06.03.2024

Unkonventionelle Piezoelektrizität in dünnen Schichten

Elektrische Felder verändern Piezoelektrizität in ferroelektrischem Hafniumoxid.

Hafniumoxid-Dünnschichten sind eine Klasse von Materialien mit robusten ferroelektrischen Eigenschaften im Nanometer­bereich. Während das ferro­elektrische Verhalten ausgiebig untersucht wurde, blieben die Ergebnisse zu den piezo­elektrischen Effekten bisher rätselhaft. Eine neue Studie zeigt nun, dass die Piezo­elektrizität in ferro­elektrischen Hf0,5Zr0,5O2-Dünnschichten durch zyklische elektrische Felder dynamisch verändert werden kann. Ein weiteres Ergebnis ist die Möglichkeit einer nicht-piezo­elektrischen ferro­elektrischen Verbindung. Diese unkonventionellen Eigenschaften von Hafnia bieten neue Optionen für die Mikroelektronik und Informations­technologie.

Abb.: Illustration der unkonventionellen Piezoelektrizität in...
Abb.: Wenn E-Feld und Polarisation parallel sind, bedeutet ein positiver longitudinaler piezoelektrischer Koeffizienten, dass sich die Probe ausdehnt. Wird der Koeffizient negativ, zieht sich die Probe zusammen.
Quelle: L. Canil

Seit 2011 ist bekannt, dass bestimmte Hafniumoxide ferroelektrisch sind: Sie besitzen eine spontane elektrische Polarisation, deren Richtung durch ein äußeres elektrisches Feld umgeschaltet werden kann. Alle Ferroelektrika weisen Piezo­elektrizität mit einem meistens positiven longitudinalen piezo­elektrischen Koeffizienten (d33) auf: Dabei dehnt sich der Kristall aus, wenn das angelegte Feld in die gleiche Richtung wie die Polarisation weist. Für Hafnia kamen Studien jedoch auf widersprüchliche Ergebnisse, nach denen sich Hafnia-Filme unter denselben Versuchs­bedingungen mal ausdehnen und mal zusammenziehen. Darüber hinaus kann die ferro­elektrische Polarisation offenbar gegen das elektrische Feld schalten, was als anomales Schalten bezeichnet wird.

Die internationale Kollaboration unter der Leitung von Catherine Dubourdieu, HZB, hat nun erstmals einige Aspekte dieser rätselhaften Ergebnisse aufgeklärt und ein unkonventionelles Verhalten in Hafnia entdeckt. Sie untersuchten HZO-Kondensatoren mit Hilfe der Piezokraft­mikroskopie (PFM): Eine leitende Nadel tastet dabei die Probenoberfläche unter einer geringen elektrischen Spannung ab und misst die lokale piezo­elektrische Antwort. Die Studie zeigte, dass die Piezo­elektrizität in HZO kein unveränderlicher Parameter ist, sondern sich durch einen externen Stimulus, wie etwa elektrische Zyklen, ändern kann. Die ferro­elektrischen HZO-Kondensatoren kehren das Vorzeichen des piezoelektrischen d33-Koeffizienten beim Wechsel des elektrischen Feldes um, von positiv zu negativ. Jede einzelne Stelle des ferro­elektrischen Kondensators erfährt eine solche Änderung und geht dabei nach einer angemessenen Anzahl von Wechsel­stromzyklen durch eine lokale Piezo­elektrizität von Null.

Berechnungen nach der Dichtefunktional­theorie (DFT) deuten darauf hin, dass der positive d33-Wert im Ausgangszustand auf eine metastabile polare orthorhombische Phase zurückzuführen ist, die sich unter Wechselstrom­zyklen allmählich zu einer stabilen polaren Phase mit negativem d33 entwickelt. Die DFT-Berechnungen legen nicht nur einen Mechanismus für die d33-Vorzeichen­umkehr nahe, sondern sagen auch ein bahnbrechendes Ergebnis voraus: Das mögliche Auftreten einer intrinsischen nicht-piezo­elektrischen ferro­elektrischen Verbindung, die experimentell beobachtet werden kann.

„Zum ersten Mal konnten wir experimentell eine Vorzeichenumkehr des piezo­elektrischen Effekts im gesamten Bereich eines Kondensators in diesen Hafnia-Zirkoniumdioxid-Ferro­elektrika unter einem elektrischen Wechselfeld beobachten“ sagt Catherine Dubourdieu. Diese Entdeckung birgt ein enormes Potenzial für technologische Anwendungen. „Da die Piezo­elektrizität in diesen Materialien dynamisch verändert werden und sogar aufgehoben werden kann, während die Polarisation robust bleibt, sehen wir fantastische Optionen für die Entwicklung von ferroelektrischen HfO2-basierten Bauelementen mit elektro­mechanischen Funktionalitäten. Darüber hinaus würde Möglichkeit einer nicht-piezo­elektrischen ferro­elektrischen Verbindung unsere Vorstellung von Ferro­elektrizität revolutionieren“, so Catherine Dubourdieu.

HZB / JOL

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