02.01.2014

Von kosmischen Wasserspeiern und extrasolaren Staubschleudern

Jahresrückblick 2013: Viel Neues vom äußeren Erdkern, der Klimageschichte des Mars, den Monden des Sonnensystems und exotischen Exoplaneten.

Die Erde ist unter allen Planeten wohl am besten erkundet. Trotzdem gibt es tief in ihrem Innern noch immer Wissenslücken. Dazu gehört ein zwanzig Jahre altes Rätsel des Erdkerns: In seinem äußeren Teil steigen ständig gewaltige Mengen flüssigen Eisens bis zum Rand des Erdmantels auf, der deutlich kühler und fest ist. Die Kerntemperatur war bislang aber mit 5000 Grad Celsius zu niedrig angesetzt, um das dort entstehende irdische Magnetfeld völlig zu erklären. Forscher zeigten nun, dass es im flüssigen Erdkern tatsächlich bis zu 6000 Grad Celsius heiß ist. Der Temperaturunterschied zum darüber liegenden festen Erdmantel ist somit 1000 Kelvin größer als bislang gedacht.

Abb.: Die Schichten im Erdinnern und ihre typischen Temperaturen: Erdkruste, oberer und unterer Mantel (Bild: ESRF)

Wissenslücken gab es bisher auch in der Asthenosphäre: Dies ist eine dünne Schmierschicht aus teilweise flüssigem Gestein, auf der sich die tektonischen Platten bewegen. Forscher waren bislang überzeugt, dass bei der Plattentektonik Wasser im Gestein eine entscheidende Rolle spielt. Zumindest im häufigsten Mantelmineral – dem Olivin – scheint Wasser aber gar nicht als Schmiermittel zu taugen. Denn im Laborexperiment wirkte es sich nicht auf die Festigkeit des olivinhaltigen Gesteins aus. Die Rolle von Wasser im Erdmantel könnte daher zukünftig überdacht werden. Unter den über fünfzig bekannten Platten gab es im Jahr 2013 sogar einen Neuzugang: Wissenschaftler fanden unter den Inselgruppen Réunion und Mauritius das versunkene Fragment eines Kontinents: Es trennt sich wohl vor sechzig Millionen Jahren vom Festland und wurde auf hoher See bald von gewaltigen Lavamengen bedeckt.

Der erdnahe Weltraum ist derzeit besonders im Fokus von Geophysikern. Schon seit über 13 Jahren untersucht die europäische Mission Cluster das komplexe Wechselspiel von irdischem Magnetfeld und dem Sonnenwind. Einer der vier Cluster-Satelliten konnte jetzt beobachten, dass sich die Magnetosphäre rasant verändern kann. Dabei werden Elektronen stark beschleunigt, indem sich die Feldlinien bei einer sogenannten magnetischen Rekonnexion in Sekundenschnell neu anordnen. Einer ganzen Konstellation US-amerikanischer Satelliten gelang es zusätzlich, den großräumigen Verlauf einer solchen Rekonnexion zu beobachten.

Wenn der Sonnenwind besonders stark ist, verändert sich die irdische Ionosphäre großskalig. Die amerikanische Doppelsonde der Van Allen Probes entdeckte im Herbst 2012 einen kurzfristigen dritten Strahlungsgürtel, der mittlerweile auch durch ein Modell erklärt werden konnte: Demnach gelangen die Elektronen dann in den sonnenabgewandten Plasmaschweif der Erde, wo sie in Wellen zu oszillieren beginnen und sogar auf relativistische Geschwindigkeiten gebracht werden können.

Die Rolle des Erdmagnetfelds bleibt in diesem Spiel eine große Unbekannte, da es seit Jahrzehnten schwächer wird und die magnetischen Pole schnell wandern. Außerdem gibt es im Feld über lange Zeiträume periodische Schwankungen. Sie entstehen irgendwo an der Grenze des äußeren Erdkerns und konnten bislang nur ansatzweise durch ein neuartiges Modell erklärt werden. Daher wird es in den kommenden Jahren von einer neuen Mission der Europäischen Raumfahragentur (ESA) noch genauer untersucht: Die drei SWARM-Satelliten starteten im November und sollen im kommenden Jahr zeitliche und räumliche Veränderungen des Magnetfelds aus einem niedrigen Orbit beobachten.

