20.04.2016

Vom Bläschen zum Vulkanausbruch

Aufstieg von Gasblasen in magmatischer Schmelze zeigt unerwartetes Verhalten.

Vulkanologen interessieren sich für Dampfblasen, weil sich diese in einer Magma­kammer unter einem Vulkan anreichern und ihn für einen Ausbruch scharf­machen. Forscher der ETH Zürich und des Georgia Institute of Technology haben nun heraus­gefunden, wie sich Blasen in der Magma anreichern können. Im Jahr 1816 blieb in Mittel­europa der Sommer aus. Die Menschen litten Hunger. Ein Jahr zuvor war in Indonesien der Vulkan Tambora ausgebrochen. Er schleuderte große Mengen Asche und Schwefel in die Atmosphäre. Diese Partikel blockierten das Sonnenlicht und kühlten dadurch das Klima. Dies wirkte sich auch in der Schweiz gravierend auf Land und Leute aus.

Abb.: Simulation des Aufstiegs von Blasen in kristallreicher Magma (blaue Schicht) und in kristallarmer Umgebung. (Bild: ETH Zürich / A. Parmigiani)

Vulkanologen haben mittlerweile eine ziemlich genaue Vorstellung davon, weshalb Super­vulkane wie der Tambora nicht nur sehr explosiv sind, sondern auch weshalb sie so viel Schwefel freisetzen: In der obersten Schicht einer Magma­kammer, die nur wenige Kilometer tief unter der Erd­oberfläche liegt, können sich Gas­blasen anreichern. Dadurch baut sich Druck auf, der sich durch den Vulkan­ausbruch schlagartig abbaut. In diesen Blasen ist vor allem Wasser­dampf eingeschlossen, aber auch Schwefel.

„Solche Ausbrüche von Vulkanen können gewaltig sein, und sie fördern enorm viel Asche und Schwefel an die Ober­fläche und in die Atmosphäre”, sagt Andrea Parmigiani, Postdoc am Institut für Geo­chemie und Petrologie der ETH Zürich. „Wir wissen zwar schon länger, dass Gasblasen dabei eine grosse Rolle spielen, wie sich diese jedoch in Magma­kammern anreichern, darüber konnten wir bisher nur spekulieren.”

Der Forscher hat deshalb mit weiteren Wissenschaftlern der ETH Zürich und des Georgia Institute of Technology (Georgia Tech) das Verhalten der Bläschen mit einem Computer­modell studiert. Die Wissenschaftler haben theoretische Berechnungen und Labor­experimente angestellt und dabei insbesondere untersucht, wie sich Blasen in kristall­reichen und kristall­armen Schichten der Magma­kammer nach oben bewegen. In vielen Vulkan­systemen besteht die Magma­kammer zur Haupt­sache aus zwei Zonen: Eine obere Schicht, bestehend aus zäh­flüssiger kristall­armer Schmelze, und eine untere, die reich ist an Kristallen und Poren.

Abb.: Die Zonierung der Magmakammer beeinflusst den Aufstieg von Gasblasen. Die gelbe Schicht ist kristallarm, die braunrote Zone hingegen kristall- und porenreich. (Bild: A. Parmigiani et al.)

Zu Beginn des Projekts gingen Parmigiani sowie Christian Huber vom Georgia Tech und Olivier Bachmann von der ETH davon aus, dass der Aufstieg der Blasen in kristallreichen Zonen des Magma­reservoirs stark verlangsamt wird. In kristallarmen Bereichen jedoch sollten die Blasen schneller aufsteigen. „Statt­dessen haben wir herausgefunden, dass Blasen in kristall­reichen Zonen schneller aufsteigen, wenn gleichzeitig auch der Anteil an flüchtigen Stoffe hoch ist. Sie reichern sich hingegen in darüber liegenden, schmelzen­reichen Abschnitten der Magma­kammer an”, sagt Parmigiani.

Er erklärt dies so: Nimmt der Anteil an Blasen in den Poren der kristall­reichen Schicht zu, verschmelzen einzelne kleine Blasen zu finger­artigen Kanälen. Diese nehmen Fahrt auf und verdrängen dabei im Porenraum vorhandene hoch viskose Schmelze. Diese finger­artigen Kanäle ermöglichen es dem darin enthaltenen Gas, schneller aufzusteigen. Die Blasen müssen dazu allerdings mindestens zehn bis fünfzehn Prozent des Poren­raums ausfüllen. „Können sich diese Dampfkanäle nicht bilden, bleiben Einzel­blasen mechanisch gefangen”, sagt der Forscher.

Gelangen die fingerartigen Kanäle an die Grenze zur kristall­armen Schmelze lösen sich kugelige Einzelblasen ab. Diese steigen zwar weiter zur Oberfläche auf, ihre Wander­geschwindigkeit verringert sich jedoch, je mehr Blasen am Aufsteigen sind. Der Grund: Jede Blase schiebt eine Bugwelle zäh­flüssiger Schmelze vor sich her und drückt diese beiseite. Gelangt die benachbarte Blase in den Bereich dieses rückwärts gerichteten Schmelzen­flusses, wird sie gebremst.

Diesen Vorgang konnten Parmigianis Kollegen Salah Faroughi und Christian Huber mit einem Labor-Experiment am Georgia Tech aufzeigen. Sie verwendeten dazu Wasser­blasen, die in einer zähflüssigen Silikon­lösung aufsteigen. „Durch diesen Mechanismus können sich sehr viele Gasblasen in der kristall­armen Schmelze unter dem Dach der Magma­kammer anreichern. Das führt schließlich zu einem Überdruck in der Kammer», sagt Parmigiani. Und weil die Blasen auch Schwefel enthalten, werde dieser mit­angereichert. So könne man erklären, weshalb ein solcher Vulkan mehr Schwefel ausstoße, als aufgrund der Gesteins­zusammen­setzung zu erwarten sei.

Was dies für die Explosivität eines bestimmten Vulkans bedeutet, ist allerdings noch unklar. „Diese Studie konzentriert sich auf die Grundlagen des Gasflusses in einer Magma­kammer. Einen direkte praktische Anwendung wie die Voraussage des Verhaltens eines Vulkans bleibt Gegenstand zukünftiger Forschung”, sagt der Forscher.

Computermodelle bilden nicht die ganze Magma­kammer ab, sondern nur einen winzigen Ausschnitt davon; einen Quader von wenigen Kubik­zentimetern, der eine scharfe Grenze zwischen kristall­armer und kristall­reicher Schicht aufweist. Nur schon um dieses kleine Volumen zu berechnen, benutzte Parmigiani Hoch­leistungs­rechner wie den Euler-Cluster an der ETH Zürich und einen Supercomputer am Nationalen Hoch­leistungs­rechen­zentrum CSCS in Lugano. Die Software, die Parmigiani verwendete, stammt aus der Open-Source-Bibliothek Palabos, die er in Zusammen­arbeit mit Forschern der Universität Genf weiterentwickelt. „Diese Software ist für diese Art von Simulationen besonders geeignet”, sagt der Physiker.

ETH Zürich / DE

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