Ultrakalte Prozesse analysiert
Dreikörperrekombination mit tiefgekühlten Rubidiumatomen untersucht.
Einer deutsch-amerikanischen Forschergruppe ist es gelungen, chemische Prozesse mit einer nie dagewesenen Auflösung auf Quantenniveau zu vermessen. Dadurch können sie erstmals die Produktzustandsverteilung über alle Quantenzustände hinweg unmittelbar nach der Molekülbildung nachvollziehen. Die Ergebnisse tragen zu einem vertieften Verständnis ultrakalter chemischer Prozesse bei und könnten in Zukunft die gezielte Steuerung von Reaktionen auf Quantenniveau ermöglichen.
Abb.: Graphische Darstellung zur Dreikörperrekombination mit möglichen Produkten. Die roten Kugeln repräsentieren Rubidiumatome, die blauen Wolken die Bindung zwischen einzelnen Atomen. (Bild: Inst. f. Quantenmaterie, U. Ulm)
Bei ihrer wissenschaftlichen Arbeit haben die Forscher Theorie mit Experiment kombiniert und exemplarisch auf eine der fundamentalsten chemischen Reaktionen gesetzt, die Dreikörperrekombination. Dabei kommen sich drei Atome so nahe, dass zwei von ihnen zu einem Molekül reagieren und das dritte Atom einen Teil der dabei entstehenden Energie abtransportiert. Bisher waren die genauen Zustände der molekularen Endprodukte nicht bekannt. Doch nun können die Forscher um Physiker Johannes Hecker Denschlag, Leiter des Instituts für Quantenmaterie, den Molekülzustand in allen Details unmittelbar nach der Drei-Partikel-Kollision bestimmen.
In einer Ultravakuumapparatur wurde das in einer Falle gefangene Gas aus Rubidiumatomen mit einem Laserstrahl zunächst auf eine Temperatur von einem millionstel Grad Kelvin abgekühlt. Dieses ultrakalte Gas bildet daraufhin eine genau definierte quantenmechanische Wolke, in der die Dreikörperrekombination stattfindet. Aufgrund der gemessenen Produktverteilungen konnten die Forscher neue Regeln für chemische Reaktionspfade ableiten. „Trotz Supercomputer ist die exakte Simulation solcher Reaktionen bisher nicht realisierbar. Aufgrund der gefundenen Reaktionsregeln konnten die Kollegen aus den USA jedoch ein vergleichsweise einfaches Modell entwickeln, mit dem einige der experimentellen Messergebnisse erstmals nachvollzogen werden können“, erklärt Hecker Denschlag.
Die Ergebnisse der experimentellen und theoretischen Arbeiten der Forschungsgruppe sind wegweisend für die Untersuchung von weiteren ultrakalten chemischen Prozessen. „In vielen Laboren ist die erforderliche experimentelle Ausstattung bereits vorhanden, so dass weitere Forschergruppen an unsere Arbeit anknüpfen können. Die experimentellen Ergebnisse wiederum fordern die Theoretiker heraus, ihre Modelle und Theorien beständig weiterzuentwickeln“, erklärt Hecker Denschlag. Durch die Kombination von Theorie und Experiment werde ein tiefes Verständnis zunehmend komplexer chemischer Reaktionen möglich, was zukünftig gegebenenfalls genutzt werden könne, um den Reaktionsprozess auf dem Quantenniveau zu steuern.
U. Ulm / JOL