04.06.2021

Topologische Defekte auf dem Präsentierteller

Analyse topologischer Phänomene dank neuer topoelektrischen Methode deutlich vereinfacht.

Mit einer jungen experimentellen Methode lassen sich topologische Phänomene viel schneller, günstiger und flexibler untersuchen. Erst vor knapp zwei Jahren haben Forscher des Exzellenzclusters ct.qmat topolektrische Schaltkreise realisiert und wichtige Pionierarbeiten zu deren Verständnis geleistet. Nun ist dem Team um den Würzburger Ronny Thomale erneut ein Durchbruch gelungen: Die Beobachtung topologischer Effekte in einem Schaltkreis, der mittels dämpfender und verstärkender Elemente Energie mit seiner Umgebung austauschen kann. Die theoretische Grundlage hierfür könnte in Zukunft licht­gesteuerte Computer ermöglichen.

 

Abb.: Mit solch einem topo­lektrischen Schaltkreis wurden die jetzt...
Abb.: Mit solch einem topo­lektrischen Schaltkreis wurden die jetzt untersuchten topologischen Zustände realisiert. (Bild: L. Ziegler)

Würzburger und Dresdner Wissenschaftler des Exzellenzclusters „ct.qmat – Komplexität und Topologie in Quanten­materialien“ haben in einem gemeinsamen Forschungs­projekt erstmals bestimmte topologische Zustände von Materie in einem nicht-hermiteschen System realisiert, das nicht in sich selbst abgeschlossen ist – dem also Energie zugeführt und wieder entzogen werden kann.

Möglich wurde dies, da sie für das Experiment topolektrische Schaltkreise genutzt haben. Das Akronym zielt darauf ab, topologische Phänomene zu erforschen, indem die Eigenschaften atomar aufgebauter Festkörper in einem elektrischen Schalt­kreis nachgebaut werden. Topologische Materie, ob anhand eines Festkörpers oder in synthetischer elektrischer Form, gilt als äußerst robust und kann potentiell im Rahmen zukünftiger Quantentechnologien eingesetzt werden. Mit den neuen Forschungsergebnissen verbindet das Forschungsteam die Vision, die Erkenntnisse der topolektrischen Schaltkreise auf lichtbasierte Schalt­elemente übertragen zu können.

Zentrum der aktuellen Forschungsarbeit ist die Paritäts-Zeit-Symmetrie („PT-Symmetrie“) bestimmter offener Systeme, die im Besonderen in der Optik intensiv erforscht werden. Die Mitglieder des Forschungs-Clusters haben die PT-Symmetrie dafür genutzt, das Wechselspiel von elektrischen Energieverlusten einerseits und elektrischer Verstärkung andererseits so zu kompensieren, dass sich der eigentlich Energie-offene Aufbau ähnlich wie ein abgeschlossenes System, also hermitesch, verhält. Nur mit diesem Kniff haben sie es schließlich geschafft, topologische Phänomene – konkret topologische Defekt­zustände – auch in einem energie­offenen System zu realisieren, also nicht-hermitesch.

„Mit diesem Forschungsprojekt ist uns ein Brückenschlag zu den Dresdner Kollegen gelungen. Mein Ziel war immer schon, die Forschungsbemühungen in der Optik an beiden Cluster­standorten zusammenzuführen. Ein erster Schritt in diese Richtung ist nun getan, was mich sehr freut. Für mich sind die topolektrischen Schaltkreise eine Art Simulator für Ideen, aus denen sich in Zukunft außergewöhnliche neue Anwendungen in der Optik ergeben können“, kommentiert der Leiter der Studie, Ronny Thomale, das Ergebnis. Thomale hat an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) den Lehrstuhl für Theoretische Physik I inne. Die Tatsache, dass solch ein experimenteller Aufbau gerade mal 500 Euro kostet und dabei präziser messbar und einstellbar ist als viele andere topologische Plattformen, kommt nach Thomales Worten einem Paradigmen­wechsel gleich.

Nachdem die Quantenphysiker um Thomale die PT-Symmetrie in einem eindimensionalen topolektrischen Aufbau aus dreißig Reihenschaltungen realisiert haben, wollen sie einen Schritt weiter in Richtung Anwendung gehen. Hierfür werden sie zweidimensionale PT-symmetrische Stromkreise mit etwa 1000 Elementen entwickeln und untersuchen. Irgendwann könnten damit licht­gesteuerte Computer ermöglicht werden. Diese wären wesentlich schneller und energieeffizienter als heutige elektronen­gesteuerte Modelle.

An der Publikation sind neben Cluster­mitgliedern der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) und dem Leibnitz-Institut für Festkörper- und Werkstoff­forschung Dresden (IFW) auch Wissenschaftler um Alexander Szameit von der Universität Rostock beteiligt. Mit der Arbeitsgruppe von Szameit kooperiert das Exzellenz­cluster ct.qmat auf dem Gebiet der topologischen Photonik.

JMU / DE

 

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