05.03.2015

Vierfache Supernova

„Einstein-Kreuz“ eines explodierten Sterns auf Hubble-Aufnahme ausgemacht.

Gravitationslinsen sind seit Jahrzehnten ein bekanntes astronomisches Phänomen: Galaxien und Galaxienhaufen wirken mit ihrer Schwerkraft auf das Licht weiter entfernter Galaxien und Quasare und erzeugen so Mehrfachbilder und zu langen Bögen auseinander gezogene Bilder dieser Objekte. Das Phänomen lässt sich als Werkzeug einsetzen, um die Massenverteilung in den Gravitationslinsen und sogar kosmologische Parameter zu bestimmen.

Abb.: Die vier Bilder einer fernen Supernova, gruppiert um eine elliptische Galaxie in einem davor liegenden Galaxienhaufen (Bild: NASA / ESA)

Bei den ersten Überlegungen zu diesem Thema hatten die Forscher als Strahlungsquellen aber noch nicht Quasare und Galaxien im Auge, sondern Sterne. Der norwegische Astrophysiker Sjur Refsdal zeigte 1964, wie sich die durch eine Gravitationslinse erzeugten Mehrfachbilder einer Supernova nutzen lassen, um die Expansion des Kosmos zu messen. Entscheidend für diese Methode sind die unterschiedlichen Lichtwege der Bilder: Sie führen dazu, dass intrinsische Veränderungen in der Strahlungsintensität der Quelle in den Bildern zu verschiedenen Zeiten erscheinen.

Die Methode hat inzwischen durchaus Anwendung gefunden, allerdings mit Quasaren als Quellen – denn Mehrfachbilder von Supernovae fehlten bislang in der Sammlung der Astronomen. Das hat sich nun geändert. Im November vergangenen Jahres stieß ein internationales Forscherteam um Patrick Kelly von der University of California in Berkeley auf vom Hubble Space Telescope gelieferten Bildern des Galaxienhaufens MACS J1149.5+2223 auf vier Bilder einer Supernova in einer weit dahinter liegenden Spiralgalaxie.

MACS J1149.5+2223 besitzt eine Rotverschiebung von 0,54, entsprechend einem Lichtweg von etwa fünf Milliarden Lichtjahren, und ist seit langem als starke Gravitationslinse bekannt. Unter anderem produziert der Haufen das am stärksten auseinander gezogene Bild einer Spiralgalaxie im Hintergrund, das die Forscher bislang kennen. Die Rotverschiebung dieser Galaxie beträgt 1,49, ihr Licht benötigt demnach 9,3 Milliarden Jahre zu uns. Eben in dieser Spiralgalaxie fanden Kelly und seine Kollegen die Vierfach-Supernova. Die Bilder gruppieren sich als „Einstein-Kreuz“ um eine große elliptische Galaxie des Galaxienhaufens herum.

Die gemeinsame Linsenwirkung des Haufens und der elliptischen Galaxie verstärken das Licht der fernen Supernova um das Zwanzigfache – sonst wäre sie in dieser Entfernung selbst mit dem Hubble-Teleskop nicht sichtbar. Durch die Zeitdifferenzen sind die Bilder der Supernova nicht gleichzeitig, sondern nacheinander aufgetaucht, das erste vermutlich bereits vor fünfzig Jahren. Kelly und seine Kollegen bedauern, dass sie dieses sukzessive Aufleuchten nicht beobachten konnten, da die zeitlichen Differenzen wertvolle Informationen über die Materieverteilung in dem Galaxienhaufen und über die Expansion des Kosmos liefern können.

Modellrechnungen zeigen aber, dass innerhalb der nächsten Jahre irgendwo in dem Galaxienhaufen noch ein weiteres Bild der Supernova auftauchen sollte. Die genaue Position des Bildes und der Zeitpunkt seines Erscheinens hängen dabei stark von der Verteilung der dunklen Materie in dem Galaxienhaufen ab. Kelly und seine Kollegen suchen außerdem nach Veränderungen im Licht der Supernova, die ebenfalls nacheinander in den Bildern auftauchen sollten. Auch damit könnten die Forscher dann die zeitlichen Differenzen zwischen den Bildern ermitteln und so weitere Informationen über die dunkle Materie in MACS J1149.5+2223 erhalten.

Rainer Kayser

OD

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