24.09.2004

Verschränkter Uhrenvergleich

Mit verschränkten Photonen kann man weit entfernte Uhren auf neuartige Weise synchronisieren. Das haben Experimente an der University of Maryland gezeigt.


Verschränkter Uhrenvergleich


Mit verschränkten Photonen kann man weit entfernte Uhren auf neuartige Weise synchronisieren. Das haben Experimente an der University of Maryland gezeigt.

Die Synchronisierung von Uhren, die weit voneinander entfernt sind, hat gleichermaßen theoretische wie praktische Bedeutung. In Einsteins Relativitätstheorie spielt sie eine fundamentale Rolle bei der Definition der Gleichzeitigkeit. Für die Telekommunikation oder das GPS (Global Positioning System) benötigt man extrem präzise Verfahren, um Atomuhren über große Entfernungen miteinander abzustimmen. Dazu misst man z. B. die Laufzeiten von Radiowellenpulsen, die von den zu synchronisierenden Uhren ausgesendet und von einer Basisstation empfangen werden.

In den letzten Jahren haben theoretische Untersuchungen ergeben, dass man mit „nichtklassischen“ Lichtpulsen eine größere Präzision bei der Synchronisierung von Uhren erreichen kann als mit klassischen, kohärenten Pulsen. Solche „nichtklassischen“ Lichtpulse können gequetschte Photonenzustände enthalten, deren quantenmechanische Unschärfe in bestimmter Hinsicht geringer ist als die von kohärenten Zuständen. Die Pulse können aber auch aus quantenmechanisch verschränkten Photonen bestehen, deren abgestimmtes Verhalten es ermöglicht, die Ankunftszeit der Pulse präziser zu bestimmen als bei Verwendung von normalen Lichtpulsen.

Yanhua Shih und seine Mitarbeiter von der University of Maryland in Baltimore haben nun experimentell untersucht, ob und wenn ja wie präzise sich Uhren mit nichtklassischem Licht synchronisieren lassen, das aus verschränkten Photonen besteht. Die benutzten Photonen waren paarweise „frequenzverschränkt“, d. h. ihre Frequenzen oder Energien waren unbestimmt doch deren Summe lag fest. Um diese Photonen herzustellen, wurde ein nichtlinearer optischer Kristall aus Lithiumtriborat (LBO) kontinuierlich mit blauem Laserlicht von 458 nm Wellenlänge bestrahlt. Wenn der LBO-Kristall ein Laserphoton absorbierte, dann emittierte er umgehend zwei unterschiedlich langwellige Photonen, die sich die Energie des Laserphotons teilten. Diese Photonen hatten im Mittel eine Wellenlänge von 901 nm bzw. 931 nm. Ihre exakte Wellenlänge blieb dabei ebenso unbestimmt wie der Zeitpunkt ihrer Entstehung.

Die langwelligen verschränkten Photonenpaare wurden mit Hilfe eines Filters aus dem blauen Laserstrahl herausgefischt. Da die beiden langwelligen Photonsorten senkrecht zueinander polarisiert waren, ließen sie sich mit einem Polarisationsstrahlteiler voneinander trennen. Anschließend wurde sie separat durch zwei ca. 1,5 km lange Glasfasern zu zwei Photonendetektoren geleitet, die jeweils an eine lokale Uhr angeschlossen waren. Die Signale, die die Detektoren aufnahmen, wurden über eine Datenleitung miteinander verglichen. Da die verschränkten Photonen eines jeden Paares zum gleichen Zeitpunkt entstanden waren, zeigten die beiden Detektorsignale eine deutliche Korrelation: Immer wenn an dem einen Detektor ein Photon angekommen war, traf am anderen Detektor mit einer bestimmten Zeitverzögerung ebenfalls ein Photon ein.

Aus der Zeitverzögerung zwischen dem Eintreffen der beiden Photonen und aus dem möglichst genau gemessenen Längenunterschied der beiden Glasfasern ließ sich dann errechnen, wie stark die eine Uhr im Vergleich zur anderen vor- oder nachging. Damit wäre die Synchronisation abgeschlossen gewesen, wenn es da nicht ein Problem gegeben hätte: Die gemessenen Zeitverzögerungen hatten nicht alle denselben Wert sondern waren statistisch um einen Mittelwert verteilt. Die Breite dieser Verteilung betrug 750 ps (1 ps = 10 -12 s) und hing von verschiedenen Faktoren ab. Zunächst führten Frequenzschwankungen des blauen Laserstrahls dazu, dass der zeitliche Abstand zwischen zwei verschränkten Photonen um 800 fs (1 fs = 10 -15 s) variierte. Für unverschränkte Photonenpaare wäre diese Schwankung übrigens √2-mal größer gewesen. Dass die tatsächlich beobachteten Zeitverzögerungen tausendmal stärker schwankten, lag vor allem an der optischen Dispersion der Glasfasern. Die Photonen benötigten je nach ihrer Wellenlänge unterschiedlich lange, um durch die Glasfaser zum Detektor zu kommen.

Um den Einfluss der Dispersion auf die Photonen zu unterdrücken, änderten die Forscher die Einstellung des Polarisationsstrahlteilers und vertauschten dadurch die beiden Lichtstrahlen, sodass die 901-nm-Photonen und 931-nm-Photonen durch die jeweils andere Glasfaser zum Detektor gelangten. Daraufhin änderten sich die gemessenen Zeitverzögerungen und ihr Mittelwert verschob sich um etwa 5 ns (1 ns = 10 -9 s). Diese Verschiebung war reproduzierbar und wies nur eine Messungenauigkeit von 1 ps auf. Damit ist auch die jetzt durchgeführte Synchronisierung mit verschränkten Photonen auf 1 ps genau, bei einem Uhrenabstand von 3 km. Das reicht zwar noch nicht, um die Atomuhren von GPS-Satelliten zu synchronisieren. Aber für ein erstes Demonstrationsexperiment ist dieses Resultat bemerkenswert.

Rainer Scharf

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