Tunnel-FET durchbricht Grenzen
Extrem flacher Feldeffekttransistor zeigt hervorragende Eigenschaften.
Die Miniaturisierung von herkömmlichen Feldeffekttransistoren, wie sie in integrierten Schaltkreisen verwendet werden, stößt an ihre Grenzen. Das liegt vor allem an der relativ großen Leistung, die die immer kleiner werdenden Bauelemente aufnehmen müssen, damit sie zuverlässig funktionieren. Jetzt haben Forscher in den USA einen Tunnel-FET entwickelt, der diese Leistungsgrenze durchbricht.
Abb.: Schematischer Aufbau des neuartigen Tunnel-Feldeffekttransistors: Eine Schicht aus p-dotiertem Germanium und eine atomare Doppellage aus Molybdändisulfid stellt die Verbindung zwischen Source und Drain her, indem Ladungen zwischen der Schicht und der Doppellage tunneln können. (Bild: D. Sarkar et al. / NPG)
Die Wissenschaftler um Deblina Sarkar und Kaustav Banerjee von der University of California in Santa Barbara stellen einen neuartigen Feldeffekttransistor vor, den sie ATLAS-TFET – Atomically Thin and Layered Semiconducting-channel Tunnel-FET – nennen. Wie üblich steuert bei diesem FET die an die Gate-Elektrode angelegte Spannung den zwischen der Source- und der Drain-Elektrode fließenden Strom. Doch während in einem herkömmlichen FET bei dem an- und abzuschaltenden Strom thermisch angeregte Elektronen beteiligt sind, greift der TFET auf quantenmechanisch tunnelnde Elektronen zurück.
In einem herkömmlichen FET führt die thermische Anregung der Elektronen, die im Source- Drain- Strom fließen, zu einer Leistungsgrenze: Um diesen Strom zu verzehnfachen, muss man die Gatespannung mindestens um den Faktor (kBT log10)/q erhöhen, wobei q die Elektronenladung ist. Bei Zimmertemperatur sind das sechzig Millivolt, die man unabhängig von der Größe des FET mindestens aufbringen muss. Dies führt dazu, dass bei Verkleinerung des FET seine Leistungsaufnahme und damit auch seine Wärmeproduktion nicht so schnell abnehmen wie sein Volumen. Die Leistungsdichte eines mit FETs bestückten Chips nimmt deshalb mit fortschreitender Miniaturisierung zu und wird schließlich zu groß.
Die Mindestspannung von sechzig Millivolt lässt sich jedoch unterbieten, wenn die Elektronen nicht durch thermische Anregung in den Source-Drain-Kanal gelangen sondern durch quantenmechanisches Tunneln. Den ersten und bisher einzigen TFET, der die sechzig-Millivolt-Grenze über vier Stromdekaden unterbieten konnte, hatten Katsuhiro Tomioka von der Hokkaido Universität in Sapporo und seine Kollegen 2012 hergestellt. Ihr TFET bestand jedoch aus Nanodrähten, was seine Leistung beschränkte und seine Herstellung erschwerte.
Der neue ATLAS-TFET aus Santa Barbara, der sich mit Methoden der Halbleitertechnologie herstellen lässt, unterbietet die Grenze nun wesentlich souveräner. Für ein, zwei, drei oder vier Stromdekaden benötigt er im Mittel eine Spannungserhöhung von 5,5 mV, 12,8 mV, 22 mV oder 31,1 mV. Das gemessene Minimum für eine Stromdekade betrug sogar nur 3,9 mV. Ein ähnlich dimensionierter konventioneller FET lag stets über sechzig Millivolt. Das erreichte der ATLAS-TFET durch seinen ungewöhnlichen Aufbau und die dafür verwendeten Materialien.
Die Source-Elektrode war mit einer Schicht aus p-dotiertem Germanium verbunden, auf der an einem Ende eine 1,3 Nanometer dicke Doppellage aus Molybdändisulfid auflag. Die beiden atomar dünnen MoS2-Lagen, die durch van der Waals-Kräfte zusammen- und in Position gehalten wurden, waren mit der Drain-Elektrode verbunden. Sowohl die Ge-Schicht wie die MoS2-Doppellage wurden von einer isolierenden Schicht bedeckt, auf der die Gate-Elektrode saß.
Zunächst konnten keine Ladungen vom Valenzband des Germaniums in das Leitungsband der MoS2-Doppellage tunneln, da es in den beiden Bändern keine entsprechenden Zustände mit gleichen Energien gab. Der TFET war ausgeschaltet. Wurde jedoch an die Gate-Elektrode eine Spannung von wenigen Millivolt angelegt, so senkte sich das Leitungsband ab. Nun gab es in beiden Bändern Zustände mit gleicher Energie, sodass Ladungen von einem Band zum anderen tunneln konnten. Da die MoS2-Doppellage flächig mit der Germaniumschicht verbunden war, konnten viele Ladungen in die Doppellage gelangen. Wurde eine Versorgungsspannung zwischen Source und Drain angelegt, so konnte ein Strom fließen. Der TFET war nun angeschaltet.
Es zeigte sich, dass der ATLAS-TFET schon mit einer Versorgungsspannung von 0,1 Volt betrieben werden konnte. Der dabei fließende Strom war um zwei Größenordnungen stärker als der im TFET aus Sapporo. Die Leistungsaufnahme des ATLAS-TFET war dabei um neunzig Prozent kleiner als die von herkömmlichen FETs. Angesicht dieser und weitere günstiger Eigenschaften sind die Forscher zuversichtlich, dass sich mit ihrem TFET das Problem der Miniaturisierung und Leistungsaufnahme elektronischer Chips lösen lässt und damit eine neue Elektronikgeneration möglich wird.
Rainer Scharf
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