Van-der-Waals-Kräfte halten Phosphor-Strukturen zusammen
Neues Verfahren liefert erstmals komplette Rangfolge der Stabilitäten der kristallinen Phosphor-Modifikationen.
Van-der-Waals-Kräfte spielen eine Schlüsselrolle beim Zusammenhalt von weißen, schwarzen und roten Phosphorformen. Die schwachen Wechselwirkungen hindern atomar dünnen Netze und Nanodrähte aus Phosphor daran, zu zerfallen. Das zeigen Modellrechnungen eines Forscherteams der Universität Regensburg, der RWTH Aachen, der BTU Cottbus-Senftenberg sowie der TU München.
Abb.: Die unterschiedlichen Modifikationen von Phosphor und ihre Umwandlungen. (Bild: Wiley-VCH)
Phosphor kommt in mehreren Modifikationen vor, die aus unterschiedlichen molekularen Baueinheiten bestehen. Da ist zunächst der in Streichholzköpfen verwendete reaktive weiße Phosphor. Er kommt in drei Kristallformen vor. Allen gemein sind einzelne Tetraeder aus Phosphoratomen, die im Kristall aber verschieden angeordnet sind. Unter Druck wandelt sich weißer Phosphor in reaktionsträgen schwarzen um, die bei Raumtemperatur stabilste Form. Dieser und einer weiteren Hochdruckform gemein sind gewellte Schichten aus Phosphoratomen. Die Aufspaltung in einzelne Schichten zu „Phosphoren“ – ähnlich dem Graphen – ist Gegenstand aktueller Forschung.
Erhitzt man weißen Phosphor, wandelt er sich in verschiedene Formen roten Phosphors um. Unter diesen war lange nur die Struktur des violetten Hittorfschen Phosphors bekannt. Dieser besteht aus pentagonalen Nanoröhren kovalent gebundener Phosphoratome. In den letzten Jahren haben Forscher weitere Formen hergestellt, in denen einzelne und doppelt verknüpfte Phosphor-Nanoröhren vorliegen. Sie fallen in Form faserförmiger roter Kristalle und rötlich-brauner Modifikationen an. Unklar waren bisher die Strukturen der Nanoröhren-Modifikation und die Stabilität der neuen Formen relativ zu den bekannten.
Arno Pfitzner und ihren Kollegen ist es jetzt auf Basis der Dichtefunktional-Theorie (DFT) erstmals gelungen, eine komplette Rangfolge der Stabilitäten der kristallinen Phosphor-Modifikationen zu erstellen und die Strukturen neuer Einzelstab-Modifikationen zu bestimmen. Während gängige DFT-Berechnungen zu ungenau waren, erzielten die Forscher durch die Verwendung eines speziellen Korrekturterms eine exzellente Übereinstimmung mit experimentellen Ergebnissen sowie präzise Vorhersagen. Dieser Term berücksichtigt Van-der-Waals-Kräfte zwischen den Molekülen, Schichten und Röhren der genannten Formen, die beim Phosphor eine wesentliche Rolle spielen.
„Trotz signifikanter Unterschiede bestehen alle Phosphor-Modifikationen aus kovalenten Substrukturen, die durch Van-der-Waals-Wechselwirkungen zusammengehalten werden“, erläutert Weihrich. „Erstmals lassen sich nun die Stabilitäten auch energetisch sehr ähnlicher Modifikationen umfassend aufklären und Strukturen auf der Basis von van-der-Waals-Wechselwirkungen korrekt vorhersagen. So konnten wir auch die kürzlich entdeckten röhrenförmigen Modifikationen einordnen und die Struktur zuvor unbekannter kristalliner Strukturen von Phosphor-Nanostäbchen vorhersagen.“ Diese schwachen Wechselwirkungen sind für die neue Forschung an Einzel- und Mehrschicht-Phosphorenen sowie für die mögliche Auftrennung einzelner Phosphor-Nanoröhren von großer Bedeutung.
VCH / RK