15.04.2016

Trägheits-Kernfusion nähert sich der Zündung

Selbstheizung mit Alpha­teil­chen domi­niert erst­mals den Fusions­prozess.

Es gibt verschiedene Arten, das Sonnen­feuer auf die Erde zu holen. Sehr viel wünschens­werter als unkon­trolliert ablau­fende thermo­nukleare Explo­sionen in Wasser­stof­fbomben sind die kontrol­lierten Methoden. Die eine eignet sich prinzi­piell für Kraft­werke und wird derzeit an ITER, Wendel­stein 7-X und anderen Anlagen erforscht. Eine andere, die eben­falls schon weit gediehen ist, ist die laser­induziert Träg­heits-Kern­fusion. Noch hat keine der zivilen Methoden die eigent­liche Zündung des Brenn­stoffs erreicht – man kommt diesem Ziel aber immer näher. Im Gegen­satz zu den torus­förmigen Fusions­kraft­werken heizen bei der Träg­heits-Kern­fusion riesige Laser ein kleines Kügel­chen mit Fusions­treib­stoff inner­halb kürzester Zeit enorm auf. Dabei ver­dampfen die äußeren Schichten des Ziels, werden nach außen weg­ge­sprengt und ver­dichten dadurch den Inhalt, der aus Fusions­treib­stoff besteht – zumeist eine Mischung aus gleichen Teilen Deuterium und Tritium. Die dabei ent­stehenden hohen Drücke und Tempe­raturen setzen Fusions­prozesse in Gang. Bislang funktio­niert das Konzept. Aller­dings spricht man von richtiger Zündung erst, wenn die durch Kern­fusion erzeugte Energie im Target die von außen einge­brachte Energie über­steigt.

Abb.: Koloriertes Bild einer laser­indu­zierten Deuterium-Tritium-Träg­heits­fusion. (Bild: D. Jedlovec)

Ein entscheidender Schritt hin zur Zündung eines Fusions­plasmas ist die Alpha­teilchen-Selbst­heizung, kurz Alpha-Heizung. Bei der Fusion von Deuterium und Tritium entstehen Neutronen und Alpha­teilchen. Während Neutronen sehr durch­dringend sind und weiter außen abge­schirmt werden müssen, ist die Reich­weite von Alpha­teilchen im Fusions­material sehr kurz. Sie können deshalb zu einer weiteren Erhitzung dieses Materials beitragen. Diese Alpha-Heizung ist sehr effektiv und in der Lage, die Effizienz des Fusions­prozesses deutlich zu erhöhen. Dabei entstehen die Alpha­teilchen im heißen Reaktions­zentrum und geben ihre Energie in kurzer Distanz in den äußeren, kühleren Schichten des Fusions­treib­stoffs wieder ab. Die Hoffnung der Forscher ist es, sich diesen Prozess immer besser zunutze zu machen, bis er schließlich so stark wird, dass auch in diesen Schichten verstärkte Kern­fusion auftritt.

Wissenschaftlern des Lawrence Livermore National Laboratory in Kali­fornien ist es nun ers­tmals gelungen, laser­be­feuerte Fusions­prozesse in Gang setzen, bei denen diese Alpha-Heizung die domi­nierende Rolle beim Energie­eintrag spielt. Für ihre Versuche stand den Forschern mit der National Ignition Facility die welt­größte Anlage ihrer Art zur Verfügung. Turn­hallen­große Laser­batterien fokus­sieren eine Energie von einigen Mega­joule in einen eva­kuierten Hohl­raum aus Gold, in dessen Mitte sich ein nur rund zwei Milli­meter großes Target-Kügel­chen befindet. Der Rück­stoß der ver­dampfenden äußeren Schichten dieses Targets führt zu einer Implosion, die gegen­wärtig drei­hundert bis vier­kundert Kilo­meter pro Sekunde schnell ist.

Abb.: Asymmetrien bei der Kompression des Fusions­treib­stoffs ge­hören mit zu den schwie­ri­gsten Pro­blemen, an deren Lösung die Forscher arbeiten. (Bild: O. A. Hurricane et al., LLNL)

Doch noch ist die Kompression ein Stück weit von den Bedin­gungen entfernt, die zur Zündung nötig sind. „Die nächsten Meilen­steine sind zunächst das brennende Plasma, wenn die Alpha-Heizung im Plasma die von außen einge­brachte Energie über­steigt”, sagt Omar Hurricane, leitender Wissen­schaftler des Träg­heits­fusions-Projekts. „Danach folgt der Netto-Energie-Gewinn der Kapsel.” Eine wichtige Inno­vation, um die nun erreichte Alpha-Heizung zu erzielen, lag in der Puls­kontrolle der Laser. Bei den jüngsten Experi­menten arbeiteten die Forscher mit Laser­pulsen, deren anfäng­liche Leistung im Vergleich zu früheren Experi­menten ver­doppelt wurde. Dadurch ist die Kompression der Target-Kügelchen gleich­mäßiger, weil Instabi­litäten weniger Zeit haben, sich aus­zu­breiten und dadurch für Energie­verluste zu sorgen. Die neuen Experi­mente sind mittler­weile auch in gutem Ein­klang mit drei­dimen­sionalen Simu­lationen, obwohl das komplexe Verhalten sich nicht ganz getreu im Computer­modell abbilden lässt.

Nach der Analyse der Experimente hat sich die Fusions­leistung dank der starken Alpha-Heizung um etwa den Faktor zwei verbessert. Um Zündung zu erreichen, müssten aber noch deutlich höhere Temperaturen im Innern der Kapseln erreicht werden. Das Produkt aus Tempe­ratur und Ein­schluss­zeit müsste noch knapp doppelt so hohe Werte erreichen. Die Wissen­schaftler experi­mentieren deshalb mit unter­schied­lichen Laser­pulsen und Kapsel­materialien – unter anderem Plastik, Diamant und Beryllium –, um die optimale Konfi­guration zu finden und insbe­sondere die Instabi­litäten bei der Kompression zu mini­mieren. Ein anderes Problem stellen heiße Elek­tronen aus Laser-Plasma-Wechsel­wirkungen dar, die das Target zu einem frühen Zeit­punkt auf­heizen und dadurch Asym­metrien hervor­rufen. „Wir werden diese uner­wünschten Effekte ver­ringern müssen, bevor wir weiter voran­kommen können”, so Hurricane. Denn bei einem inneren Druck von einigen Hundert Milliarden Bar wachsen auch kleinste Irregu­laritäten inner­halb kürzester Zeit enorm an.

Ein wichtiger Anwendungsaspekt dieser Grund­lagen­forschung liegt vor allem in der Simu­lation von Kern­fusions­prozessen, wie sie auch in thermo­nuklearen Waffen statt­findet. Damit will das Lawrence Liver­more National Labo­ratory auch die Sicher­heit und Einsatz­fähig­keit der amerika­nischen Atom­waffen gewähr­leisten – ohne dass Atom­waffen­tests nötig wären. Sollte die Zündung erreicht werden, hätte man aber auch eine enorm starke Neutronen­quelle zur Verfügung, die sich vielleicht auch ander­weitig nutzen ließe. Derzeit bewegt man sich im Bereich um die 1016 Neutronen pro Schuss. Bei Erreichen der Zündung würde dies nochmals sprung­haft um einige Größen­ordnungen zunehmen.

Dirk Eidemüller

RK

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