Verzwirbeltes Licht
Erstmals gelingt die Erzeugung von Lichtpulsen mit „innerem Drehmoment“.
Licht besitzt verschiedene Freiheitsgrade; neben Wellenlänge und Polarisation gehört auch der Drehimpuls dazu. In den letzten Jahren sind solche Drehimpuls tragenden OAM-Moden (orbital angular momentum) zunehmend in den Fokus des Interesses gerückt, da sie sich insbesondere dazu eignen, in den immer stärker ausgelasteten globalen Telekommunikationsnetzen für mehr Datenvolumen zu sorgen. Da OAM-Moden unabhängige Freiheitsgrade liefern, ließe sich durch Einsatz helikal verzwirbelter Lichtwellen etwa bei der Satellitenkommunikation der Datendurchsatz bei einer Frequenz vervielfachen. Noch ist allerdings die Sende- und Empfangstechnik zu aufwändig. Zur Manipulation von kleinen Objekten – etwa bei optischen Pinzetten – eignen sich solche Moden jedoch sehr gut.
Es ist aber durchaus möglich, die Verzwirbelung von Photonen noch weiter auf die Spitze zu treiben: Wie Forscher um Carlos Hernández-García von der Universität Salamanca berechnet haben, kann Licht nicht nur einen bestimmten Drehimpuls aufweisen. Lichtpulse können – trotz Erhaltung des Gesamtdrehimpulses – auch ein zeitlich veränderliches elektromagnetisches Feld aufweisen, bei dem sich Anfang und Ende des Lichtpulses in ihrem Drehimpuls deutlich unterscheiden. Den Wissenschaftlern gelang es nun erstmals, solche Lichtpulse mit einem „inneren Drehmoment“ zu erzeugen.
Die Herangehensweise war ursprünglich motiviert durch die Theorie optischer Wechselwirkungen. Wie die Wissenschaftler anhand von Simulationen feststellten, sollten sich auch Lichtstrahlen mit innerem Drehmoment herstellen lassen, die einen zeitlich über die Pulslänge variierenden Drehimpuls besitzen. Wenn ein solcher Lichtpuls erst einmal erzeugt ist, bleibt das innere Drehmoment als strukturelle Eigenschaft dieses Lichtpulses erhalten, während er sich frei im Raum fortpflanzt.
Die Idee zur Umsetzung bestand darin, intensive Infrarot-Laserpulse unterschiedlicher Helizität über die Erzeugung hoher Harmonischer so miteinander zu kombinieren, dass der resultierende Laserpuls im extremen Ultraviolett eine vielfältige Drehimpuls-Struktur aufwies. Die Versuche hierzu fanden am Joint Institute for Laboratory Astrophysics der University of Colorado und des National Institute of Standards and Technology statt.
Als Ausgangsstrahl wählten die Forscher zwei linear polarisierte Infrarotpulse von 790 Nanometern Wellenlänge, von denen einer den ersten erlaubten Drehimpuls-Quantenzustand aufwies, der andere den zweiten. Diese kolinearen Pulse wurden mit variablem zeitlichem Versatz so auf ein atomares Gas fokussiert, dass die transversale Intensitätsverteilung einen möglichst großen Überlapp erzielte. Hierzu mussten die einige Dutzend Femtosekunden langen Pulse über die gesamte Pulsdauer auf ein Ziel von einigen Mikrometern Durchmesser fokussiert werden, wozu die Forscher ein eigens entwickeltes Stabilisierungssystem konstruierten. Auf diese Weise konnten die Forscher hohe Harmonische bis hin zum Faktor 25 der Ursprungspulse erzielen, die im extremen Ultraviolett liegen. Da sich bei diesem Prozess auch der Drehimpuls multipliziert, wiesen etwa die 17. Harmonischen nun Drehimpuls-Quantenzahlen von 17 bis 34 auf. Im Prinzip lassen sich mit stärkeren Ausgangspulse auch noch deutlich höhere hohe Harmonische erreichen.
Dabei macht es einen entscheidenden Unterschied, ob einfach nur zwei helikale Lichtpulse zeitlich überlagert werden oder ob ein einzelner Puls mit innerem Drehmoment erzeugt wird. Nur im letzten Fall enthält der Gesamtpuls auch physikalische Photonen mit Drehimpulsen, die zwischen den beiden Extremwerten liegen, also im mittleren Bereich des Pulses etwa Drehimpuls-Quantenzahlen um die 25. Im ersten Fall weist der Puls einfach nur beide Werte auf, die im zeitlichen Verlauf variieren.
Zum Nachweis der besonderen inneren Struktur dieser Lichtpulse schickten die Wissenschaftler den entstandenen XUV-Puls auf ein Gitter und maßen dann den azimutalen Frequenzverlauf mit Hilfe eines UV-Spektrometers. Da die Frequenz derartiger Pulse einen gewissen „Chirp“ entlang der Azimut-Koordinate aufweist, konnten die Forscher über die Form dieses Chirp auch die Drehimpuls-Struktur bestimmen. „Wie wir messen konnten, trägt der Puls eine Abfolge von aufeinanderfolgenden Drehimpuls-Werten entlang seines zeitlichen Verlaufs“, sagt Laura Rego von der Universität Salamanca, Erstautorin der Studie.
Dies ist die erste Demonstration von Lichtpulsen, die eine solche innere Struktur besitzen. In welchen Bereichen sie künftig zum Einsatz kommen könnten, ist deshalb noch nicht ganz klar. In Anbetracht der Tatsache, dass OAM-Pulse in so unterschiedlichen Gebieten wie Lichtpinzetten, quantenoptischer Verschränkung oder Telekommunikation zum Einsatz kommen, darf man aber auf kommende Anwendungen gespannt bleiben. Die Forscher rechnen insbesondere damit, dass sich solche Pulse zur Untersuchung magnetischer Materialien eignen sollten, da sie einen breiten Drehimpuls-Bereich abdecken und so bei der Aufschlüsselung von magnetischer Dynamik helfen können.
Dirk Eidemüller
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
L. Rego et al.: Generation of extreme-ultraviolet beams with time-varying orbital angular momentum, Science 364, eaaw9486 (2019); DOI: 10.1126/science.aaw9486 - Arbeitsgruppe „Aplicaciones del Láser y Fotónica“, Universität Salamanca, Salamanca, Spanien
Weitere Beiträge
- A. M. Yao & M. J. Padgett: Orbital angular momentum: origins, behavior and applications, Adv. Opt. Phot. 3, 161 (2011); DOI: 10.1364/AOP.3.000161
- D. Eidemüller: Mehr Bits im Kanal, pro-physik.de, 15. Juni 2012
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