22.01.2009

Ultrakalte Moleküle aus ungleichen Fermi-Atomen

Erstmals hat man heteronukleare bosonische Moleküle aus zwei fermionischen Atomen hergestellt und untersucht

Ultrakalte Moleküle aus ungleichen Fermi-Atomen

Erstmals hat man heteronukleare bosonische Moleküle aus zwei fermionischen Atomen hergestellt und untersucht.  

An ultrakalten atomaren Gasen lassen sich zahlreiche offene Fragen der Vielteilchen-Quantenphysik nahezu unter Idealbedingungen studieren. Seit man die Wechselwirkung zwischen Atomen mit Hilfe von Feshbach-Resonanzen in Magnetfeldern maßschneidern kann, eröffnen sich ungeahnte Möglichkeiten. So hat man fermionische Atome dazu gebracht, Cooper-Paare zu bilden wie die Elektronen in einem Supraleiter – oder sich zu lockeren Molekülen zusammenzuschließen. Jetzt haben Forscher in München erstmals ultrakalte bosonische Moleküle aus zwei unterschiedlichen fermionischen Atomen hergestellt. Mit ihnen könnte man exotische Quantenzustände verwirklichen.

Abb.: Eine Stern-Gerlach-Kraft trennt Atome und Moleküle voneinander, die dann durch Lichtabsorption sichtbar gemacht werden. Die große, untere Wolke besteht aus Li- und K-Atomen, die kleine, obere Wolke aus LiK-Molekülen. (Bild: MPI für Quantenoptik, Garching)

Bei ihrem Experiment benutzten die Forscher um Kai Dieckmann und Theodor Hänsch vom MPI für Quantenoptik in Garching und von der Universität München drei verschiedene Atomsorten gleichzeitig, die sie zunächst in einer Magnetfalle festhielten. Bosonisches Rubidium-87, das aus der Falle abdampfte, kühlte eine Mischung aus fermionischem Lithium-6 und Kalium-40 auf sehr tiefe Temperaturen. Nachdem das Rubidium verdampft war, wurden die fermionischen Atome behutsam in eine optische Dipolfalle übertragen. Dort wurden sie einem starken Magnetfeld von 156,8 G ausgesetzt und jeweils in einen bestimmten Hyperfeinzustand gebracht. Wurde das Magnetfeld dann kontinuierlich auf knapp 154,7 G verringert, so durchliefen die Lithium-Kalium-Atompaare eine Feshbach-Resonanz und wandelten sich in locker gebundene Moleküle um. Wie viele Moleküle dabei entstanden, hing davon ab, wie schnell das Magnetfeld verringert und damit die Resonanz durchlaufen wurde.  

Die Forscher wiesen die entstandenen Moleküle auf zweierlei Weise nach. Im ersten Fall schalteten sie das Magnetfeld schnell ab und warteten 5 µs, bis sie auch die optische Falle ausschalteten und die Wolke aus Atomen und Molekülen expandieren ließen. Durch Lichtabsorption verrieten sich die Atome, während die Moleküle unsichtbar blieben. Die Zahl der nachgewiesenen Atome war umso kleiner, je langsamer die Feshbach-Resonanz durchlaufen worden war. Dass die Zahl der Atome abgenommen hatte, lag jedoch nicht daran, dass einige Atome vorzeitig aus der Falle entwichen waren sondern dass sie Moleküle gebildet hatte. Wurde nämlich das Magnetfeld nicht abgeschaltet sondern wieder auf den Ausgangwert zurückgebracht, so wandelten sich diese Moleküle wieder in Atome um, die durch dann Lichtabsorption nachgewiesen werden konnten. Es zeigte sich, dass die Ausbeute an Molekülen umso größer war, je langsamer die Feshbach-Resonanz durchlaufen wurde.  

Im zweiten Fall war der Nachweis der Moleküle noch augenfälliger. Dabei nutzten die Forscher aus, dass die Lithium-Kalium-Moleküle in einem räumlich homogenen Magnetfeld nahe der Feshbach-Resonanz ein viel kleineres magnetisches Moment hatten als die noch verbliebenen freien Lithium- und Kaliumatome. Um die Atome und Moleküle voneinander zu trennen, führten die Forscher ein Stern-Gerlach-Experiment durch. Nachdem sie die optische Falle ausgeschaltet hatten, setzten sie die Teilchen im Magnetfeld zusätzlich einem gepulsten Magnetfeldgradienten aus, der die Atome und die Moleküle unterschiedlich stark beschleunigte und dadurch voneinander trennte. Im Gegensatz zum ersten Fall, bei dem das Magnetfeld ausgeschaltet worden war, konnten jetzt auch die Moleküle durch Lichtabsorption sichtbar gemacht werden. Tatsächlich ließen sich zwei Wölkchen deutlich voneinander unterscheiden, wobei das eine aus Atomen bestand und das andere aus Molekülen.  

Die ultrakalten bosonischen Moleküle waren noch nicht kalt genug, um ein Bose-Einstein-Kondensat zu bilden. Da die Moleküle sich aber als recht stabil erwiesen und je nach Magnetfeldstärke eine Lebensdauer von mehr als 0,1 s hatten, bliebe genug Zeit, sie noch weiter abzukühlen und schließlich ein Bose-Einstein-Kondensat herzustellen. Dieses Kondensat hätte neuartige Eigenschaften, da die Moleküle, im Unterschied zu allen bisher kondensierten Bosonen, ein starkes elektrisches Dipolmoment besitzen. Inzwischen gibt es auch Experimente mit heteronuklearen Molekülen aus bosonischen Atomen, die allerding eine wesentlich geringere Lebensdauer haben. Mit diesen Molekülen ließe sich ebenfalls ein exotisches Bose-Einstein-Kondensat herstellen.  

Mit fermionischen Atomen einer Sorte hat man, wie schon erwähnt, den Übergang vom molekularen Bose-Einstein-Kondensat zum Bardeen-Cooper-Schrieffer-Zustand aus atomaren Cooper-Paaren beobachtet. Bei einer Mischung aus zwei fermionischen Atomsorten könnten erstmals asymmetrische Cooper-Paare mit endlichem Impuls entstehen, wie sie vom bislang hypothetischen Fulde-Ferrell-Larkin-Ovchinnikov-Zustand beschrieben werden. Auf diese Weise ließe sich eine völlig neue Form von Supraleitung experimentell erforschen.

RAINER SCHARF


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