19.11.2004

Ultrafeste Garne

Mit einem neuen Verfahren lassen sich extrem kurze Kohlenstoff-Nanoröhrchen auf bis zu einen Meter Länge verspinnen.




Mit einem neuen Verfahren lassen sich extrem kurze Kohlenstoff-Nanoröhrchen auf bis zu einen Meter Länge verspinnen.

Dallas (USA) - Nanoröhrchen aus Kohlenstoff sind fester und leitfähiger als nahezu alle anderen bekannten Werkstoffe. Doch für industrielle Anwendungen von Röhrchenfasern sind derzeit erreichbare Längen von Millionstel bis Tausendstel Metern uninteressant. Amerikanische Forscher ließen sich daher von der menschlichen Technikgeschichte bis zurück in die Steinzeit inspirieren. Denn damals begann der Mensch, nutzbare Garne aus kurzen Wollfasern zu spinnen. Analog entwickelten sie nun ein Verfahren, mit dem sich die extrem kurzen Nanoröhrchen auf bis zu einen Meter Länge verspinnen lassen. Über diese Technik und die Garneigenschaften berichten sie im Fachblatt „Science“.

„Die Herausforderung ist, Garne zu produzieren, die gleichzeitig stark, kriechfest, gut leitend und reversibel gegen Verformungen sind“, erklären Mai Zhang und seine Kollegen von der University of Texas in Dallas. Dieses Ziel erreichten sie mit ihrem Spinnverfahren, bei dem bis zu 100.000 mehrwandige Nanoröhrchen (Durchmesser etwa 10 nm, Länge 20-100 µm) zu einem nur fünf Millionstel Meter dicken Faden verdrillt werden. Ausgangsmaterial ist dabei eine ganze Wiese aus kurzen Röhrchen, die auf einer Fläche mit 200 Mikrometer Kantenlänge parallel zueinander gezüchtet wurden. Die Drehgeschwindigkeit der Spinnrolle übersteigt mit 2000 Umdrehungen pro Minute das Tempo für herkömmliche Wollfäden um ein Vielfaches.

Rasterelektronenmikroskopische Aufnahmen: (A) einzelnes, (B) zweiadriges und (C) vieradriges Garn aus mehrwandigen Nanoröhrchen. Diese Garne lassen sich dann z. B. (D) verstrickten oder (E) verknoteten. (Quelle: Science/Zhang et. al)

Unter dem Elektronenmikroskop untersuchten sie den Aufbau der hauchdünnen und bis zu einem Meter langen Röhrchen-Garne. 80.000 Verdrehungen konnten sie so pro Meter abschätzen. Festversponnene Wolle weist dagegen nur rund 1000 Verdrehungen auf. Im Prinzip halten Zhang und Kollegen sogar deutlich längere Fäden für möglich. Eine nur einen Quadratzentimeter große „Waldfläche“ aus kurzen Nanoröhrchen reiche nach ihren Berechnungen für 50 Meter Garn bei einer Stärke von zwei Mikrometern aus.

Einmal gesponnen zeigten das Röhrchengarn sogar eine hervorragende Leitfähigkeit und eine Zugfestigkeit von rund 460 Megapascal. Zudem kann das Garn - ohne beschädigt zu werden - hohe Stoßkräfte auffangen. Damit ist es vergleichbar mit der Stabilität von Kevlarfasern, die bei einer Nanoröhrchen-Garndichte von 0,8 g/cm 3 allerdings deutlich schwerer sind. Viel leichtere schusssichere Westen als heute kommen als eine Anwendung in den Sinn. Zudem verringerte sich diese Festigkeit auch nicht bei verknoteten Fäden wie es bei handelsüblichen Textilgarnen der Fall ist.

Mit einem Durchmesser von nur einem Fünfzigstel eines menschlichen Haares sehen die Forscher zahlreiche weitere Anwendungen. „Ihre Stärke, die Fähigkeit, mechanische Energie aufzunehmen und die Leitfähigkeit könnten in multifunktionalen Materialien ausgenutzt werden.“ Viel stabiler könnten sie so die Aufgabe von dünnen Metalldrähten in flexiblen Materialien, wie beispielsweise Textilien für so genannte „smart clothes“, übernehmen. Auch ein großflächiger, flexibler Faser-Kondensator ließe sich daraus bauen, wodurch in Zukunft eine Batterie quasi in einen Pullover direkt eingewoben werden könnte.

Jan Oliver Löfken

Weitere Infos:

Weitere Literatur:

  • E. J. W. Barber, Prehistoric Textiles (Princeton Univ. Press, Princeton, NJ, 1992).
  • R. H. Baughman, A. A. Zakhidov, W. A. de Heer, Science 297, 787 (2002).
  • B. Vigolo et al., Science 290, 1331 (2000).
  • L. Ericson et al., Science 305, 1447 (2004).
  • S. Kumar et al., Macromolecules 35, 9039 (2002).
  • B. Dalton et al., Nature 423, 703 (2003).
  • K. Jiang, Q. Li, S. Fan, Nature 419, 801 (2002).
  • Y. Li, I. A. Kinloch, A. H.Windle, Science 304, 276 (2004).
  • J. W. S. Hearle, P. Grosberg, S. Backer, Structural Mechanics of Fibers, Yarns, and Fabrics, vol. 1 (Wiley, New York, 1969)

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