Vom Tröpfchen zum Thrombozyten
Physikalischer Mechanismus bei der Bildung von 100 Milliarden Blutplättchen pro Tag entdeckt.
Blutplättchen, auch Thrombozyten genannt, sind lebenswichtige Zellen mit einem Durchmesser zwischen 1,5 und drei Mikrometern. Sie haben die Aufgabe, Verletzungen der Blutgefäße möglichst schnell wieder abzudichten. Ständig patrouillieren sie durch die Blutbahn, um sofort auf undichte Stellen reagieren zu können. Damit die hierfür erforderliche hohe Zahl von Blutplättchen jederzeit zur Verfügung steht, reichen die biologischen Fähigkeiten des Organismus alleine nicht aus. Er benötigt die Unterstützung durch einen besonders effizienten physikalischen Mechanismus. Diesen Mechanismus hat jetzt ein Bayreuther Forschungsteam um Stephan Gekle zusammen mit Partnern am Universitätsklinikum Würzburg entdeckt.
Die Blutplättchen entstehen in den Blutgefäßen aus speziellen Zellen, die im Knochenmark lokalisiert sind und von dort dünne fingerartige Strukturen in die Blutbahn ausstrecken. Danach verhält es sich ähnlich wie bei einem Wasserhahn: So wie ein dünner Wasserstrahl durch die Oberflächenspannung in einzelne Tröpfchen zerfällt, so zerbrechen die fingerartigen Strukturen in einzelne Tröpfchen. Aus jedem dieser Tröpfchen entsteht dann ein neues Blutplättchen. „Mit Computersimulationen ist es möglich, diese Prozesse detailgenau nachzuvollziehen und sichtbar zu machen. Diese Grundlagenforschung hat für die Medizin einen praktischen Nutzwert – insbesondere wenn es um die Optimierung von Bioreaktoren geht, die heute für die künstliche Herstellung von Thrombozyten verwendet werden“, sagt Gekle, der an der Universität Bayreuth an der Simulation und Modellierung von Biofluiden arbeitet.
Das Interesse für biologisch-medizinische Fragen, verbunden mit großskaligen Computersimulationen, hat in der Bayreuther Physik Tradition. Christian Bächer, Doktorand und Absolvent des Bayreuther Studienprogramms „Biological Physics“, ist seit seinem Bachelor-Studium in Bayreuth davon begeistert, wie modernste IT-Technik physikalische und biologische Forschung verknüpft. „Es ist immer wieder faszinierend, wie auf den ersten Blick unglaublich kompliziert scheinende Vorgänge in Lebewesen oft aufgrund einfacher physikalischer Prinzipien verstanden werden können“, sagt Bächer.
U. Bayreuth / JOL