12.02.2016

Viskose Elektronen in Graphen

Ladungsträger bilden Wirbel in extrem dünnen Kohlen­stoff­schichten – An­zei­chen für lokal ne­ga­tiven elek­trischen Wider­stand.

Graphen ist ein hervorragender elektrischer Leiter. Verant­wort­lich dafür ist die als ballis­tisch beschriebene Bewegung der Elek­tronen. Doch damit lässt sich das Verhalten der Ladungs­träger nicht voll­ständig erklären, wie nun eine Forscher­gruppe um Nobel­preis­träger Andre Geim an der Univer­sity of Manchester entdeckte. Die Wissen­schaftler fanden Hinweise darauf, dass sich die Elek­tronen auch stark viskos verhalten können – ein Phänomen, das lokal begrenzt sogar zu einem nega­tiven elek­trischen Wider­stand führt.

Abb.: In hauchdünnen Graphenschichten formen Elektronen Wirbelstrukturen, die eine Rolle für einen lokal negativen elektrischen Widerstand spielen (künstlerische Illustration, Bild: A. Geim, U. Manchester)

„Nun müssen wir hart darüber nachdenken, wie sich eine ballis­tische Bewegung von Elek­tronen mit dem neuen Effekt eines kollek­tiven Verhaltens in Über­ein­stimmung bringen lässt“, sagt Andre Geim. Zusammen mit Kollegen aus Italien und den Nieder­landen umhüllte er ein- und zwei­lagige Graphen­schichten mit Bor­nitrid-Kristallen. Auf der Graphen­schicht depo­nierten die Forscher winzige Kontakte, um den Spannungs­verlauf im Material messen zu können. Dieser Stapel wurde mit flüssigem Stick­stoff auf Tempera­turen von etwa 150 Kelvin abge­kühlt und über fili­grane Elek­troden an einen Strom­kreis­lauf ange­schlossen.

In unmittelbarer Nähe zum Elektrodenkontakt von etwa einem Mikro­meter beob­achteten die Wissen­schaftler einen über­raschenden Spannungs­verlauf. Sowohl positive Spannungen entlang des konven­tionellen Strom­flusses als auch negative in entgegen­gesetzter Richtung ließen sich messen. Für eine Erklärung entwarfen Geim und Kollegen ein hydro­dyna­misches Modell für die Bewegung der Elek­tronen. So lassen sich die negativen Spannungen, die nach dem ohm­schen Gesetz einem negativen elek­trischen Wider­stand ent­sprechen, mit einer Wirbel­struktur der Elek­tronen erklären.

Mit diesem Experiment wird deutlich, dass die ballis­tische Bewegung von Elek­tronen in Graphen die elek­tro­nischen Eigen­schaften der zwei­dimen­sionalen Kohlen­stoff­schichten nicht voll­ständig erklären kann. Bei tiefen Tempera­turen treten offen­bar zusätz­liche Phänomene auf, die sich gut mit einem hydro­dyna­mischen Modell und Elek­tronen, die sich wie eine viskose Fermi-Flüssig­keit verhalten, erklären lassen. In weiteren Versuchen etwa mit hoch­auf­lösenden Raster­sonden-Mikro­skopen wollen die Forscher nun die Phänomene einer auf Elek­tronen basie­renden Hydro­dynamik genauer unter­suchen.

Jan Oliver Löfken

RK

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