Ultraschnelle Geburt freier Radikale in Wasser
Röntgenlaser liefert zuvor unerreichten Einblick in die erste chemische Reaktion bei der Radiolyse.
Mit Hilfe extrem kurzer Röntgenblitze hat ein internationales Forscherteam erstmals Details der ultraschnellen Entstehung aggressiver Radikale bei der Bestrahlung von Wasser beobachtet. Die Untersuchung gibt bislang unerreichte Einblicke in die schnellste chemische Reaktion in diesem Prozess, der zu Strahlenschäden im Körper führen kann, aber auch auf anderen Feldern wie beispielsweise Materialwissenschaften von erheblicher Bedeutung ist. Die Studie hat die Radiolyse von Wasser untersucht. „Unser Körper besteht im Wesentlichen aus Wasser“, erläutert Robin Santra vom DESY. „Wir alle sind im Alltag ionisierender Strahlung ausgesetzt – ob durch Röntgenaufnahmen, natürliche Radioaktivität oder beispielsweise kosmische Strahlung auf Flugreisen. Daher ist das, was hier passiert, von grundlegender Bedeutung.“
Bei der Radiolyse von Wasser schlägt zunächst energiereiche Strahlung ein Elektron aus einem Wassermolekül, es wird dadurch ionisiert. In der Folge kommt es zu einem Protonentransfer, bei dem das ionisierte Wassermolekül ein Proton an ein benachbartes Molekül abgibt. Dadurch entstehen ein extrem reaktionsfreudiges Hydroxyl-
„Wir haben die allerschnellste chemische Reaktion in ionisiertem Wasser beobachtet, die zur Geburt des Hydroxyl-
Für die Untersuchung hatten die Wissenschaftler Wasser per Laser ionisiert und anschließend mit dem Röntgenlaser LCLS des US-Forschungszentrums SLAC in Kalifornien extrem kurze Schnappschüsse der dadurch ausgelösten Prozesse aufgenommen. Der Röntgenlaser ermöglicht ultrakurze Belichtungszeiten von nur rund 30 Femtosekunden. Die detaillierte Analyse der Messdaten bestätigt die theoretische Modellierung des Protontransfers, die Santra geleitet hat. „Wir konnten zeigen, dass die Röntgendaten tatsächlich Informationen über die Dynamik der Wassermoleküle enthalten, die den Protonentransfer ermöglicht“, so der Theoretiker. „In knapp fünfzig Billiardstel Sekunden rücken die umgebenden Wassermoleküle auf das ionisierte Molekül zu und drehen ihm ihre reaktionsfreudigste Seite zu, bis eines von ihnen nah genug ist, um sich in einer Art Handschlag eines der Protonen zu greifen, wodurch es zu Hydronium wird und ein Hydroxyl-
Damit ist den Forschern ein erster entscheidender Schritt zur Aufklärung der extrem schnellen Dynamik der Radiolyse von Wasser gelungen. „Unsere Arbeit zeigt, dass die schnellste chemische Reaktion in ionisiertem Wasser auf der Zeitskala von fünfzig Femtosekunden abläuft“, fasst Zhi-Heng Loh von der TU Nanyang in Singapur zusammen. „Während fünfzig Femtosekunden nach den meisten Maßstäben schon kurz sind, existieren innerhalb dieser fünfzig Femtosekunden noch viele physikalische Prozesse, die noch nicht aufgelöst werden konnten. Das Ziel ist letztlich, das komplizierte Netzwerk der physiko-
DESY / RK
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
Z.-H. Loh et al.: Observation of the fastest chemical processes in the radiolysis of water, Science 367, 179 (2020); DOI: 10.1126/science.aaz4740 - CFEL-DESY Theory Division (R. Santra), Deutsches Elektronen-Synchrotron, Hamburg
- Argonne National Laboratory, Lemont, USA
- School of Physical and Mathematical Sciences, Division of Chemistry and Biological Chemistry, Nanyang Technological University, Singapur