Turbulentes Quantengas
Kaskade von Schallwellen über einen großen Wellenlängenbereich beobachtet.
Die Turbulenz von Flüssigkeiten wirft trotz intensiver Erforschung noch immer viele Fragen auf. Jetzt konnten Forscher erstmals turbulentes Verhalten in einem ultrakalten Gas beobachten, das aus nur hunderttausend Atomen bestand und vergleichsweise einfach zu beschreiben war.
Abb.: Die Simulationen zeigen, dass das getriebene Kondensat immer kompliziertere Bewegungen ausführt und schließlich turbulent wird. Die roten Linien weisen auf Wirbelbewegungen hin. (Bild: N. Navon et al.)
Forscher um Nir Navon und Zoran Hadzibabic vom Cavendish Laboratory in Cambridge haben ein Bose-
Mit einem zeitlich periodischen Magnetfeldgradienten wurde eine treibende Kraft auf die Atome ausgeübt, die sie in Längsrichtung des Zylinders schwingen ließ. Zunächst führten die Atome eine kollektive „schwappende“ Bewegung aus. Doch wenn die treibende Kraft hinreichend stark war und lange genug wirkte, musste die Bewegung der Atome immer komplizierter werden, wie numerische Simulationen zeigten.
Diese Simulationen beruhten auf der Gross-
Abb.: Deutlicher Hinweis auf Turbulenz: Die akustischen Anregungen des Kondensats bilden eine Kaskade, bei der die Verteilung der Anregungen n(k) einem Potenzgesetz folgt. Oberes Inset: Resultate von Simulationen. (Bild: N. Navon et al.)
Verglichen mit suprafluidem Helium ist in einem atomaren Bose-
Solch eine Anregungskaskade ist charakteristisch für klassische turbulente Flüssigkeiten, bei denen man allerdings einen anderen Wert für den Exponenten γ beobachtet. Den Cavendish-
Dazu trieben die Forscher das Kondensat mit einer Kraft von bestimmter Frequenz und Dauer an. Anschließend schalteten sie die Kraft und die optische Falle ab, sodass die Atomwolke auseinander flog. Nach einer Flugzeit von etwa 100 Millisekunden nahmen sie ein Absorptionsbild der Wolke auf, aus dem sie Rückschlüsse auf die Impulsverteilung der Atome und die k-abhängigen Anregungen in der Atomwolke gewinnen konnten.
Während die nicht oder nur schwach getriebene Wolke anisotrop erschien, da ihr noch die Form der optischen Falle aufgeprägt war, hatte die stark getriebene Wolke eine isotrope Form, da durch die Turbulenz die Atome in alle Raumrichtungen mit gleicher Wahrscheinlichkeit flogen. Die k-abhängige Dichte der akustischen Anregungen in der Wolke zeigt eine Kaskade, die sich über einen großen Wellenzahlbereich erstreckte. Für den Exponenten ergab sich γ=3,5, in hervorragender Übereinstimmung mit dem Resultat der Simulationen. Theoretische Berechnungen lieferten indes den Wert 3,0. Der Unterschied könnte darauf beruhen, dass diese Berechnungen nur wellenförmige, nicht aber wirbelförmige Anregungen berücksichtigten.
Darüber hinaus konnten die Forscher beobachten, wie sich die Turbulenzkaskade innerhalb von etwa einer Sekunde ausbildete. Die Zahl der Atome, aus der die Kaskade bestand, betrug etwa 40.000 und blieb über mehrere Sekunden konstant. Am „unteren“ Ende der Kaskade, also bei großen k-Werten, ging die Energie der akustischen Anregungen schließlich auf einzelne Atome über, die daraufhin aus der Falle entwichen. Diese Verluste wurden durch andere Kondensatatome wettgemacht, die sich der Kaskade einreihten.
Das neue Experiment liefert einzigartige Einblicke in das turbulente Verhalten von schwach wechselwirkenden Quantenflüssigkeiten. Dabei werden bisher unbekannte Zusammenhänge zwischen Turbulenz und Quantenphysik sichtbar.
Rainer Scharf
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