Der rote Nachbar

Der Mars war aufgrund diverser aktiver Raumsonden besonders im Blickfeld der Planetologen. Das frühste Kapitel der planetaren Geschichte unseres Nachbarn offenbarte sich allerdings an unerwarteter Stelle: In einem Marsmeteoriten aus der Sahara entdeckten Mineralogen 4,23 Milliarden Jahre alte Zirkon-Kristalle. Sie hatten sich also gebildet, als der Rote Planet gerade einmal 100 Millionen Jahre alt war. Allein die Existenz eines recht differenzierten Gesteins aus dieser Zeit deuten die Forscher als Indiz dafür, dass aus dem jungen Mars viele flüchtige Bestandteile an seine Oberfläche entwichen und hier eine Zeitlang eine feuchte Oberfläche möglich machten. Das bestätigt auch die bislang wohl größte Entdeckung des neusten Rovers der NASA: Curiosity fand in alten Tonsteinen 3,9 Milliarden Jahre alte Hinweise auf einen ehemaligen See.

Abb.: Der Marssee bestand vor über 3,9 Milliarden Jahren und war rund 5 mal 50 Kilometer groß. Er wurde vom Rand des Gale-Kraters gespeist. (schwarze Pfeile; Bild: NASA)

Sein Wasser dürfte pH-neutral und damit lebensfreundlich gewesen sein. Damit lieferte der Rover ein weiteres Indiz für eine dichtere Atmophäre in der Jungzeit des Roten Planeten, als deren Luftdruck noch flüssiges Oberflächenwasser zuließ. In der jüngeren Marsgeschichte war die Atmosphäre aber wohl zu dünn, um Wasser dauerhaft fließfähig zu halten. Dennoch gibt es auch aus diesen Zeiten Hinweise auf episodische Fluten, die vermutlich von lokalen Vulkanausbrüchen und geothermisch gewärmten Gesteinen begünstigt waren.

Schon länger wissen die Planetologen, dass selbst auf dem heute tot wirkenden Mars dynamische Prozesse ablaufen: Eiswolken lassen etwa die Temperatur über einen Marstag zweimal auf einen Höchstwert ansteigen. Im Winter fällt aus diesen Eiswolken im Bereich der nördlichen Polkappe feiner Schnee aus Kohlenstoffdioxid. Dieser Niederschlag lässt sich anhand eines neuen Wettermodells nun über Wochen vorhersagen, was vielleicht helfen könnte, die Mission neuer Landesonden in den Norden besser zu planen.

Völlig unverstanden bleibt dagegen die Quelle für das atmosphärische Methan, das bislang nur spektroskopisch aus dem Marsorbit gemessen wurde. Methan entweicht auf der Erde aus vulkanischen und biologischen Quellen. Die genauen Analyseinstrumente des Rovers Curiosity erschnüffelten das Gas aber bisher überhaupt nicht - und konnten somit auch nicht helfen, die Quelle aufzuspüren. Das Rätsel könnte vielleicht durch den Maven-Orbiter gelüftet werden, der sich auf die Zusammensetzung der Atmosphäre konzentrieren wird. Die NASA-Sonde brach im November 2013 zum Mars auf und wird im September 2014 dort eintreffen.

Planeten, Monde und ein Asteroid, der keiner war

Abgesehen von Erde und Mars war es ein ruhiges Jahr für die Planetenforschung. Bahnbrechend waren vor allem Ergebnisse der NASA-Raumsonde Messenger vom Merkur: Analysen der Kraterlandschaften ermöglichten es, das Alter seiner Planetenoberfläche zu bestimmen. Sie ist mit über vier Milliarden Jahren jünger als geglaubt. Damals hatten vermutlich massive Meteoriteneinschläge und dadurch ausgeflossene Lava die Oberfläche global umgestaltet. Auf der Venus fanden Forscher einen Plasmaschweif, der weit ins All hinausreicht. Die Raumsonde Venus Express entdeckte die ausgedehnte Ionosphäre, als sich der Sonnenwind gerade in einer Ruhephase befand.

