28.11.2013

Verschränkt dank Dissipation

Erstmals dienen Zerfallsprozesse zur Erzeugung quantenmechanisch verschränkter Zustände atomarer Systeme.

Wer mit Quanteninformation arbeitet, ist normalerweise bestrebt, das System von der Umgebung zu isolieren, um störende Wechselwirkungen fernzuhalten, die den fragilen Quantenzustand zerstören können. Allerdings ist es schwierig, solche Wechselwirkungen gänzlich zu vermeiden. Die Teams von Anders S. Sørensen vom Niels-Bohr-Institut (NBI) der Universität Kopenhagen sowie von Dietrich Leibfried und dem letztjährigen Gewinner des Physiknobelpreises David Wineland am National Institute of Standards and Technology (NIST) in Boulder haben jetzt den Spieß umgedreht und aus dem „bug“ ein „feature“ gemacht: Anstatt die Dissipation als Gegner zu betrachten, setzten sie sie für ihre Zwecke ein.

Abb.: Dünne goldene Drähte auf dem Chip der im Experiment verwendeten Ionenfalle leiten die elektrischen Felder, die die Ionen in dem Spalt gefangen halten. (Bild: NIST)

Die Umgebung eines Quantensystem wirkt stets darauf ein und tauscht Energie mit ihm aus. Die Elektronen der beteiligten Atome springen dann von einen Zustand zum anderen. Solche Quantensprünge zeigen sich als Zerfallsprozesse, da sie die in den Elektronen gespeicherte Information an die Umgebung abgeben. „Mit unserer Methode lassen wir das Quantensystem aber bewusst mit seiner Umgebung ‚reden’. Zudem schaffen wir einen Kontrollmechanismus für die Sprünge der Elektronen, sodass diese genau in dem Zustand landen, in dem wir sie haben wollen. So machen wir Gebrauch von der Wechselwirkung mit der Umgebung,” erläutert Florentin Reiter, der mit Sørensen die Theorie für die Methode entwickelt hat.

In den am NIST durchgeführten Experimenten verwendeten die Forscher eine Kette von Magnesium- und Berylliumionen, die sie fast bis auf den absoluten Nullpunkt gekühlt hatten. Während die Magnesiumionen zur Kühlung dienen, fungierten die Berylliumionen als „logische Ionen“. Laserlicht erzeugte dabei zwischen ihren Elektronen die Verschränkung. Der Trick liegt in der Kombination des Laserlichts: Die Elektronen können sich zunächst in vier Energiezuständen aufhalten. Wenn sie umherspringen und im „falschen“ Zustand landen, werden sie einfach durch das Laserlicht „zurückgekickt“. Das Ganze wird fortgesetzt, bis die Elektronen in dem gewünschten Zustand sind. Da es sich hierbei um einen verschränkten Zustand handelt, ergibt sich auf diese Weise gleichzeitig eine Verschränkung zwischen den beiden Ionen. Im Gegensatz zur bisherigen Methode, in der sorgfältig abgestimmte Laserpulse die Verschränkung erzeugte, lassen sich hier einfach die Laser einschalten, und kurze Zeit später ist das System im gewünschten Zustand.

Abb.: Die Falle hält eine Kette von vier Ionen gefangen. Die äußeren Magnesiumionen (grün) kühlen das System durch Aussendung von Licht. Ein Laser versetzt die inneren Berylliumionen in einen verschränkten Zustand und macht aus ihnen ein gemeinsames System. Im Gegensatz zu früheren Experimenten läuft dieser Prozess unter Aussendung von Licht durch die Ionen ab. (Bild: NIST)

Quasi gleichzeitig gelang es Wisssenschaftlern der Yale University und des Inria Paris-Rocquencourt, ein ähnliches Schema auf zwei supraleitende Quantenbits anzuwenden. Auch sie konnten mit ihrem Aufbau einen verschränkten Bell-Zustand beliebig lange stabilisieren und so einen 2-Bit-Quantenspeicher herstellen.

Die beteiligten Forscher hoffen nun, mit Hilfe der neuen Methode einige der Probleme überwinden zu können, die es bislang schwierig gemacht haben, Quantencomputer zu bauen. Beispielsweise wäre es wünschenswert, wenn sich mit ähnlichen Techniken die Fehlerkorrektur in Quantencomputern verbessern ließe.

NBI / OD

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