22.03.2018

Van-der-Waals-Kristall als Isotopensieb

In Schichtstapel aus hexagonalem Bornitrid dringen Deuteronen besser ein als Protonen.

Zweidimensionale Materialien wie Graphen oder Bor­nitrid haben ungewöhnliche mechanische und elektrische Eigenschaften. Mit Stapeln aus solchen mono­atomaren Kristall­schichten, die nur durch Van-der-Waals-Kräfte zusammen gehalten werden, lassen sich unterschiedliche Wasser­stoff­isotope voneinander trennen.

Abb: Durch eine Palladiumschicht (rechts) dringen Protonen und Deuteronen in einen Bornitrid­kristall ein. Dann diffundieren die Ionen in den Kristall­zwischen­räumen und verlassen den Kristall am anderen Ende (links) wieder durch eine Palladium­schicht. (Bild: A. Kuc, U. Leipzig)

Forscher um Marcelo Lozada-Hidalgo von der University of Manchester haben untersucht, wie gut Protonen und Deuteronen, die Kerne von normalem bzw. schwerem Wasserstoff, in Schicht­stapeln aus Graphen, Bor­nitrid oder Molybdän­disulfid eindringen und anschließend in den Zwischen­räumen parallel zu den Schichten diffundieren können. Frühere Untersuchungen hatten gezeigt, dass Protonen viel besser durch Mono­lagen aus Graphen oder Bor­nitrid dringen als Deuteronen. Zudem ließ sich der Protonen­transport durch Belichtung des Graphens erheblich verbessern.

Im neuen Experiment drangen die Wasserstoff­ionen in die Zwischen­räume zwischen den Atom­ebenen ein und bewegten sich in ihnen. Durch Röntgen­untersuchungen weiß man, dass diese Zwischen­räume beim hexagonalen Bornitrid (h-BN) und beim Graphit 3,34 Å weit sind und beim Molybdän­disulfid (MoS2) 6,15 Å. Das ist wesentlich größer als die De-Broglie-Wellenlänge von Wasserstoff­ionen bei 300 K, die ein Maß für deren Größe ist. Sie beträgt für Protonen 1,45 Å und für Deuteronen 1,02 Å. Da Deuteronen schwerer sind als Protonen, ist ihre Orts­unschärfe gemäß der Heisen­bergschen Unschärfe­beziehung kleiner als die der Protonen mit gleicher Energie.

Demnach sollten Protonen und Deuteronen problemlos in die Zwischen­räume eindringen können. Doch tatsächlich sind diese wesentlich enger, da sie von den Elektronen­wolken der angrenzenden Atome erfüllt sind. Ob sich deshalb der Größen­unterschied zwischen den Protonen und den Deuteronen beim Eindringen in die Zwischen­räume dennoch bemerkbar macht, mussten Experimente klären, bei denen die Ionen­leit­fähigkeit verschiedener Schichten in Längs­richtung gemessen wurde.

Abb.: Der Protonenstrom hängt linear von der angelegten Spannung ab. H-BN leitet die Protonen besser als MoS2, während Graphit sie gar nicht leitet. Das Inset zeigt schematisch, wie die Protonen den schalen­förmigen van-der-Waals-Kristall durchqueren. (Bild: S. Hu et al.)

Dazu haben die Forscher in eine Silizium­nitrid­membran ein 20 Mikrometer großes kreisförmiges Loch geätzt, über das sie anschließend einen 500 Nanometer dicken Kristall aus Graphit, h-BN oder MoS2 gelegt haben. In diesen Kristall gruben sie von unten durch Plasma­ätzen eine Höhlung, sodass der Kristall wie eine umgedrehte Schale aussah. Je nach der Tiefe der Schale war an ihrer Innen­wand eine mehr oder weniger große Zahl von Schicht­zwischen­räumen zugänglich. Eine Platin­beschichtung der Kristalle ermöglichte es den Ionen, in sie einzudringen.

Von einer elektrischen Spannung getrieben, bewegten sich Wasser­stoff­ionen durch das Loch in der Membran und drangen in die Schicht­zwischen­räume des Kristalls ein. Anschließend diffundierten sie längs der Zwischen­räume und verließen den Kristall am anderen Ende. Schließlich gelangten sie zu einer Elektrode, wo der Ionen­strom in Abhängigkeit von der Spannung gemessen wurde. Daraus ermittelten die Forscher die Ionen­leit­fähigkeit und den Ionen­widerstand.

Wie sich zeigte, ließ das Graphit praktisch keine Protonen durch, während in h-BN die Protonen besser voran­kamen als in MoS2. Offenbar hinderte die Protonen eine zu hohe Anregungs­energie daran, in die Graphit­zwischen­räume einzudringen. Für h-BN und MoS2 war die Protonen­leit­fähigkeit proportional zur Zahl der zugänglichen Zwischen­räume. Demnach bewegten sich die Protonen nur längs der Zwischen­räume und nicht durch die Atom­lagen hindurch.

Der Vergleich der Ionen­widerstände von h-BN und MoS2 für Protonen und Deuteronen ergab ein differenziertes Bild. Für sehr lange Kristalle, in denen die Ionen Strecken von mehr als zehn Mikrometer durch­queren mussten, erfuhren die Deuteronen einen deutlich größeren Wider­stand als die Protonen. Das sprach dafür, dass die Ionen gemäß der klassischen Physik diffundierten, wobei die leichteren Protonen schneller voran­kamen als die schwereren Deuteronen. Allerdings könnten bei der in beiden Fällen über­raschend schnellen Diffusion Quanten­effekte mitspielen.

Für kurze Kristalle von weniger als einem Mikrometer Länge war es umgekehrt: Jetzt war der Wider­stand für die Protonen größer als für die Deuteronen, und zwar 1,4-mal bei h-BN und 1,2-mal bei MoS2. Dies ist ein Quanten­effekt, der sich auf die unterschiedlich großen Anregungs­energien zurückführen lässt, die die Ionen beim Eindringen in die Zwischen­räume überwinden mussten. Die mit Blick auf ihre De-Broglie-Wellen­länge „großen“ Protonen sind nun gegenüber den Deuteronen im Nachteil. Weitere Experimente müssen zeigen, ob man mit Van-der-Waals-Kristallen Protonen, Deuteronen und auch Tritium­kerne effizient voneinander trennen kann.

Rainer Scharf

DE

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