Herangehensweise geprägt ist, zeigt sich auch darin, dass er im Park des IHES Tafeln aufgestellt hat: Das Arbeiten in der Natur setze die kreativen Kräfte frei, ohne die Durchbrüche nicht möglich seien.

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In seiner bisherigen Laufbahn hat sich Duminil-Copin unter anderem der mathematischen Beschreibung des Magnetismus gewidmet. Mit Methoden aus Wahrscheinlichkeitstheorie, Kombinatorik und mathematischer Physik untersucht er dieses komplexe Phänomen. Als vielversprechender Ansatz hat sich die Perkolationstheorie herausgestellt: Damit ist es ihm gelungen, kontinuierliche Phasenübergänge, wie das Verschwinden des Magnetismus bei einer kritischen Temperatur, zu erklären. Nun will er das Verfahren auf eine allgemeingültige Basis zurückführen, um damit das Verhalten verschiedenster Systeme zu erklären.

Der Carl-Friedrich-Gauß-Preis ehrt Forschende, deren Arbeiten eine breite Wirkung über die Mathematik hinaus entfaltet haben, beispielsweise in Technologie, Wirtschaft oder im Alltag. Die IMU vergibt den Preis gemeinsam mit der Deutschen Mathematiker-Vereinigung und zeichnet in diesem Jahr den US-amerikanischen Physiker Elliott H. Lieb aus. Der 89-Jährige zielt mit seinen Arbeiten auf die exakte Behandlung von Modellen in der statistischen Mechanik und der Vielteilchenphysik ab. In dieser Exaktheit sieht er den Unterschied zwischen mathematischer und theoretischer Physik: Letztere verzichte zugunsten eines verwertbaren Ergebnisses ab und an darauf, jeden einzelnen Schritt vollständig zu beweisen.

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Mit Hugo Duminil-Copin hat Elliott H. Lieb gemein, dass auch in seiner Forschung immer wieder der Magnetismus in Form des Ising-Modells eine Rolle spielte. Doch Liebs Name taucht auch im Zusammenhang mit zahlreichen anderen Phänomenen auf: So hat er beispielsweise zusammen mit Jakob Yngvason einen neuen Blick auf die Entropie und den zweiten Hauptsatz der Thermodynamik ermöglicht und sich intensiv mit dem Hubbard-Modell auseinandergesetzt.

Neben dem Carl-Friedrich-Gauß-Preis und den Fields-Medaillen hat die IMU auf dem Internationalen Mathematikerkongress auch die Chern-Medaille und den Leelavati-Preis sowie erstmals die Abacus-Medaille verliehen. Dieser Preis war ursprünglich nach dem finnischen Mathematiker Rolf Herman Nevanlinna benannt. Der führende Vertreter der Funktionentheorie ist jedoch wegen seines Verhaltens während des Zweiten Weltkriegs umstritten.

Kerstin Sonnabend

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