Besonders die kleineren Körper des Sonnensystems sorgten dieses Jahr für Neuigkeiten. Dazu gehört zunächst Komet 67P/Tschurjumow-Gerasimenko, der ab Mai 2014 Besuch von der europäischen Raumsonde Rosetta erhält. Jahrelange Beobachtungen und Modellrechnungen zeigten, dass der Kometenkern aufgrund seiner wachsenden Nähe zur Sonne schon vor Rosettas Ankunft zunehmend aktiv werden wird.

Neuigkeiten gab es auch vom Objekt P/2013 P5: Es umkreist den Hauptgürtel zwischen Mars und Jupiter wie ein gewöhnlicher Asteroid, bildet aber immer wieder einen kometenartigen Schweif aus. Neue Beobachtungen mit dem Hubble-Teleskop zeigten nun, dass P/2013 P5 ein Asteroid ist, der durch den Strahlungsdruck der Sonne ungewöhnlich schnell rotiert. Dabei verliert er immer wieder Wasserdampf und Staub. Asteroiden fanden sich auch an bisher unerwarteter Stelle: Am Lagrangepunkt L4 auf der Uranusbahn entdeckten Astronomen einen Trojaner. Sie hatten solche auf einer Planetenbahn vorauseilenden oder nachfolgenden Körper bislang nur bei den Gasriesen Jupiter und Saturn für möglich gehalten.

Besonderer Fokus lag weiter auf Vesta, dem zweitgrößten Asteroiden des Hauptgürtels. Die NASA-Raumsonde Dawn hatte hier bis zum Herbst 2012 diverse Daten gesammelt. Vestas Südseite ist durch ein rund 500 Kilometer großes Einschlagsbecken geprägt, das durch zwei aufeinander folgende Zusammenstöße entstanden ist. Einschlagswinkel und die Größe der Geschosse konnten nun genauer berechnet werden. Außerdem untersuchten Forscher den Entstehungsprozess eines Meteoriten, der ursprünglich von Vesta stammt. Dabei fanden sie Hinweise darauf, wie sehr den ersten größeren Körpern im Planetensystem zugesetzt wurde: Damals schlugen feste Objekte immer wieder in erhitzte und somit weichere Asteroiden und Zwergplaneten ein.

Abb.: Künstlerische Darstellung der Wasserfontänen auf dem Jupitermond Europa (Bild: K. Retherford, Southwest Res. Inst.)

Unter den Monden des Planetensystems ist Enceladus besonders gut untersucht: Über dem Saturnmond tanzen immer wieder Fontänen aus Eis, die zum ersten Mal von der Raumsonde Cassini nachgewiesen worden waren. Jetzt zeigten wiederholte Vorbeiflüge durch Cassini, dass tatsächlich die Gezeitenkräfte des Gasriesen für diesen sogenannten Kryovulkanismus verantwortlich sind. Denn gerade auf dem fernsten Punkt auf seiner Bahn um Saturn sprüht Enceladus am stärksten, weil hier die Spalten im Eis entspannen. Die Fontänen von Enceladus galten bislang als seltenes Phänomen. Das Hubble-Teleskops sah jetzt, dass auch über der nördlichen Hemisphäre des Jupitermondes Europa gewaltige Wasserfontänen in die Höhe schießen.

Diese Entdeckung wird durch einen scheinbar widersprechenden Befund ergänzt: Modelle zeigten, dass Europa gerade nahe seines Äquators über besonders dünnes Eis verfügt. Diese Entdeckungen dürften die Suche nach Lebensspuren auf Europa auch ohne aufwendige Bohrarbeiten möglich machen: Während auf Enceladus die Existenz eines globalen Ozeans unter dem Eis als eher unwahrscheinlich gilt, ist ein solches Gewässer beim viel größeren Jupitermond recht sicher.

Neue und alte Instrumente untersuchen ferne Welten

Bei der Suche nach Exoplaneten fallen auch im Jahr 2013 vor allem die extremeren Funde ins Auge: Darunter ist ein Planet mit der kürzesten bekannten Umlaufperiode von wenigen Stunden. Er dürfte überwiegend aus metallischem Eisen bestehen, um nicht von seinem Stern zerrissen zu werden. Der kleinste jemals gefundene Exoplanet ist gerade so groß wie der Mond. Sein Radius unterschreitet somit sogar noch den von Merkur. Um den betagten Stern Kepler-56 fanden Astronomen zwei Planeten, deren Bahnebene um 45 Grad zur Rotationsachse des Sterns gekippt ist. Zwar waren schon andere derartige Systeme bekannt. Deren Bahnen waren aber durch einen nahen Gasriesen beeinflusst worden, der hier fehlt.

