Es gibt verschiedene Arten, das Sonnenfeuer auf die Erde zu holen. Sehr viel wünschenswerter als unkontrolliert ablaufende thermonukleare Explosionen in Wasserstoffbomben sind die kontrollierten Methoden. Die eine eignet sich prinzipiell für Kraftwerke und wird derzeit an ITER, Wendelstein 7-X und anderen Anlagen erforscht. Eine andere, die ebenfalls schon weit gediehen ist, ist die laserinduziert Trägheits-Kernfusion. Noch hat keine der zivilen Methoden die eigentliche Zündung des Brennstoffs erreicht – man kommt diesem Ziel aber immer näher. Im Gegensatz zu den torusförmigen Fusionskraftwerken heizen bei der Trägheits-Kernfusion riesige Laser ein kleines Kügelchen mit Fusionstreibstoff innerhalb kürzester Zeit enorm auf. Dabei verdampfen die äußeren Schichten des Ziels, werden nach außen weggesprengt und verdichten dadurch den Inhalt, der aus Fusionstreibstoff besteht – zumeist eine Mischung aus gleichen Teilen Deuterium und Tritium. Die dabei entstehenden hohen Drücke und Temperaturen setzen Fusionsprozesse in Gang. Bislang funktioniert das Konzept. Allerdings spricht man von richtiger Zündung erst, wenn die durch Kernfusion erzeugte Energie im Target die von außen eingebrachte Energie übersteigt.
Abb.: Koloriertes Bild einer laserinduzierten Deuterium-Tritium-Trägheitsfusion. (Bild: D. Jedlovec)
Ein entscheidender Schritt hin zur Zündung eines Fusionsplasmas ist die Alphateilchen-Selbstheizung, kurz Alpha-Heizung. Bei der Fusion von Deuterium und Tritium entstehen Neutronen und Alphateilchen. Während Neutronen sehr durchdringend sind und weiter außen abgeschirmt werden müssen, ist die Reichweite von Alphateilchen im Fusionsmaterial sehr kurz. Sie können deshalb zu einer weiteren Erhitzung dieses Materials beitragen. Diese Alpha-Heizung ist sehr effektiv und in der Lage, die Effizienz des Fusionsprozesses deutlich zu erhöhen. Dabei entstehen die Alphateilchen im heißen Reaktionszentrum und geben ihre Energie in kurzer Distanz in den äußeren, kühleren Schichten des Fusionstreibstoffs wieder ab. Die Hoffnung der Forscher ist es, sich diesen Prozess immer besser zunutze zu machen, bis er schließlich so stark wird, dass auch in diesen Schichten verstärkte Kernfusion auftritt.
Wissenschaftlern des Lawrence Livermore National Laboratory in Kalifornien ist es nun erstmals gelungen, laserbefeuerte Fusionsprozesse in Gang setzen, bei denen diese Alpha-Heizung die dominierende Rolle beim Energieeintrag spielt. Für ihre Versuche stand den Forschern mit der National Ignition Facility die weltgrößte Anlage ihrer Art zur Verfügung. Turnhallengroße Laserbatterien fokussieren eine Energie von einigen Megajoule in einen evakuierten Hohlraum aus Gold, in dessen Mitte sich ein nur rund zwei Millimeter großes Target-Kügelchen befindet. Der Rückstoß der verdampfenden äußeren Schichten dieses Targets führt zu einer Implosion, die gegenwärtig dreihundert bis vierkundert Kilometer pro Sekunde schnell ist.
Abb.: Asymmetrien bei der Kompression des Fusionstreibstoffs gehören mit zu den schwierigsten Problemen, an deren Lösung die Forscher arbeiten. (Bild: O. A. Hurricane et al., LLNL)
Doch noch ist die Kompression ein Stück weit von den Bedingungen entfernt, die zur Zündung nötig sind. „Die nächsten Meilensteine sind zunächst das brennende Plasma, wenn die Alpha-Heizung im Plasma die von außen eingebrachte Energie übersteigt”, sagt Omar Hurricane, leitender Wissenschaftler des Trägheitsfusions-Projekts. „Danach folgt der Netto-Energie-Gewinn der Kapsel.” Eine wichtige Innovation, um die nun erreichte Alpha-Heizung zu erzielen, lag in der Pulskontrolle der Laser. Bei den jüngsten Experimenten arbeiteten die Forscher mit Laserpulsen, deren anfängliche Leistung im Vergleich zu früheren Experimenten verdoppelt wurde. Dadurch ist die Kompression der Target-Kügelchen gleichmäßiger, weil Instabilitäten weniger Zeit haben, sich auszubreiten und dadurch für Energieverluste zu sorgen. Die neuen Experimente sind mittlerweile auch in gutem Einklang mit dreidimensionalen Simulationen, obwohl das komplexe Verhalten sich nicht ganz getreu im Computermodell abbilden lässt.
Nach der Analyse der Experimente hat sich die Fusionsleistung dank der starken Alpha-Heizung um etwa den Faktor zwei verbessert. Um Zündung zu erreichen, müssten aber noch deutlich höhere Temperaturen im Innern der Kapseln erreicht werden. Das Produkt aus Temperatur und Einschlusszeit müsste noch knapp doppelt so hohe Werte erreichen. Die Wissenschaftler experimentieren deshalb mit unterschiedlichen Laserpulsen und Kapselmaterialien – unter anderem Plastik, Diamant und Beryllium –, um die optimale Konfiguration zu finden und insbesondere die Instabilitäten bei der Kompression zu minimieren. Ein anderes Problem stellen heiße Elektronen aus Laser-Plasma-Wechselwirkungen dar, die das Target zu einem frühen Zeitpunkt aufheizen und dadurch Asymmetrien hervorrufen. „Wir werden diese unerwünschten Effekte verringern müssen, bevor wir weiter vorankommen können”, so Hurricane. Denn bei einem inneren Druck von einigen Hundert Milliarden Bar wachsen auch kleinste Irregularitäten innerhalb kürzester Zeit enorm an.
Ein wichtiger Anwendungsaspekt dieser Grundlagenforschung liegt vor allem in der Simulation von Kernfusionsprozessen, wie sie auch in thermonuklearen Waffen stattfindet. Damit will das Lawrence Livermore National Laboratory auch die Sicherheit und Einsatzfähigkeit der amerikanischen Atomwaffen gewährleisten – ohne dass Atomwaffentests nötig wären. Sollte die Zündung erreicht werden, hätte man aber auch eine enorm starke Neutronenquelle zur Verfügung, die sich vielleicht auch anderweitig nutzen ließe. Derzeit bewegt man sich im Bereich um die 1016 Neutronen pro Schuss. Bei Erreichen der Zündung würde dies nochmals sprunghaft um einige Größenordnungen zunehmen.
Dirk Eidemüller
RK