20.01.2020

Ungewöhnliches Metall in Scheibchen

Neuartiges Syntheseverfahren liefert seltsames Metall erstmals in extrem dünnen Schichten.

Supraleiter können elektrischen Strom völlig ohne Widerstand leiten – allerdings nur unterhalb einer bestimmten Sprung­temperatur. Viele Materialien müssen dafür bis fast an den absoluten Temperatur-Nullpunkt abgekühlt werden, manche Materialien hingegen bleiben bis hin zu viel höheren Temperaturen supraleitend. Wie diese Hoch­temperatur-Supraleitung funktioniert und wie man Materialien entwickeln kann, die vielleicht auch bei normaler Raumtemperatur noch supraleitend bleiben, ist bis heute eines der großen Rätsel der modernen Physik.
 

Abb.: Silke Bühler-Paschen im Labor an der TU Wien (Bild: L. Puiu / TU Wien)
Abb.: Silke Bühler-Paschen im Labor an der TU Wien (Bild: L. Puiu / TU Wien)

Ein Schlüssel zum Erfolg könnte die Untersuchung von „seltsamen Metallen“ sein. Das sind spezielle Materialien, deren elektrischer Widerstand ein sehr ungewöhnliches Temperatur­verhalten zeigt. Dieses Phänomen ist eng mit Supraleitung verwandt: Viele Klassen von Hoch­temperatur­supraleitern zeigen dieses „Seltsame-Metall-Verhalten“. Bei der Forschung an diesen Materialien gelang nun ein wichtiger Durchbruch: Ein Forschungsteam der TU Wien und der Rice University (Houston, Texas) entwickelte ein neues Verfahren, mit dem sie extrem dünne Schichten aus solchen Materialien herstellen konnten, um sie dann zu durchleuchten. So kann man wichtige Daten über diese Materialien ermitteln, die sich sonst nicht messen lassen, und neue Theorien der Hochtemperatur-Supraleitung entwickeln. 

„Schon 1987 wurde der Physik-Nobelpreis für die Entdeckung der Hochtemperatur-Supraleitung vergeben, aber auch heute noch ist unser Verständnis dieses Phänomens unzureichend“, sagt Silke Bühler-Paschen vom Institut für Festkörper­physik der TU Wien. „Allerdings wissen wir, dass seltsame Metalle eng mit dieser technologisch so wichtigen Art von Supraleitung in Verbindung stehen.“ Sie zeigen oberhalb der Sprungtemperatur einen Zusammenhang zwischen Temperatur und Widerstand, der völlig anders aussieht als bei gewöhnlichen Metallen. „Im Gegensatz zu einfachen Metallen wie Kupfer oder Gold scheint der elektrische Widerstand in seltsamen Metallen nicht durch die thermische Bewegung der Atome bedingt zu sein, sondern durch bestimmte Quanten­fluktuationen“, erklärt Bühler-Paschen.

Um diese Vermutung zu bestätigen und die Natur der Quantenfluktuationen zu ergründen, muss nicht nur die Temperatur­abhängigkeit des Widerstandes untersucht werden, sondern auch seine Frequenz­abhängigkeit. Das gelingt am besten, indem man das Material mit Licht im passenden Frequenzbereich bestrahlt.

Für die Untersuchungen wurde ein Material aus Ytterbium, Rhodium und Silizium ausgewählt, das für sein besonders ausgeprägtes Seltsames-Metall-Verhalten bekannt ist. Um dieses Material zu untersuchen, benötigt man Strahlung im Terahertz-Bereich.

„An diesem Punkt wird die Sache allerdings technologisch anspruchsvoll“, sagt Silke Bühler-Paschen. „Hochgenaue Messungen sind nämlich nur in Transmission möglich, also wenn das Material vom Terahertz-Strahl durchdrungen wird.“ Während elektrisch isolierende Materialien Terahertz-Strahlen meist fast ungehindert durchlassen, wird diese Art von Strahlung von Metallen normalerweise sehr stark reflektiert oder absorbiert. Nur wenn man eine extrem dünne Schicht des Materials zur Verfügung hat, kann ausreichend viel Terahertz-Strahlung hindurch­gelangen, um eine präzise Messung zu ermöglichen.

In den Reinraumlabors der TU Wien entwickelten die Wissenschaftler ein eigenes, aufwändiges Molekular­epitaxie-Verfahren, um dünne Schichten dieses Materials herzustellen: „Ytterbium, Rhodium und Silizium werden genau dosiert verdampft und treffen, quasi Atom für Atom, auf einem Substrat auf“, sagt Maxwell Andrews (Institut für Festkörper­elektronik, TU Wien). „Sind alle Parameter richtig eingestellt, wächst das Material Atomschicht für Atomschicht. Indem man die Dauer des Wachstums­prozesses richtig wählt, erreicht man genau die gewünschte Schichtdicke.“

„Entscheidend war, dass wir ein perfekt passendes Substrat gefunden haben, auf dem man diese Schichten aufbringen kann – nämlich Germanium.“, sagt Lukas Prochaska, einer der drei federführenden Doktoranden des Teams. „Die Kristall­struktur von Germanium passt geometrisch ganz ausgezeichnet zur Anordnung der Ytterbium-Atome in unserem seltsamen Metall. Nur dadurch ergeben sich Filme von hervorragender Qualität.“

Doktorand Xinwei Li von der Rice University führte dann hochgenaue Terahertz-Messungen an den dünnen Filmen durch. Die Analyse der Daten, an der auch Rice-Theoretiker Qimiao Si maßgeblich beteiligt war, ergab entscheidende neue Hinweise: „Unsere Vermutung, dass quantenkritische Ladungs­fluktuationen eine entscheidende Rolle spielen, wurde dadurch nun bestätigt“, sagt Silke Bühler-Paschen. „Für uns schließt sich hier ein Kreis: Schon 2004 konnten wir zeigen, dass das Seltsame-Metall-Verhalten in diesem Material mit einer sprunghaften Änderung der Ladungsträger­konzentration einhergeht. Damals hatten Qimiao Si und ich bereits die Notwendigkeit von dynamischen Messungen erkannt, aber die technischen Grundlagen für eine experimentelle Realisierung fehlten. Nun konnten wir diesen Prozess endlich genauer analysieren und verstehen.“

Durch diese Ergebnisse ergeben sich nun neue Ideen, diese ungewöhnlichen Materialeffekte zu beschreiben. „Diese Ideen lassen sich dann auch auf andere Klassen von Hoch­temperatur-Supraleitern übertragen“, erklärt Bühler-Paschen. „Wir hoffen, dass dadurch eine neue, bessere Theorie der Hochtemperatur-Supraleitung entstehen kann, damit es möglich wird, bessere Supraleiter mit noch deutlich höherer Sprungtemperatur zu entwickeln – das wäre ein gewaltiger technologischer Erfolg.“ 

TU Wien / DE
 

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