10.02.2015

Wachstum scheibchenweise beobachten

Lichtscheiben-Fluoreszenzmikroskopie von „Nature Methods“ zur Methode des Jahres 2014 gekürt.

Die Lichtscheiben- beziehungsweise Lichtblatt-Fluoreszenz­mikroskopie (LSFM) ist eine extreme Weiterentwicklung der konfokalen Fluoreszenz­mikroskopie. In beiden Verfahren werden fluoreszierende Moleküle, die zum Teil von den Objekten selbst erzeugt werden, zum Leuchten angeregt. Das Problem aller Licht­mikroskope ist, dass Beleuchtung bereits einen Einfluss auf den Stoffwechsel hat. In vielen Zellen werden nämlich die an biochemischen Prozessen beteiligten Moleküle durch Licht geschädigt – auch Fototoxizität genannt. Um die räumliche und zeitliche Verteilung von bestimmten Proteinen zu erkennen, verwendet man bei der Fluoreszenz­mikroskopie außerdem leucht­fähige Farbstoffe. Leider sind sie nicht lichtecht. Sie verbrauchen sich beziehungs­weise bleichen aus, wenn sie angeregt werden.

Abb.: In einem Lichtscheiben-Fluoreszenz­mikroskop wird die biologische Probe in einer Ebene von der Seite beleuchtet und senkrecht dazu beobachtet. Die drei Bilder zeigen eine Ebene in der Mitte eines etwa 0,5 Millimeter großen Zellklumpens in unterschiedlichen Vergrößerungen. Der sphärische Zellhaufen besteht aus etwa 25.000 Brust­gewebe­zellen. Deutlich zu erkennen sind Zellkerne (rot) und Aktinstrukturen (grün; Bild: C. Mattheyer, D. von Wangenheim, F. Pampaloni)

Beide Probleme treten vor allem dann auf, wenn man dreidimensionale Bilder mit der herkömmlichen konfokalen Licht­mikroskopie aufnehmen will. „Dazu muss man den Fokus des Mikroskops von der Oberfläche bis in die tiefste Schicht des Objekts Ebene für Ebene führen. Dabei werden zwangsläufig jedes Mal alle Schichten beleuchtet, auch wenn sie gar nicht beobachtet werden“, erklärt Stelzer, der seit 2002 an der Entwicklung der LSFM arbeitet. Er ist Professor am Exzellenz­cluster Makro­molekulare Komplexe der Goethe-Universität.

Ernst Stelzer hatte die Idee, nur jeweils eine Ebene des Objekts, das Objekt also scheibenweise, von der Seite zu beleuchten. Die Kamera, mit der das von den Fluoreszenz­farbstoffen ausgesandte Licht aufgenommen wird, ist senkrecht zu dieser Ebene angeordnet. Der Vorteil: Es wird nur noch diese eine Schicht, die auch beobachtet wird, beleuchtet. Da die ober- und unterhalb liegenden Nachbarschichten nicht beleuchtet werden, werden hier weder die für die Vitalität des Tieres oder der Pflanze wichtigen organischen Moleküle noch die Fluoreszenz­farbstoffe belastet. „Bei einem Zebrafisch-Embryo lässt sich beispielsweise die benötigte Strahlung um zwei bis vier Größen­ordnungen verringern“, rechnet Stelzer vor. So lässt sich das Wachstum vieler Modell-Embryonen über 50 bis 150 Stunden verfolgen. Da man auch keine Signale von Schichten, die außerhalb des Fokus liegen, erhält, verbessert sich die Qualität der Bilder so erheblich, dass sich drei­dimensionale Bild­stapel aufzeichnen lassen. LSFM werden also verwendet, um dreidimensionale Prozesse als Funktion der Zeit zu beobachten.

Anwendung findet LSFM bereits in den Neuro­wissenschaften, der Zell­biologie, der Pflanzenbiologie und der Entwicklungs­biologie. Die Methode erlaubt es erstmals auch, vergleichsweise große, aus vielen Zellen bestehende Organismen unter natürlichen (physiologischen) Bedingungen zu beobachten. Sie werden nicht nur unter Bedingungen gehalten, die denen ihres ursprünglichen Lebens­raums entsprechen, sie überleben die Beobachtung auch ohne erkennbare Schäden und haben trotz der Beobachtung in einem Mikroskop Nachkommen, die selbst fruchtbar sind. „Das Lichtscheiben-Mikroskop hat bereits begonnen, die Zell-, Pflanzen- und Entwicklungs­biologie zu revolutionieren und wird mit der Zeit weitere Wissenschafts- und Anwendungs­felder beeinflussen“, urteilt Stelzer. Inzwischen werden mehr als 100 dieser Mikroskope in weltweit über 100 Forscher­gruppen verwendet.

U. Frankfurt / DE

Weiterbildung

Weiterbildungen im Bereich Quantentechnologie
TUM INSTITUTE FOR LIFELONG LEARNING

Weiterbildungen im Bereich Quantentechnologie

Vom eintägigen Überblickskurs bis hin zum Deep Dive in die Technologie: für Fach- & Führungskräfte unterschiedlichster Branchen.

EnergyViews

EnergyViews
Dossier

EnergyViews

Die neuesten Meldungen zu Energieforschung und -technologie von pro-physik.de und Physik in unserer Zeit.

Meist gelesen

Themen