Untersuchung instabiler Halokerne
Theoretischen Vorhersagen der Verhältnismethode experimentell bestätigt.
Ein internationales Forschungsteam hat jetzt erstmals experimentell belegt, dass sich Atomkerne und insbesondere die instabilen Halokerne mit Hilfe der Verhältnismethode untersuchen lassen – und die Bedeutung dieser neuen beobachtbaren Reaktion somit untermauern. „Unsere Untersuchungen am Beryllium-11-Halo bestätigten die theoretischen Vorhersagen der Verhältnismethode“, sagt Pierre Capel vom Institut für Kernphysik der Uni Mainz. Dieses wichtige Ergebnis bietet Kernphysikern ein neues Werkzeug zur Untersuchung der Struktur exotischer Kerne.

Halokerne sind deutlich größer als übliche Atomkerne. Das liegt an ihrer eigentümlichen Struktur: Ein oder zwei Neutronen können sich vom Atomkern lösen und eine Art diffusen Hof, den „Halo“, um einen kompakten Kern bilden. Auch was ihre Stabilität angeht, unterscheiden sich die Halokerne von den meisten anderen Atomkernen: Sie haben eine äußerst kurze Halbwertszeit. Beim untersuchen Beryllium-11-Halo liegt sie gerade mal bei 13 Sekunden. Um sie dennoch analysieren zu können, lässt man sie auf ein Target prallen und versucht, aus der Art der Reaktionsergebnisse Rückschlüsse auf die Struktur des Kerns zu ziehen. Das Problem dabei: Die Information über den Halokern lässt sich nur schwer von Einflüssen trennen, die durch das Experiment zustande kommen.
Im Jahr 2011 entwickelten die drei Theoretiker Pierre Capel und R.C. Johnson von der University of Surrey sowie F.M. Nunes von der Michigan State University das Verhältnismodell. „Dabei bestimmen wir die Struktur von Halokernen aus dem Verhältnis ihrer Streu- und Zerfallswinkelquerschnitte – auf diese Weise werden wir die Einflüsse der Reaktion los und erhalten die Information zur reinen Struktur des Halokerns“, sagt Capel, der jetzt an der Uni Mainz tätig ist. Der Streuquerschnitt ist der Prozess, bei dem das Projektil vom Target gestreut wird und nach der Kollision intakt bleibt, der Zerfallsquerschnitt der Prozess, bei dem das Halo-Neutron vom Kern abgespalten wird.
An der Texas A&M University erzeugte das experimentelle Team über einen Teilchenbeschleuniger Beryllium-11 und ließ dieses mit den stabilen Atomkernen Kohlenstoff-12 kollidieren. „Wir konnten zeigen, dass die Wirkungsquerschnitte für Streuung und Zerfall sehr ähnliche Merkmale aufweisen – ihr Verhältnis ist somit unabhängig vom Reaktionsprozess. Dies zeigt: Das Verhältnismodell funktioniert“, sagt Capel.
In einem weiteren Schritt wollen die Forscher Kohlenstoff-19, einen weiteren Halokern, untersuchen. Das Team erwartet, dass diese Messung die Trennungsenergie von Kohlenstoff-19 präziser bestimmen wird als jemals zuvor und wichtige Informationen über die Halostruktur von Kohlenstoff-19 liefert.
JGU Mainz / RK
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
S. Ota et al.: Experimental Test of the Ratio Method for Nuclear-Reaction Analysis, Phys. Rev. Lett. 134, 212501 (2025); DOI: 10.1103/PhysRevLett.134.212501 - Theory Group (P. Capel), Theoretische Kern-, Hadronen- und Teilchenphysik, Institut für Kernphysik, Johannes Gutenberg-Universität Mainz