Was die Sonne blubbern lässt
Magnetische Rekonnexion löst Sonneneruptionen unterschiedlicher Größenordnungen aus.
Unser Zentralgestirn gehört – glücklicherweise – zu den weniger aktiven Sternen. Doch auch die Sonne zeigt Ausbrüche unterschiedlicher Größenordnungen, bei denen sie Materie in den interplanetaren Raum ausstößt. Zu den bedeutendsten Aktivitäten dieser Art gehören die koronalen Massenauswürfe. Dabei emittiert die Sonne große Mengen ionisierten Plasmas. Sind diese zufällig auf die Erde gerichtet, können heftige Ausbrüche magnetische Stürme erzeugen. Das führt nicht nur zu malerischen Nordlichtern, sondern kann die Radiokommunikation und Satelliten stören oder sogar lahmlegen.
Abb.: Koronaler Massenauswurf der Sonne. (Bild: NASA / SDO)
Die Sonne zeigt aber auch auf sehr viel kleineren Skalen Ausbrüche. Kleine Jets machen sich in größerer Entfernung von der Sonne nicht weiter bemerkbar, sind jedoch ständig auftretende Phänomene in der Sonnenatmosphäre. Bislang war unklar, ob Jets und koronale Massenauswürfe auf verwandten oder unterschiedlichen Prozessen beruhen. Älteren Modellen zufolge sollten hinter so unterschiedlich starken Ausbrüchen auch unterschiedliche Mechanismen stecken. Neuere Beobachtungen ließen jedoch eine ähnliche Ursache vermuten. Wie ein Team von Astronomen der University of Durham in Großbritannien und des Goddard Space Flight Centers in den USA jetzt anhand umfangreicher Simulationen herausfinden konnte, spielt wohl trotz der sehr verschiedenen Größenordnungen beider Arten von Sonneneruptionen die magnetische Rekonnexion eine entscheidende Rolle.
Das ergab sich aus einer Analyse umfangreicher magnetohydrodynamischer Simulationen, die sehr ähnliche strukturelle Entwicklungen bei Jets und koronalen Massenauswürfen belegen. Dabei sind zunächst dichte Filamente aus Plasma aufgrund starker Magnetfelder in größeren Filamenten eingeschlossen. Ob ein solches Filament nun einen Ausbruch hervorrufen kann, hängt davon ab, ob es das begrenzende Magnetfeld durchbrechen kann.
Das kann geschehen, wenn im Magnetfeld an den richtigen Stellen hinreichend kräftige Scherkräfte vorliegen, die innerhalb einer Ebene zu starkem Stromfluss führen. Dabei dehnt sich das begrenzende Magnetfeld nach oben hin aus und die magnetische Rekonnexion löst dase begrenzende Feld langsam auf. Die magnetische Spannung um dieses Gebiet herum drückt und beschleunigt das Plasma nach oben.
Abb.: Nach dem Modell basieren koronale Massenauswürfe (a bis d) und solare Jets (e bis h) auf sehr ähnlichen magnetischen Strukturen. Farbige Linien zeigen verschiedene Bereiche der magnetischen Felder an, schwarze die Grenzen zwischen unterschiedlichen Magnetfeldregionen. (Bild: P. F. Wyper et al. / NPG)
Es gibt aber durchaus auch grundlegende physikalische Unterschiede zwischen beiden Arten von Eruptionen. Bei koronalen Massenauswürfen kann das involvierte Plasmasystem im Lauf der Eruption ein Vielfaches seiner ursprünglichen Größe erreichen. Dabei nimmt auch die Energiedichte entsprechend stark ab und die Effekte der magnetischen Rekonnexion lassen sich sowohl in der Simulation als auch in realen Beobachtungen immer schwieriger bestimmen. Bei kleinen Jets in der Sonnenkorona hingegen sind die schnellen, explosiven Plasmaströme vor allem durch Rekonnexion bedingt. Bei beiden Arten von Sonneneruptionen spielt jedoch die freie magnetische Energie eine entscheidende Rolle, die sich zunächst zwischen verschiedenen Plasmaströmen in der Sonnenatmosphäre aufbaut und sich dann über verwickelte Feldlinien und magnetische Rekonnexion einen Weg zum Ausbruch bahnt.
Die Forscher halten es für möglich, dass ihr Modell auch zu noch kleineren explosiven Prozessen in der Sonnenatmosphäre passen könnte – etwa für Jets in der Chromosphäre. Ein gutes Verständnis dieser Phänomene kann auch hilfreich sein, um das Weltraumwetter besser vorhersagen zu können. Dann könnten Satellitenbetreiber rechtzeitig Systeme herunterfahren, um sie vor Überlastung zu schützen, oder auf sichere Kommunikationskanäle umschalten. Und nicht zuletzt werden auch Astronauten dafür dankbar sein, denn die hochenergetische Komponente von koronalen Massenauswürfen kann eine erhebliche Strahlendosis mit sich bringen.
Um Vorhersagen über die unterschiedlichen Energiespektren machen zu können, die bei koronalen Massenauswürfen auftreten können, sind die Simulationen aber noch nicht umfangreich genug. Vor allem bei den hochenergetischen Teilchen sind je nach Konfiguration der beteiligten Magnetfelder verschiedene Energieverteilungen möglich, die die Wissenschaftler jetzt genauer angehen wollen. Um diese Modelle mit Messdaten vergleichen zu können, werden die Forscher allerdings noch ein wenig warten müssen. Denn für den Abgleich von Theorie und Experiment benötigt man bei solchen Modellen hochaufgelöste Bilder der oberen Atmosphärenschichten der Sonne – vor allem an den Polen. Schließlich entstehen besonders viele solare Jets vor allem in den Polregionen.
Ausgerechnet dort ist die Datenlage jedoch noch spärlich. Die Hoffnung der Forscher ruht deshalb auf den kommenden Sonnenmissionen Solar Probe Plus der NASA sowie dem Solar Orbiter der ESA, die beide kommendes Jahr ins All starten sollen. Diese Raumsonden sollen sowohl hochaufgelöste Bilder der Sonnenatmosphäre als auch der Magnetfelder liefern, die bei Sonneneruptionen beteiligt sind.
Dirk Eidemüller
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RK