30.11.2018

Töpfern für den Mars

Keramiken aus Mars-typischen Zutaten erweisen sich als überraschend stabil.

Die Ziele sind ambitioniert: In den 2030er Jahren plant die US-amerikanische Raum­fahrt­behörde NASA mit ihren inter­nationalen Partnern den ersten bemannten Flug zum Planeten Mars – eine Reise in die Tiefen des Welt­alls, die von Forschern welt­weit begleitet wird. Ein Team der TU Berlin vom Fach­gebiet Keramische Werk­stoffe am Institut für Werkstoff­wissenschaften und -technologien der Fakultät III Prozess­wissenschaften befasst sich ebenfalls mit Experimenten, die eine mögliche Reise zum roten Planeten in den Fokus stellen.

Abb.: Vasen, Ringe und Tabletten aus Mars­keramik in unter­schiedlichen Brenn­stadien (Bild: TU Berlin / D. Karl)

Die Wissenschaftler haben mit Hilfe des simulierten Mars­bodens „JSC-Mars-1A“ erstmals komplexe geo­metrische Formen wie Ringe und Vasen gefertigt. Das dem Mars­boden (Regolith) nach­empfundene Material ist vulkanischen Ursprungs und stammt von der Flanke des höchsten Bergs auf Hawaii, dem Mauna Kea. Die Materialien wurden vom NASA Johnson Space Center entwickelt und der Wissenschafts­gemeinde unter anderem für In-situ-Ressourcen­nutzung-Studien (in-situ resource utilization, kurz ISRU) zur Verfügung gestellt. Ihre Beschaffen­heit simuliert den Mars-Regolith.

Der Mars und die Erde sind zwischen 56 und 401 Millionen Kilometer voneinander entfernt. Eine Reise dorthin würde bis zu acht Monate dauern. „Im Falle eines Mars­aufenthalts wird es für Astronautinnen und Astronauten wichtig sein, eigene Produkte aus lokalen Materialien herzustellen. Diese Praxis wird ‚in-situ resource utilization‘ genannt und bildet die Grundlage für unsere Versuche“, erklärt David Karl. Er ist gemeinsam mit Franz Kamutzki Projekt­verantwortlicher der Studie. Beide sind wissenschaftliche Mitarbeiter im Team von Fach­gebiets­leiter Aleksander Gurlo.

„Unsere ‚Marskeramik‘ besteht aus einer Erde, die in chemischer Hinsicht der des Mars‘ ähnlich ist. Für die Verarbeitung haben wir den Mars­simulanten nur mit Wasser gemahlen, in Gips­formen gegossen und gebrannt“, erläutert Franz Kamutzki den Prozess­ansatz. „Es kamen nur ‚Mars­boden‘, Gips, Wasser und Energie zum Einsatz – alles Ressourcen, die auf dem Mars vorhanden sind oder erzeugt werden können.“

„Anfangs haben wir das Material vielen Vorprozessen unterzogen: Wir haben es thermisch vor­behandelt, vor­gemahlen, vor­gesiebt, organische Additive in Form von Dispergatoren und Binde­mitteln hinzugefügt und letztlich fest­gestellt, dass die denk­bar einfachste Variante am stabilsten funktioniert“, sagt David Karl. Die Wissen­schaftler versetzten den Mars­simulanten mit Wasser in einem Verhältnis von zirca fünfzig zu fünfzig und haben ihn für 48 Stunden misch­gemahlen. Der dadurch entstandene Schlicker wurde anschließend in Gips­formen gegeben – etwa für Vasen –, nach kurzer Zeit entformt, luft­getrocknet und bei unter­schiedlichen Temperaturen von 1000 bis 1130 Grad Celsius gebrannt. Das Ergebnis sind keramische Bau­teile, die, je nach Brenn­temperatur, ähnliche oder sogar höhere Druck­festigkeiten im Vergleich zu Porzellan aufweisen.

„Wir waren sehr überrascht von den guten mechanischen Eigenschaften unserer Mars­keramiken – theoretisch sind sie hierdurch für alle Anwendungen interessant, für die heute auf der Erde Porzellan und Ton­keramiken genutzt werden: angefangen von Geschirr über technische Bauteile zu Baumaterialien“, fasst Franz Kamutzki die Bedeutung der Experimente zusammen.

Angesprochen auf den Nutzen von Vasen auf dem Mars erklären die Wissen­schaftler: „In der konzeptionellen Phase unseres Projektes haben wir ausgiebig diskutiert, welche Werk­zeuge für eine menschliche Mars-Kolonisation wesentlich sein würden. Letztlich haben wir uns für die Form unserer ‚Mars­keramiken‘ auf eine Geo­metrie geeinigt, die in der menschlichen Zivilisations­geschichte von allen Kulturen produziert, genutzt und hinter­lassen wurde und noch heute welt­weit Verwendung findet.“

Das Team betont außerdem, dass viele andere komplexe Formen mit der entwickelten Prozess­route hergestellt werden könnten. Der Schlicker­guss mit Gips­formen sei für die Produktion von großen Stück­zahlen mit gleicher Geometrie sinnvoll. Zurzeit arbeitet das Team an neuen Prozessen, bei denen das entwickelte Schlicker­system mittels 3D-Druck verarbeitet wird. Theoretisch böte eine solche fern­gesteuerte beziehungs­weise voll­automatische Prozessierung die Möglichkeit, Bau­teile mit flexiblen Geo­metrien zu erzeugen – sogar bevor Menschen den roten Planeten betreten.

TU Berlin / DE

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