Viskose Elektronen in Graphen
Ladungsträger bilden Wirbel in extrem dünnen Kohlenstoffschichten – Anzeichen für lokal negativen elektrischen Widerstand.
Graphen ist ein hervorragender elektrischer Leiter. Verantwortlich dafür ist die als ballistisch beschriebene Bewegung der Elektronen. Doch damit lässt sich das Verhalten der Ladungsträger nicht vollständig erklären, wie nun eine Forschergruppe um Nobelpreisträger Andre Geim an der University of Manchester entdeckte. Die Wissenschaftler fanden Hinweise darauf, dass sich die Elektronen auch stark viskos verhalten können – ein Phänomen, das lokal begrenzt sogar zu einem negativen elektrischen Widerstand führt.
Abb.: In hauchdünnen Graphenschichten formen Elektronen Wirbelstrukturen, die eine Rolle für einen lokal negativen elektrischen Widerstand spielen (künstlerische Illustration, Bild: A. Geim, U. Manchester)
„Nun müssen wir hart darüber nachdenken, wie sich eine ballistische Bewegung von Elektronen mit dem neuen Effekt eines kollektiven Verhaltens in Übereinstimmung bringen lässt“, sagt Andre Geim. Zusammen mit Kollegen aus Italien und den Niederlanden umhüllte er ein- und zweilagige Graphenschichten mit Bornitrid-Kristallen. Auf der Graphenschicht deponierten die Forscher winzige Kontakte, um den Spannungsverlauf im Material messen zu können. Dieser Stapel wurde mit flüssigem Stickstoff auf Temperaturen von etwa 150 Kelvin abgekühlt und über filigrane Elektroden an einen Stromkreislauf angeschlossen.
In unmittelbarer Nähe zum Elektrodenkontakt von etwa einem Mikrometer beobachteten die Wissenschaftler einen überraschenden Spannungsverlauf. Sowohl positive Spannungen entlang des konventionellen Stromflusses als auch negative in entgegengesetzter Richtung ließen sich messen. Für eine Erklärung entwarfen Geim und Kollegen ein hydrodynamisches Modell für die Bewegung der Elektronen. So lassen sich die negativen Spannungen, die nach dem ohmschen Gesetz einem negativen elektrischen Widerstand entsprechen, mit einer Wirbelstruktur der Elektronen erklären.
Mit diesem Experiment wird deutlich, dass die ballistische Bewegung von Elektronen in Graphen die elektronischen Eigenschaften der zweidimensionalen Kohlenstoffschichten nicht vollständig erklären kann. Bei tiefen Temperaturen treten offenbar zusätzliche Phänomene auf, die sich gut mit einem hydrodynamischen Modell und Elektronen, die sich wie eine viskose Fermi-Flüssigkeit verhalten, erklären lassen. In weiteren Versuchen etwa mit hochauflösenden Rastersonden-Mikroskopen wollen die Forscher nun die Phänomene einer auf Elektronen basierenden Hydrodynamik genauer untersuchen.
Jan Oliver Löfken
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RK