Einem Forscherteam um den Braunschweiger Physikochemiker Philip Tinnefeld und der Biochemikerin Dina Grohmann ist es gelungen, Veränderungen in der RNA-Polymerase während ihrer Arbeit sichtbar zu machen. Im Nanometer Bereich haben sie dafür Farbstoffe auf zwölf Proteinen platziert, deren Helligkeit sich je nach ihrer Entfernung zueinander verändert. Vergleichbar mit einem Daumenkino, konnten die Forscher mit ihren Aufnahmen außerdem nachweisen, wie die Arbeit der RNA-Polymerase durch verschiedene Faktoren gesteuert und beeinflusst wird.
Abb.: Während ihres Aktivitätszyklus in der Zelle interagiert die RNA-Polymerase sowohl mit DNA als auch mit verschiedenen Faktoren. (Bild: PCI / TU Braunschweig)
Ob Bakterium, Pflanze oder Tier – nur wenige Enzyme sind baugleich in allen lebenden Organismen wiederzufinden. Unter diesen Molekülen befindet sich eine der zentralen Arbeitseinheiten einer Zelle, die RNA-Polymerase. Ihre Aufgabe ist es, die in der DNA kodierte genetische Information zu lesen und umzuschreiben, d.h. die Transkription. Reguliert und gesteuert wird diese Arbeit durch unterschiedliche Faktoren, deren Einfluss und Wirkung auf die molekulare Übersetzungsmaschine bislang ungeklärt sind. „Es immer noch ein Rätsel, wie dieser hochkonservierte biologische Prozess mit ungeheurer Verlässlichkeit und Kontrolle durch die Transkriptionsfaktoren in den Zellen ablaufen kann“, sagt Tinnefeld.
Die atomare Aufschlüsselung der RNA-Polymerase-Struktur über Röntgenstrukturanalysen liefert der Wissenschaft sozusagen nur ein Standbild der dynamischen molekularen Maschine. Die so genannten Konformationsänderungen, die einen entscheidenden Schlüssel für die Funktionsweise der hochkomplexen Transkriptionsmaschinerie darstellen, konnten damit jedoch nicht erfasst werden. Philip Tinnefeld und seiner Arbeitsgruppe „NanoBioScience“ ist es nun gelungen, die Vermutung von der Veränderung der RNA-Polymerase während ihrer Arbeit zu bestätigen und darüber hinaus auch die Faktoren und deren Wirkungsweise aufzuklären, die sie dabei beeinflussen. „Das Verständnis von der Arbeitsweise der RNA-Polymerase, ihrer beeinflussenden Faktoren und deren Wirkungsweise legt die Grundlage für die Aufklärung erblich bedingter Krankheiten sowie die Entwicklung von personalisierter Medizin“, erklärt Dina Grohmann.
Um einen Einblick in die Funktion der RNA-Polymerase und der sie steuernden Transkriptionsfaktoren unter nahezu unbeeinflussten Bedingungen zu erhalten, hat das Team eine Einzelmolekültechnik eingesetzt. Verfolgt haben sie damit bestimmte, relevante Abstände mit nanometergenauer Auflösung durch den gesamten Transkriptionsprozess auf der Polymerase. Dazu setzten sie den Komplex aus RNA-Polymerase und DNA auf einem Deckglas zusammen und markierten ihn mit verschiedenen Fluoreszenzfarbstoffen spezifischen Stellen. In einem als FRET (Förster-Resonanz-Energietransfer) bezeichneten Prozess übertragen die beiden Farbstoffe abhängig von ihrem Abstand zueinander Energie.
Befinden sie sich in räumlicher Nähe, leuchtet der rote Farbstoff, sind sie weiter auseinander positioniert, leuchtet der grüne Farbstoff stärker. Aus dem Verhältnis der Farbintensitäten lassen sich dann exakte Abstände und Abstandsänderungen auf der RNA-Polymerase quantitativ messen. Auf diese Weise hat das Team tausende einzelner Transkriptionskomplexe untersucht, so dass sie die Veränderung der RNA-Polymerase in jeder Phase ihrer Aktivität bestimmen konnten. „Im Gegensatz zum Standbild, haben wir mit unserer Arbeit quasi einen molekularen ‚Stop-Motion‘ Film der aktiven RNA-Polymerase erstellt, der im Detail und mit hoher Präzision die hohe Flexibilität der Transkriptionsmaschinerie zeigt“, fasst Tinnefeld das Forschungsergebnis zusammen.
TU Braunschweig / DE