07.05.2021

Verkettet und gestapelt

Organisch-anorganischer Mischkristall besteht aus Ketten entlang einer Raumrichtung und bildet dennoch Schichten.

Sie sind 50.000-mal dünner als ein menschliches Haar und nur wenige Atome dick: Zweidimensionale Materialien sind die dünnsten heute herstellbaren Stoffe. Sie besitzen völlig neue Eigenschaften und gelten als der nächste große Schritt in der modernen Halbleiter­technologie. Künftig könnten sie statt Silizium in Computerchips, Leuchtdioden und Solarzellen zum Einsatz kommen. Bislang war die Entwicklung neuer zweidimensionaler Materialien auf solche mit Schichten starrer chemischer Bindungen in zwei Raumrichtungen beschränkt – ähnlich einem Blatt Papier in einem Stapel.

 

Abb.: Künstlerische Darstellung der Kristall­struktur des neuartigen...
Abb.: Künstlerische Darstellung der Kristall­struktur des neuartigen Materials. Einzelne Lagen des Kristalls können einfach abgehoben werden. (Bild: E. Monte, JLU)

Nun ist es erstmals einem Forscherteam der Universitäten Marburg, Gießen und Paderborn um Johanna Heine (Anorganische Chemie, Philipps-Universität Marburg) gelungen, diese Beschränkung mit einem innovativen Konzept aufzuheben. Die Forscher entwickelten einen organisch-anorganischen Mischkristall, der aus Ketten entlang einer Raumrichtung besteht, aber trotzdem zweidimensionale Schichten bildet. Dadurch können verschiedene Material­bestandteile wie in einem Baukasten gezielt miteinander kombiniert werden, um neuartige Material­eigenschaften zu erreichen.

In dem Projekt verbindet das Forscherteam die Vorteile von zweidimensionalen Materialien und hybriden Perowskiten. Das namens­gebende Mineral Perowskit ist für seine optoelektrischen Eigenschaften bekannt und kann zur Verbesserung dieser Eigenschaften mit anderen Stoffen kombiniert werden. „Das Besondere daran sind die ganz neuen Möglichkeiten zum gezielten Design zukünftiger funktioneller Materialien“, erklärt Johanna Heine, Chemikerin und Nachwuchs­gruppenleiterin an der Universität Marburg, das hochaktuelle Forschungs­gebiet mit großem Anwendungs­potenzial. „Der hier erstmals entdeckte physikalische Effekt könnte das einfache und gezielte Einstellen der Farbe zukünftiger Beleuchtungs- und Display­technologien ermöglichen“, so der Physiker Philip Klement, Erstautor und Doktorand in der Arbeitsgruppe von Sangam Chatterjee an der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU).

Die Arbeit erfolgte in einer interdisziplinären Kooperation: Das Team um Johanna Heine an der Universität Marburg entwickelte zunächst die chemische Synthese und stellte das Material als einkristallinen Volumen­kristall her. Philip Klement und das Team um Chatterjee stellten anschließend an der JLU aus diesen Kristallen einzelne atomar dünne Schichten her und untersuchten diese mit den Mitteln der optischen Laser­spektroskopie. Dabei fanden sie eine spektrale breite („weiße“) Lichtemission, deren Farbtemperatur über die Schichtdicke geändert werden kann.

In enger Zusammenarbeit mit dem Team theoretischer Physiker um Stefan Schumacher an der Universität Paderborn gelangen das mikroskopische Verständnis des Effekts und die Verbesserung der Materialeigenschaften. Den Forschern ist es somit gelungen, den gesamten Bogen von der Synthese des Materials, über das Verständnis der Material­eigenschaften bis hin zur Modellierung der Materialeigenschaften zu spannen.

U. Gießen / DE

 

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