19.09.2008

Verborgener Magnetismus in Supraleitern

Zunehmend werden in Hochspannungsleitungen, Motoren oder Generatoren Hochtemperatur-Supraleiter eingesetzt.



Bisher gehen ein Zehntel des weltweiten Verbrauchs an elektrischer Energie schon in den Überlandleitungen durch deren Widerstand verloren. Zunehmend werden in Hochspannungsleitungen, Motoren oder Generatoren deshalb Hochtemperatur-Supraleiter eingesetzt. Diese sind bei tiefen, aber relativ einfach zu erzeugenden Temperaturen in der Lage, Strom ohne jeglichen Verlust zu transportieren. Den Mechanismus der Hochtemperatur-Supraleitung haben Physiker jedoch trotz jahrelanger, weltweiter Forschung bis heute nicht verstanden. Wissenschaftlern des 1. Physikalischen Institut der Universität Stuttgart, der Stanford University (U.S.A.), dem Laboratoire Léon Brillouin (Frankreich), der Pusan University (Süd-Korea) und der Jilin University (China) gingen diese offenen Fragen in einer weltweiten Zusammenarbeit nun mit Hilfe polarisierter Neutronen an und widerlegten damit die bisherigen Theorieansätze. Über die Ergebnisse berichtet die Zeitschrift Nature in ihrer September 2008 Ausgabe.
Um das enorme technologische Potenzial der Supraleitung voll nutzen zu können, ist es unumgänglich, dass die physikalischen Prinzipien dieser Materialien verstanden werden. Eines der fundamentalen Probleme liegt hierbei in deren metallischem Zustand. Ehe das Material supraleitend wird, beobachtet man einen sehr ungewöhnlichen Zustand. Hierbei ist es nicht klar, ob dieser Zustand allmählich eingenommen wird, oder ob es sich bei dieser charakteristischen Temperatur um eine scharfe Phasengrenze handelt. Diese Phase würde dann in Konkurrenz zur Supraleitung treten.

Das internationale Wissenschaftsteam konnte nun an einem modellhaften Hochtemperatur-Supraleiter messen, bei wie vielen Neutronen sich der Spin durch die Streuung umkehrt und wie sich dies ändert, wenn die Temperatur abgesenkt wird. Diese Methode erlaubt detaillierte Aussagen über die magnetischen Eigenschaften eines Materials. In den sehr präzisen und empfindlichen Messungen konnte erstmals festgestellt werden, dass die charakteristische Temperatur durch das Auftreten einer ungewöhnlichen magnetischen Ordnung gekennzeichnet ist. Überraschenderweise wird die Translationsinvarianz nicht gebrochen; das heißt, jeder kleinste Baustein des Kristalls ist gleich magnetisch. Unterhalb der charakteristischen Temperatur zeigt sich der Magnetismus der Atome, doch in jeder Kristallzelle jeweils in entgegengesetzter Richtung. Von außen ist dies nicht zu sehen: Der ganze Kristall bleibt weiterhin unmagnetisch, weswegen das Phänomen bisher auch nicht entdeckt wurde.

Durch die aufsehenerregenden Ergebnisse sind jene Theorien widerlegt, die annahmen, dass es sich bei der charakteristischen Temperatur nur um einen allmählichen Übergang, aber nicht um einen echten Phasenübergang handle. Hierdurch ist nun der Weg frei geworden, für ein echtes Verständnis der Hochtemperatur-Supraleitung.

Quelle: Ursula Zitzler, Referat für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit Universität Stuttgart

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