08.09.2021

Vibrationsarmes Quantenmikroskop

Kühlung per adiabatischer Entmagnetisierung ermöglicht extrem rauscharmes Rastertunnelmikroskop-

Sie bilden Materialien mit atomarer Präzision ab und sind vielseitig einsetzbar: Raster­tunnel­mikroskope sind sehr nützlich, um die Welt des Nanokosmos zu erkunden. Physiker des Forschungs­zentrums Jülich haben ein solches Gerät nun für die Erforschung von Quanten­effekten optimiert. Ihr Raster­tunnel­mikroskop kommt dank Magnet­kühlung ohne bewegliche Teile aus und arbeitet bei extrem tiefen Temperaturen von bis zu 30 Millikelvin nahezu vibrationsfrei. Das Instrument kann künftig dabei helfen, die ungewöhnlichen Eigenschaften von Quanten­materialien zu erschließen, die für die Entwicklung von Quanten­computern und -sensoren von entscheidender Bedeutung sind.

 

Abb.: Einzelnes Molekül wurde mithilfe des Mikroskops gelöst. Bei...
Abb.: Einzelnes Molekül wurde mithilfe des Mikroskops gelöst. Bei Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt stört kein Rauschen die Aufnahme. (Bild: T. Esat, R. Temirov, FZJ)

Thermische Fluktuationen sind bei sehr tiefen Temperaturen auf ein Minimum reduziert. Die Gesetze der Quanten­physik kommen ins Spiel und lassen besondere Eigenschaften von Materialien zutage treten. Elektrischer Strom fließt dann verlustfrei ohne jeden Widerstand. Ein anderes Beispiel ist die Suprafluidität: Einzelne Atome verschmelzen zu einem kollektiven Zustand und bewegen sich reibungsfrei aneinander vorbei.

Solche extrem tiefen Temperaturen sind auch die notwendige Voraussetzung, um Quanteneffekte für das Quanten­computing zu erforschen und nutzbar zu machen. Forscher weltweit wie auch am Forschungs­zentrum Jülich verfolgen dieses Ziel derzeit mit Hochdruck. Quantenrechner könnten konventionellen Super­rechnern bei bestimmten Aufgaben haushoch überlegen sein. Doch die Entwicklung steht noch ganz am Anfang. Eine zentrale Herausforderung ist die Suche nach Materialien und Prozessen, die komplexe Architekturen mit stabilen Quantenbits möglich machen.

„Ich glaube, ein vielseitiges Mikroskop wie unseres ist das Mittel der Wahl für diese faszinierende Aufgabe, weil es die Abbildung und Manipulation von Materie auf der Ebene einzelner Atome und Moleküle auf vielfältige Art und Weise ermöglicht“, erklärt Ruslan Temirov vom Forschungs­zentrum Jülich.

In jahrelanger Arbeit hat er zu diesem Zweck zusammen mit seinem Team ein Rastertunnel­mikroskop mit einer Magnetkühlung ausgestattet. „Unser neues Mikroskop unterscheidet sich von allen anderen in ähnlicher Weise, wie sich ein Elektroauto von einem Verbrenner unterscheidet“, erläutert der Jülicher Physiker. Bislang setzte man auf eine Art Flüssigtreibstoff, eine Mischung aus zwei Helium-Isotopen, um Mikroskope auf derart niedrige Temperaturen zu bringen. „Im Betrieb zirkuliert diese Kühlmischung fortwährend durch dünne Rohre, was zu einem erhöhten Grundrauschen führt“, so Temirov.

Die Kühlvorrichtung des Jülicher Mikroskops beruht dagegen auf dem Verfahren der adiabatischen Entmagnetisierung. Das Prinzip ist nicht neu. Es wurde bereits in den 1930er Jahren eingesetzt, um im Labor erstmalig Temperaturen unterhalb von einem Kelvin zu realisieren. „Zur Kühlung des Geräts ändern wir nur die Stärke des elektrischen Stroms, der durch eine elektro­magnetische Spule fließt. Unser Mikroskop kommt daher ohne bewegliche Teile aus, und arbeitet praktisch vibrationsfrei“, berichtet Ruslan Temirov.

Die Jülicher sind die Ersten, die ein Rastertunnel­mikroskop mit dieser Technik konstruiert haben. „Die neue Kühltechnik weist in der Praxis mehrere Vorzüge auf. Nicht nur die Abbildungs­qualität profitiert davon, auch die Bedienung des Geräts und der gesamte Aufbau vereinfachen sich“, sagt Instituts­leiter Stefan Tautz. Das Jülicher Quantenmikroskop sei mit seinem modularen Design zudem offen für technische Fortschritte, da sich Upgrades einfach realisieren lassen. „Die adiabatische Kühlung ist für die Rastertunnel­mikroskopie ein echter Quantensprung. Die Vorteile sind so signifikant, dass wir im nächsten Schritt nun einen kommerziellen Prototyp entwickeln“, erklärt Tautz. Quanten­technologien stehen aktuell im Fokus der Forschung. Das Interesse zahlreicher Forschungs­gruppen an einem solchen Instrument dürfte also sicher sein.

FZJ / DE

 

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