Was erzeugt die ultrahochenergetische kosmische Strahlung?
Studie erforscht Anforderungen an die neueste Generation von Cherenkow-Teleskopen für die Höchstenergie-Astroteilchenphysik.
Die Astroteilchenphysik weiß zwar mittlerweile schon länger um die Existenz ultrahochenergetischer Teilchen, ihre genaue Herkunft ist aber immer noch schleierhaft. Es gibt eine ganze Reihe unterschiedlicher Modelle, woher die höchstenergetischen Teilchen stammen. Fest steht, dass außerordentlich energiereiche physikalische Bedingungen herrschen müssen, um Teilchen auf Energien von 1018 bis hin zu über 1020 Elektronenvolt zu beschleunigen. Aktive galaktische Kerne (AGNs), d. h. supermassive Schwarze Löcher im Zentrum von Galaxien mit bis zu mehreren Milliarden Sonnenmassen, gelten deshalb schon lange als Hauptkandidaten für die Erzeugung der ultrahochenergetischen kosmischen Strahlung. Forscher aus mehreren US-amerikanischen Instituten sowie dem Max-Planck-Institut für Physik in München haben nun eine Studie vorgelegt, in der sie die spektralen Eigenheiten verschiedener Szenarien und die physikalischen Anforderungen an die Möglichkeit detailliert untersuchen, sie mit künftigen Instrumenten zu beobachten.
Die Jets von Aktiven Galaktischen Kernen können viele Tausend Lichtjahre in die Umgebung reichen. Teilchen in diesen Jets werden enorm beschleunigt. Man vermutet, dass Protonen maximal kinetische Energien bis um die 1020 Elektronenvolt erreichen können, schwere Kerne noch gut eine Größenordnung darüber. Schwere Kerne werden jedoch auch durch Photodesintegration zerstört, was ihren Anteil an der ultrahochenergetischen Strahlung stark begrenzt.
Eine große Schwierigkeit bei der Erforschung der kosmischen Strahlung liegt in der völlig isotropen Verteilung geladener hochenergetischer Teilchen. Die intergalaktischen ebenso wie die sehr viel schwächeren, aber auch sehr viel ausgedehnteren extragalaktischen Magnetfelder lenken alle geladenen Teilchen ab und lassen somit die hochenergetischen Teilchen aus allen Richtungen gleichmäßig auf die Erdatmosphäre niederprasseln. Nur im allerhöchsten Energiebereich um die 1019 Elektronenvolt scheint sich nach neueren Messungen des Pierre-Auger-Observatoriums eine Häufung geladener Teilchen aus der Richtung von Aktiven Galaktischen Kernen abzuzeichnen.
Im Gegensatz zu geladenen Teilchen lenken Magnetfelder Gammastrahlung nicht ab, sie weist deshalb direkt auf ihre Quellen hin. Sie entsteht entweder über leptonische oder hadronische Wechselwirkungen. Der wichtigste leptonische Prozess hierbei ist der Synchrotron-selbst-Compton-Effekt (SSC). Hierbei gibt ein beschleunigtes Elektron im Magnetfeld des Plasmajets Synchrotronstrahlung ab, die dann wieder an anderen hochenergetischen Elektronen des Jets streut und hierdurch an Energie gewinnt. Auf diese Weise entsteht aus den beschleunigten Elektronen des Jets Gammastrahlung bis in den TeV-Bereich. Dieser Prozess ist sehr effektiv, allerdings verlieren Elektronen schnell Energie durch Synchrotronstrahlung und gelangen deshalb nur schwer auf extrem hohe Energien. Andere Entstehungsmechanismen gehen deshalb über die hadronische Komponente. Sie sehen die Erzeugung von Gammastrahlung aus dem Zerfall neutraler Pionen vor, die bei Spallationsprozessen oder Photodesintegration von hochenergetischen Atomkernen und Protonen entstehen.
Da der Fluss an Teraelektronenvolt-Photonen sehr gering ist, sind Tscherenkowteleskope ein bevorzugtes Untersuchungsmittel. Sie benutzen sozusagen die Erdatmosphäre als Kalorimeter und können deshalb ein großes Volumen in der Atmosphäre beobachten. In den letzten zehn Jahren haben insbesondere die Projekte HESS, MAGIC und VERITAS viele neue Erkenntnisse zu den Quellen hochenergetischer kosmischer Strahlung beigetragen. Dies ergänzt sich mit den Beobachtungen von Hochenergie-Weltraumteleskopen wie Fermi, die bis zu einigen Hundert GeV reichen.
Ebenso viele Fragen bleiben aber unbeantwortet. So besteht weder Einigung über den Anteil der verschiedenen Erzeugungsprozesse, noch über deren Orte. Eine ungeklärte Frage besteht hierbei darin, ob und zu welchem Anteil welche Prozesse im Jet selbst stattfinden, oder erst im extragalaktischen Medium. Der Ort wiederum hat Einfluss auf die zeitliche Entwicklung. Die Autoren der Studie gehen deshalb insbesondere der Frage nach, inwieweit strukturierte extragalaktische Magnetfelder oder die Magnetfelder von Radiogalaxien zur Ablenkung höchstenergetischer Strahlung beitragen. Die untersuchten Galaxienarten sind B-L-Lacertae-Objekte und Fanaroff-Riley-I-Radiogalaxien. Bei beiden AGN-Typen ist das zentrale supermassereiche schwarze Loch der Motor eines gewaltigen Jets, bei „BL Lacs“ schauen wir dabei direkt in den Jet, weshalb diese Objekte besonders leuchtstark und variabel sind.
Die nächste Generation von Tscherenkowteleskopen soll die offenen Fragen besser aufklären. Zwei vielversprechende Projekte sind das Cherenkov Telescope Array (CTA) und das High Altitude Water Cherenkov Gamma-Ray Observatory (HAWC). Ersteres folgt dem üblichen Bauprinzip von Tscherenkovteleskopen; letzteres benutzt Wassertanks im Gebirge, um die Spuren hochenergetischer Teilchenschauer nachzuweisen. Man erwartet von diesen Projekten einen Sensitivitätszuwachs um circa eine Größenordnung gegenüber heutigen Experimenten. Dies sollte nach der neuen Studie ausreichen, um zumindest für einige kosmische Objekte aus den zu erwartenden Spektralverteilungen der Gammastrahlung auf die leptonischen oder hadronischen Ursprünge zu schließen.
Dirk Eidemüller
Originalveröffentlichung:
K. Murase et al.: Blazars as ultra-high-energy cosmic-ray sources : Implications for TeV-gamma-ray observations, Astrophys. Jour. 749:63 (2012)
doi:10.1088/0004-637X/749/1/63
http://iopscience.iop.org/0004-637X/749/1/63
Website der CTA-Kollaboration:
http://www.cta-observatory.org/
Website der HAWC-Kollaboration:
http://hawc.umd.edu/
Abbildungen:
Abb. 1: Künstlerische Darstellung des Cherenkov Telescope Array: Die großen und stärker lichtempfindlichen Teleskope sind umgeben von kleineren Teleskopen, die nach den selteneren höherenergetischen Gammas Ausschau halten. (Bild: CTA Collaboration)
Abb. 2: In solchen zylindrischen Wassertanks werden die Cherenkov-Detektoren des HAWC-Projektes installiert. (Bild: HAWC Collaboration)