„Verschwundener“ Gamma-Pulsar wieder aufgespürt
Glitch in der Rotation des jungen Neutronensterns machte ihn für den Fermi-Satelliten unsichtbar.
Reine Gammapulsare lassen sich sehr schwer identifizieren, denn ihre Eigenschaften wie etwa die Rotationsperiode und deren zeitliche Änderung sind unbekannt. Und auch ihre exakte Position am Himmel können die Astronomen aus den ursprünglichen Fermi-Beobachtungen nur näherungsweise bestimmen. Sie müssen daher die Existenz eines Pulsarsignals bei einer Vielzahl von Kombinationen dieser Eigenschaften in einer rechenzeitaufwändigen Blindsuche überprüfen. Eine versteckte Periodizität in den Ankunftszeiten der Gammaphotonen lässt sich so nur mit großem Aufwand aufspüren.
Abb.: Gammapulsare beschleunigen in ihren extrem starken Magnetfeldern geladene Teilchen auf relativistische Geschwindigkeiten. Dabei entsteht unter anderem Gammastrahlung (violett) weit über der Oberfläche des kompakten Sternrests, während Radiowellen (grün) kegelförmig über den Magnetpolen ausgesendet werden. (Bild: NASA, C. de Wilde)
Auch Hochleistungs-Rechnersysteme geraten dabei schnell an ihre Grenzen. Doch die Forscher der MPIs für Gravitationsphysik in Hannover und Radioastronomie in Bonn nutzten ursprünglich zur Analyse von Gravitationswellendaten entwickelte Algorithmen, um die Fermi-Daten besonders effizient zu durchsuchen. So fanden sie neun neue Gammapulsare, die allen vorherigen Suchen entgangen waren (wir berichteten). Nun gelang den Wissenschaftlern mit derselben Methode ein weiterer außergewöhnlicher Fang.
PSR J1838-0537 ist mit einem Alter von 5000 Jahren sehr jung. Er dreht sich rund siebenmal pro Sekunde um die eigene Achse und befindet sich am Himmel in Richtung des Sternbilds Schild. Nach der Entdeckung waren wir sehr überrascht, dass der Pulsar zuerst nur bis September 2009 sichtbar war. Danach schien er plötzlich zu verschwinden.
Erst mit einer aufwändigen Folgeanalyse kam ein internationales Wissenschaftlerteam um Pletsch dem Geheimnis von J1838-0537 auf die Spur: Er verschwand nicht, sondern erfuhr einen Ruck (glitch), nach dem er sich plötzlich um 38 Millionstel Hertz schneller drehte als zuvor. Diese Differenz mag verschwindend klein erscheinen, doch es ist der größte jemals bei einem reinen Gammapulsar gemessene Glitch. Das Blinken des Neutronensterns werde auf diese Weise praktisch unsichtbar. Berücksichtigen die Forscher den Glitch und korrigieren die Rotationsänderung, taucht der Pulsar erneut in den Messdaten auf.
Nach der Entdeckung in den Daten des Fermi-Satelliten richteten die Forscher das Radioteleskop bei Green Bank im US-amerikanischen West Virginia auf die Himmelsposition des Gammapulsars. In einer fast zweistündigen Beobachtung sowie bei der Analyse einer weiteren einstündigen älteren Beobachtung der Quelle fanden sich keine Anzeichen von Pulsationen im Radiobereich: J1838-0537 ist demnach mit großer Wahrscheinlichkeit ein reiner Gammapulsar.
Die genaue Ursache der bei vielen jungen Pulsaren beobachteten Glitches ist bislang unbekannt. Astronomen ziehen Beben der Neutronensternkruste oder Wechselwirkungen des suprafluiden Sterninneren mit der Kruste als mögliche Erklärungen heran.
Auffällige Übereinstimmungen gab es hingegen mit Beobachtungen des High Energy Stereoscopic System (HESS) in Namibia, das nach hochenergetischer Gammastrahlung aus den Tiefen des Alls sucht. Die HESS-Astronomen fanden in einer Durchmusterung nahe J1838-0537 eine ausgedehnte Quelle solcher Strahlung, konnten deren Natur aber bisher nicht klären. Möglicherweise handelt es sich bei der Quelle um einen Pulsarwind-Nebel. HESS soll nun eine dezidierte Beobachtung vornehmen.
MPG / OD