17.07.2017

Topologische Akustik mit aktivem Metamaterial

Aktive Flüssigkeit als Gleichrichter für Schallwellen.

Topologische Isolatoren mit ihren ungewöhnlichen elektrischen Eigenschaften sollten auch in der Akustik ihre Entsprechung haben. Eine theoretische Studie beschreibt ein Metamaterial, an dessen Rand topologisch geschützte Schallwellen gerichtet entlang­laufen können. Normalerweise kommen Schallwellen, die eine Flüssigkeit oder ein Gas in einer bestimmten Richtung durchqueren, auch ebenso gut in der entgegen­gesetzten Richtung voran. Die Dispersions­relation der Schallwellen zeigt deshalb eine Entartung, die jedoch dadurch aufgehoben werden kann, dass man die Flüssigkeit oder das Gas in Bewegung setzt. Das hatten vor drei Jahren Forscher an der University of Texas at Austin an ring­förmigen Resonatoren demonstriert.

Abb.: Am Rand des akustischen topologische Isolators läuft eine Schallwelle entlang – aber nur in eine Richtung. Im Innern breitet sich dieser Schall nicht aus. In benachbarten Ringen strömt die Flüssigkeit in entgegen­gesetzte Richtung. Da von einer Ringsorte die Hälfte fehlt, hat die Strömung insgesamt eine Vorzugs­richtung. (b) An der Grenzlinie zweier Domänen mit entgegen­gesetzter Vorzugs­richtung kann sich eine topologisch geschützte Schallwelle ausbreiten, (c) an der Grenze zweier gleichgerichteter Domänen hingegen nicht. (Bild: A. Souslov et al.)

Dabei wiesen sie auf eine Analogie zwischen dem Verhalten der Schallwellen in einem Ring­resonator und dem von Elektronen­wellen hin, die in einem Magnetfeld auf Kreisbahnen umlaufen. Das Magnetfeld hebt durch den Zeeman-Effekt die Entartung der rechts- und links­umlaufenden Elektronen­wellen auf. Für die Schallwellen im strömenden Fluid beobachtet man demnach einen akustischen Zeeman-Effekt mit einem effektiven „akustischen“ Magnetfeld.

Kann man aus solchen Ringresonatoren ein Metamaterial aufbauen, das sich wie ein topologischer Isolator für Schallwellen verhält? An dessen Rand sollten Schallmoden auftreten, die nur in eine bestimmte Richtung laufen und deshalb nicht gestreut werden können. Dieser Frage sind Forscher um Anton Souslov und Vincenzo Vitelli von der Universität Leiden nachgegangen.

Sie haben theoretisch und mit Computersimulationen untersucht, wie sich Schallwellen in einem zweidimensionalen Meta­material ausbreiteten, das aus miteinander verbundenen, flüssigkeits­gefüllten Ringen bestand. Dabei nahmen sie an, dass es sich um eine aktive und polare Flüssigkeit handelte, die sich wie ein Fischschwarm von selbst in Bewegung halten kann und deren Bestandteile einheitlich ausgerichtet sind.

In benachbarten, miteinander verbundenen Ringen strömte die Flüssigkeit mit entgegen gesetztem Drehsinn und ähnelte somit ineinander greifenden Zahnrändern. Bildeten die Ringe eine quadratische Anordnung, so waren ebenso viele rechts wie links durchströmte Ringe vorhanden. In diesem Fall hatte das Metamaterial keine Vorzugs­richtung, sodass rechts- und links umlaufende Schall­wellen entartet waren.

Wurde hingegen ein „Lieb-Gitter“ betrachtet, in dem die Hälfte aller z. B. im Uhrzeiger­sinn durchströmten Ringe entfernt worden war, so hatte das ganze Gitter eine Vorzugs­richtung. Die Entartung der Schallwellen im Innern des Gitters wurde aufgehoben und es öffnete sich eine Bandlücke, sodass ein akustischer Isolator entstand. In dieser Bandlücke trat jedoch ein Band von besonderen Rand­zuständen auf. Dies waren Schallwellen, die nur entgegen dem Uhrzeiger­sinn am Rand des gitter­förmigen Meta­materials entlanglaufen konnten.

Wie die Randzustände eines topologischen (elektrischen) Isolators waren diese Schall­wellen durch ihre Topologie dagegen geschützt, an Gitter­fehl­stellen oder durch Grenzen zwischen Domänen mit unterschiedlicher Topologie gestreut und umgelenkt oder sogar reflektiert zu werden. Solche Domänengrenzen traten dort auf, wo Bereiche mit entgegen gesetzter Vorzugs­richtung aneinander stießen. Bildeten hingegen zwei Gitterbereiche mit gleicher Vorzugs­richtung eine Domänen­grenze, so waren hier die Schallwellen nicht topologisch geschützt, sodass sie stark gestreut wurden.

Die Amplitude der akustischen Randmoden fiel exponentiell mit der Entfernung vom Rand des Metamaterials ab. Wie stark der Abfall war, wurde durch die Eindring­tiefe beschrieben, deren Abhängigkeit von den Systemparametern die Forscher herleiten konnten. Sie war demnach umgekehrt proportional zu dem Vektor­potential, aus dem sich das „akustische“ Magnetfeld berechnete.

Mit einer von außen angetriebenen Flüssigkeit lassen sich die für einen akustischen topologischen Isolator nötigen großen Strömungs­geschwindigkeiten, vergleichbar der Schall­geschwindigkeit, kaum erreichen, da vorher Turbulenz einsetzt. Mit einer aktiven Flüssigkeit sollte dies hingegen nach Meinung der Forscher möglich sein. Vielleich gibt es schon bald akustische topologische Isolatoren aus Kolloiden oder anderen Arten von weicher Materie.

Rainer Scharf

DE

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