25.10.2012

„Traktorstrahl, Mr. Spock!“

Bessel-Strahlen erweitern die Möglichkeiten von optischen Pinzetten und Förderbändern.

Kann man Objekte zu sich heranziehen, indem man sie mit Licht bestrahlt? Die dazu benötigten „Traktorstrahlen“ gab es bisher nur in der Science Fiction wie in „Star Trek“. Doch jetzt haben David Ruffner und David Grier von der New York University durch kohärente Überlagerung speziell geformter Lichtstrahlen mikroskopische Objekte über einige zehn Mikrometer zur Lichtquelle hingezogen.

Abb.: Ein optisches Förderband zieht ein Teilchen (rot) zur Strahlquelle hin, während gleichzeitig ein zweites Förderband ein anderes Teilchen (grün) in die entgegengesetzte Richtung transportiert. (Bild: Ruffner & Grier)

Dass das Licht merkliche Kräfte auf mikroskopische Partikel ausübt, nutzt man für optische Pinzetten ebenso wie für optische Förderbänder. Bei der optischen Pinzette wird ein Teilchen von der hohen Lichtintensität im Fokus eines Laserstrahls angezogen und festgehalten. Bewegt man den Fokus, so folgt ihm das Teilchen. In einem optischen Förderband bilden zwei gegenläufige Laserstrahlen durch Interferenz eine lineare Anordnung von optischen Potentialmulden, in denen beispielsweise einzelne Atome gefangen werden können. Verstimmt man die Frequenzen der Strahlen gegeneinander, so bewegt sich die Muldenreihe wie ein Förderband.

Doch weder die optische Pinzette mit ihrer begrenzten Reichweite noch das aus gegenläufigen Strahlen gebildete optische Förderband können erfüllen, was man sich von einem Traktorstrahl verspricht, nämlich mit einem einzelnen Lichtstrahl über große Entfernung hinweg Teilchen heranzuziehen. Dabei tritt das zusätzliche Problem auf, dass der auf das Teilchen treffende Strahl einen Strahlungsdruck ausübt, der es von der Lichtquelle wegtreibt.

Vor einem Jahr hatten chinesische Forscher eine Lösung für dieses Problem gefunden. Ihren Berechnungen zufolge können Bessel-Strahlen, deren Intensitätsprofil quer zur Strahlrichtung einer Bessel-Funktion folgt, Teilchen zur Strahlungsquelle ziehen. Bei der Streuung des Strahls an einem Teilchen kann der transversale Strahlimpuls teilweise in die Strahlrichtung abgelenkt werden, woraufhin sich das Teilchen wegen der Impulserhaltung in die entgegengesetzte Richtung, also zur Lichtquelle hin bewegt. Ob es dazu kommt, hängt von den Details der Lichtstreuung und damit von den optischen Eigenschaften des Teilchens ab.

Die Idee der chinesischen Forscher, für den Traktorstrahl einen Bessel-Strahl zu benutzen, haben David Grier und sein Student David Ruffner aufgegriffen. Schon früher hatten sie mit ähnlich kompliziert geformten optischen „Solenoidstrahlen“ mikrometergroße Kolloidteilchen einige µm gegen die Strahlrichtung bewegen können. Doch jetzt mussten sie feststellen, dass sie einen einzelnen Bessel-Strahl nicht so fein abstimmen konnten, dass er zu einem Traktorstrahl wurde.

Doch Ruffner und Grier fanden einen Ausweg. Sie überlagerten zwei (oder auch mehr) kohärente Bessel-Strahlen, die sich längs einer Achse in dieselbe Richtung ausbreiteten, jedoch unterschiedliche Wellenlängen und eine zeitabhängige Phasendifferenz hatten. Wie ihre Berechnungen ergaben, bildet sich durch Interferenz dieser Strahlen ein einseitiges optisches Förderband, dessen Transportrichtung und Geschwindigkeit sich mithilfe der Phasendifferenz steuern lässt.

Die Forscher stellten die beiden Bessel-Strahlen her, indem sie einen Lichtstrahl mit einem gaußschen Intensitätsprofil durch einen computergesteuerten Lichtmodulator schickten. Dessen 768×768 Pixel bildeten ein Hologramm mit zwei konzentrischen Ringen, das dem gaußschen Strahl ein spezielles räumliches Phasenprofil aufprägte. Vom Lichtmodulator gingen zwei Bessel-Strahlen aus, deren Phasendifferenz sich durch den Modulator verändern ließ. Die beiden Strahlen richteten die Forscher auf 1,5 µm große kugelförmige Kolloidteilchen aus Siliziumoxid, die in Wasser gelöst waren. Mit einem Mikroskop und einer Videokamera verfolgten sie die Bewegungen der von den Strahlen getroffenen Partikel.

Je nach der Geschwindigkeit, mit der sich die Phasendifferenz der beiden Bessel-Strahlen änderte, bewegte sich ein belichtetes Kolloidteilchen mehr oder weniger schnell in Strahlrichtung oder auf die Lichtquelle zu. Dabei spielte es keine Rolle, ob das Teilchen von den hellen oder dunklen Bereichen des Lichtfeldes angezogen wurde. Es konnten auch mehrere Teilchen gleichzeitig mit einem Lichtförderband transportiert werden, da die Bessel-Strahlen „selbstheilende“ Eigenschaften hatten und hinter jedem Teilchen wieder ihr ursprüngliches Strahlprofil annahmen.

Indem die Forscher mit dem Lichtmodulator ein komplizierteres Hologramm entwarfen, das weitere Paare von konzentrischen Ringen mit je eigener Phasendifferenz enthielt, konnten sie mehrere parallel angeordnete Lichtförderbänder herstellen, die unabhängig voneinander arbeiteten. So gelang es ihnen, gleichzeitig ein Teilchen in Strahlrichtung und ein anderes Teilchen entgegengesetzt, also zur Strahlquelle hin zu bewegen. Dabei legten die Teilchen Entfernungen von einigen 10 µm zurück.

Die Lichtförderbänder mit Bessel-Strahlen eröffnen vielfältige Möglichkeiten für die Manipulation mikroskopischer Teilchen. So kann man mit Bessel-Strahlen höherer Ordnung auf die Partikel sogar Drehmomente wirken lassen. Auch die NASA ist an den neuen Lichtförderbändern interessiert, da sie im Vakuum funktionieren sollten. So könnte man mit diesen Traktorstrahlen möglicherweise über große Entfernungen hinweg den Staub von Kometen einsammeln. Doch das ist gegenwärtig noch Science Fiction.

Rainer Scharf

OD

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