Ungewöhnliches Spektrum eines gewöhnlichen Pulsars
Möglicherweise treten die besonderen Absorptionslinien häufiger auf als gedacht - und sind für Variationen einiger Pulsarspektren verantwortlich.
Die Untersuchung von Neutronensternen bietet den Astrophysikern die Möglichkeit, Erkenntnisse über physikalische Prozesse unter extremen Bedingungen zu gewinnen. So besitzen die superdichten Sternen-Überreste extrem starke Magnetfelder mit Feldstärken von bis zu einigen hundert Teragauß.
Abb.: Schematische Darstellung eines Pulsars. Durch elektrisch geladene Teilchen in dem starken Magnetfeld entstehen gebündelte Radio- und/oder Gammastrahlen (Bild: Mysid)
Die überwiegende Mehrheit – mehr als 98 Prozent – der Neutronensterne, die keine Materie akkretieren, sind durch ihre Rotation angetriebene Pulsare, senden also stark gebündelte Radio- oder Gammastrahlung aus. Das Spektrum dieser gewöhnlichen Pulsare lässt sich durch thermische und nichtthermische Kontinuumsstrahlung befriedigend darstellen. Davon abweichende spektrale Strukturen konnten nur in einigen wenigen, exotischen Neutronensternen nachgewiesen werden.
So zeigen röntgenschwache isolierte Neutronensterne keine Radiopulse; sie besitzen vermutlich eine leere Magnetosphäre, in der sich also keine elektrisch geladenen Teilchen bewegen. Zentrale kompakte Objekte in Supernova-Überresten sind radioleise Neutronensterne mit nur schwachen Magnetfeldern. Und rotierende Radio-Transients sind jeweils nur zeitweise im Radiobereich sichtbare Neutronensterne. Die spektralen Besonderheiten dieser Objekte wurden bislang ihren ungewöhnlichen physikalischen Eigenschaften zugeschrieben und als irrelevant für gewöhnliche Pulsare angesehen.
Oleg Kargaltsev von der University of Florida und seine Kollegen berichten nun über die Entdeckung ungewöhnliche Strukturen im Spektrum des gewöhnlichen Pulsars J1740+1000. Die linienartigen Absorptionen liegen im Bereich von 500 bis 700, sowie 100 bis 250 Elektronenvolt und sind in ihrer Stärke abhängig von der Pulsationsphase des Objekts. „Unsere Entdeckung überbrückt die Lücke zwischen gewöhnlichen Pulsaren und exotischeren Neutronensternen“, schreiben die Forscher.
Sie weisen darauf hin, dass es drei bekannte Pulsare mittleren Alters gibt, die eine deutliche, phasenabhängige Veränderung ihrer Spektren zeigen. Möglicherweise, so stellen Kargaltsev und seine Kollegen zur Diskussion, lässt sich diese Variabilität mit nichtaufgelösten spektralen Strukturen ähnlich wie bei J1740+1000 erklären. Generell könnten Absorptions-Features auch bei gewöhnlichen Pulsaren häufiger sein als bislang angenommen. Die Abhängigkeit solcher Strukturen von den Eigenschaften der Pulsare könnte den Forschern dann Informationen über die physikalische Ursache der Absorptionen liefern.
Rainer Kayser
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