Abb.: Im Vergleich der Planeten von Kepler-62 mit den terrestrischen Planeten im Sonnensystem, sowie mit weiteren Exoplaneten, bieten Kepler-62e und Kepler-62f bislang die besten Voraussetzungen für eine lebensfreundliche Oberfläche. (Bild: L. Kaltenegger, MPIA)

Die Suche nach erdähnlichen Exoplaneten bleibt herausfordernd – noch dazu, wenn diese auch in der lebensfreundlichen habitablen Zone um ihren Stern kreisen sollen. Forscher fanden aber zwei besonders aussichtsreiche Kandidaten: Kepler-62e und Kepler-62f sind rund 1,5 mal so schwer wie die Erde und umkreisen ihren Stern in einer Zone, in der Wasser flüssig sein könnte. Allerdings ist noch unklar, ob es sich bei ihnen um Feldplaneten oder besonders kleine Gasriesen handelt. Über 1050 Exoplaneten sind heute bekannt. Und über 3500 Kandidaten des bis dato produktivsten Planetenjägers – dem US-Weltraumteleskop Kepler – warten noch auf Bestätigung. Wegen defekter Drallräder ist Kepler nun aber nicht mehr exakt zu positionieren. NASA-Ingenieure planen daher, es nun durch den Strahlungsdruck der Sonne auszurichten.

Das Weltraumteleskop Herschel schalteten Ingenieure der ESA im Juni 2013 ab: Sie taten das allerdings planmäßig, weil das Kühlmittel an Bord aufgebraucht war. Herschels Daten könnten erklären, wie viele der eher exotischen bekannten Planetensysteme entstanden sind. Etwa zeigte ein Blick in die Staubscheibe um den jungen Stern TW Hydrae, dass deren Masse der unseres Sonnensystems ähnelt. Schon länger bekannt war, dass auch TW Hydrae selbst ein Abbild unserer Sonne ist – und das System somit auch die Entstehung unseres Planetensystem erklären könnte.

Mit einem weiteren Instrument hat die Untersuchung kalter Staubscheiben erst begonnen: Das Atacama Large Submillimeter Array (ALMA) wurde im März 2013 eröffnet. Es ist mit nun 66 Antennenschüsseln das genaueste Teleskop für den Millimeter- und Submillimeterbereich des Spektrums. Schon mit den ersten Schüsseln gelang es Astronomen, die Struktur der Staubscheiben zu beobachten: Sie fanden um TW Hydrae die sogenannte Schneegrenze, also jene Zone um einen Stern, wo Wasser entweder gasförmig oder nur noch gefroren vorliegt.

Anderen Forscher machten mit ALMA ein Bild einer zweigeteilten Staubscheibe, die es auch in der Jugend unseres eigenen Planetensystems gegeben haben sollte. Während sich näher an diesem Stern noch viel Gas befindet, haben dessen Gasriesen weiter draußen mit ihrer Anziehungskraft bereits Platz geschaffen. Im freien Bereich lichtete ALMA jedoch Gasströme ab, die jene junge Gasriesen speisen dürften – ein Effekt, der bisher nur theoretisch vorhergesagt worden war. Während Teleskope wie Herschel und ALMA zunehmend in junge Planetensysteme hineinsehen können, dürften andere Teleskope schon bald immer mehr Atmosphären bekannter Exoplaneten untersuchen können: Zum ersten Mal war das im letzten Jahr bei einer Supererde gelungen.

Das ist ein wichtiger Schritt, um etwa Gasriesen von Gesteinsplaneten unterscheiden zu können. Um neue Exoplaneten aufzuspüren, gab es dieses Jahr zwar Rückschritte – mehrere Missionen sahen ihrem Ende entgegen. Allerdings startete im Dezember ein vielversprechender Nachfolger: Das ESA-Teleskop Gaia soll eigentlich die Sterne der Milchstraße genauer denn je vermessen. Es könnte dabei auch tausende Exoplaneten finden und sich somit in einigen Jahren zu einem der wichtigsten Entdeckungsinstrumente entwickeln.

Karl Urban

DE

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