16.10.2024

Treibhausgase aus dem All messen

Fraunhofer-Team liefert wichtigste optische Baugruppe für die ESA-Weltraummission CO2M.

Treibhausgase wie Kohlendioxid (CO₂) schädigen unser Klima. Um ihre negativen Auswirkungen zu begrenzen, stellen sich dringende Fragen wie: Wann und wo wird wieviel CO₂ ausgestoßen? Wie verteilt es sich in der Atmosphäre? Und ganz besonders: Wie viele dieser Gase sind speziell von Menschenhand gemacht? Diesen Fragen will sich die „Copernicus Anthropogenic Carbon Dioxide Monitoring“-Mission (CO2M) der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) ab 2026 mit zwei Erdbeobachtungs-Satelliten widmen. Die Satelliten sollen in einer Konstellation arbeiten und hochauflösende spektrale Messungen von atmosphärischem CO₂ durchführen, um die Emissionen von Städten, Ländern und großen Industriegebieten genau zu kartieren. Zu diesem Zweck werden die Satelliten mit Infrarot-Spektrometern ausgestattet sein.


Abb.: Der Disperser ist eine optische Baugruppe, bestehend aus zwei Prismen und...
Abb.: Der Disperser ist eine optische Baugruppe, bestehend aus zwei Prismen und einem Gitter, welches mit einem der Prismen verbunden ist.
Quelle: Fh.-IOF

Für diese Spektrometer haben Forscher aus Jena eine wesentliche Schlüsselkomponente hergestellt: den sogenannten Disperser. „Beim Disperser handelt es sich um die optische Baugruppe für das Spektrometer“, erläutert Thomas Höing, zuständiger Projektleiter am Fraunhofer-Institut für Angewandte Optik und Feinmechanik IOF. Er erklärt den Aufbau und die Funktionsweise der Baugruppe: „Der Disperser besteht aus jeweils zwei Prismen und einem Gitter. Er spaltet das von der Erde reflektierte Licht sehr genau in seine Spektralfarben auf und ermöglicht somit hochpräzise Messungen des CO₂-Gehalts in der Erdatmosphäre.“

Hochpräzise heißt in diesem Fall: Die CO2M-Satelliten können den Kohlendioxid-Gehalt der Erdatmosphäre an jedem beliebigen Ort unseres Planeten mit einer Genauigkeit von weniger als einhundert CO2-Teilchen pro einer Milliarde Moleküle Luft bestimmen. Zusammen mit einer hohen Ortsauflösung können die Satelliten auf globaler Ebene sehr genau analysieren, in welcher Region und durch welche (menschlichen) Quellen die meisten Abgase ausgestoßen werden.

Die CO2M-Mission soll damit nicht nur dazu beitragen, den globalen Kohlenstoffkreislauf besser zu verstehen, sondern letztendlich auch dabei helfen, die Ziele des Pariser Klimaabkommens zu erreichen. „Als Optikstandort leisten wir damit einen wichtigen Beitrag zur Begrenzung des Klimawandels, denn CO2M wird Entscheider mit belastbaren Zahlen versorgen“, resümiert der Projektleiter über das Missionsziel.

Ermöglicht werden diese hochpräzisen Messungen durch die im Disperser verbauten optischen Gitter, die am Fraunhofer IOF in Jena hergestellt wurden. „Die nanostrukturierten Gitter haben eine besonders hohe Effizienz von mehr als neunzig Prozent und einen geringen Polarisationsgrad von weniger als zehn Prozent“, erläutert Thomas Höing. Größe und Leistungsfähigkeit des Dispersers sind in dieser Form bisher einzigartig und das Ergebnis einer umfassenden Teamarbeit am Fraunhofer IOF. 

Der Leiter der Abteilung für Mikro- und Nanostrukturierte Optiken, Falk Eilenberger, erklärt: „Die Leistungsparameter der CO2M-Spektrometer sind extrem. Insbesondere in der Kombination aus Größe plus Effizienz plus Polarisation plus Wellenlänge ist gleich Präzision. Gitter mit dieser Leistungsfähigkeit und Größe hat es noch nie gegeben. In der Kombination mit zwei Prismen, welche die Leistungsfähigkeit nochmals steigern, schon gar nicht.“

Möglich wird dies unter anderem durch ein spezielles, am Fraunhofer IOF entwickeltes Gitterdesign. Hierzu erläutert weiterhin Stefan Risse, Leiter der Abteilung für Präzisionsoptische Komponenten und Systeme: „Bei unserem Gitterdesign werden die Gittergräben mit einem hochbrechenden Material gefüllt und dann mit einem plasmaaktivierten Fügeverfahren auf den Prismen zwischenschichtfrei, atomar-fest verbunden. Diese optischen Komponenten mit extrem hoher Dispersion sind durch eine spezielle isostatische Montierung an einer Strukturmechanik aus Titan befestigt. Additiv gefertigte Leichtbau-Gehäuse, verschiedene Beschichtungen sowie eine mit einem Laser aufgeraute lichtstreuende Fläche dienen weiterhin der Minimierung von Streulicht. So kann das Signal-Rausch-Verhältnis des Spektrometers optimiert werden.“

Obwohl das Fraunhofer IOF viel Erfahrung in solchen Projekten hat, ist CO2M in der Komplexität und im Anspruch besonders. „Thomas Höing musste ein Team aus mehr als fünfzig Kolleginnen und Kollegen in fünf Abteilungen des Institutes koordinieren“, resümiert noch einmal Falk Eilenberger. „Hunderte Arbeitsschritte mussten dabei exakt ineinandergreifen, um am Ende ein funktionierendes Instrument zu haben. Einige der Arbeitsschritte haben wir für CO2M erst erfunden und anwendungsreif qualifiziert. Einige andere wurden noch niemals in der Form oder Größe realisiert – und dann gleich für eine Weltraumanwendung mit extremen Dokumentationsaufwand sowie Zeit-, Kosten- und Erfolgsdruck. Das ganze Team ist an vielen Stellen über sich hinausgewachsen.“

Die CO2M-Mission ist Teil des europäischen Copernicus-Programms. Sie ist eine von sechs Erweiterungsmissionen, die entwickelt wurden, um die Erdbeobachtungskapazitäten des Copernicus-Programms zu erweitern. Die Missionsreihe wird von der ESA im Auftrag der Europäischen Union umgesetzt. Die Disperser für die Infrarot-Spektrometer wurden am Fraunhofer IOF im Auftrag der Thales Alenia Space entwickelt und hergestellt. Thales Alenia Space ist für die Entwicklung des kompletten CO2-Messinstruments (der sogenannten CO2M-Payload) verantwortlich, in das die Disperser integriert sind. Die erste flugtaugliche Baugruppe zur Anwendung im All wurde nun vom Fraunhofer IOF vollständig an Thales Alenia Space übergeben. Weitere Baugruppen folgen im Laufe des Jahres.

Fh.-IOF / DE


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