21.11.2014

Wegkatapultiertes schwarzes Loch?

In 90 Millionen Lichtjahren Entfernung: Heraus­geschleu­dertes schwar­zes Loch oder aus­dauern­de Super­nova?

Steuern zwei Galaxien im All aufeinander zu und kollidieren sie schliesslich, dann verschmelzen sie zu einer einzigen. Auch die beiden supermassereichen Schwarzen Löcher im Zentrum der beiden Galaxien vereinen sich dabei, wobei nach der Allgemeinen Relativitätstheorie Gravitationswellen entstehen, die sich im Raum ausbreiten. Wenn die Schwarzen Löcher unterschiedliche Massen haben oder sich in unterschiedlichen Geschwindigkeiten drehen, breiten sich die Gravitationswellen asymmetrisch aus. Das fusionierte Schwarze Loch erfährt dabei einen Rückstoß in die Gegenrichtung. In manchen Fällen ist dieser Rückstoß verhältnismässig schwach, das Schwarze Loch pendelt wieder zurück ins Zentrum. In anderen Fällen ist er so stark, dass das Schwarze Loch für immer aus der Galaxie geschleudert wird und einsam im Universum verbleibt.

Abb.: Mit dem Keck II-Teleskop auf Hawaii konnten die Forscher hochaufglöste Aufnahmen von SDSS1133 machen, auf denen man zwei helle Punkte im Zentrum erkennt, ein Hinweis auf die Verschmelzung zweier Galaxien. Bild: W. M. Keck Observatory/M. Koss et al.

Astronomen suchten in der Vergangenheit nach solchen herausgeschleuderten Schwarzen Löchern, fanden jedoch keine. Ein internationales Team von Wissenschaftler hat nun ein Objekt aufgespührt, bei dem es sich um ein solches wegkatapultiertes Schwarzes Loch handeln könnte. Das Objekt mit der Bezeichnung SDSS1133 liegt rund 90 Millionen Lichtjahre von der Erde entfernt, was für astronomische Verhältnisse als „nahe" gilt.

Dass SDSS1133 ein besonderes Objekt sein muss, ist den Forschenden aufgefallen, als sie es letztes Jahr am einem Spiegelteleskop am Keck Observatorium in Hawaii beobachteten. Es leuchtete zehnmal schwächer als noch 2001, wie ein Vergleich mit einer Himmelskarte aus diesem Jahr zeigte. Auf Karten aus den 1950er und 1990er Jahren war das Objekt ebenfalls zu sehen, jedoch leuchtete es auch damals nur schwach. Weil SDSS1133 im Jahr 2001 so hell leuchtete, nachher aber nicht komplett verblasste, kann es nicht von einer gewöhnlichen Supernova stammen. Denn solche Phänomene sind oft nur während wenigen Monaten sichtbar und verblassen danach sehr stark.

Aus einem Vergleich des Wellenlängenspektrum des von SDSS1133 und einer Zwerggalaxie in der Nähe schlossen die Wissenschaftler, dass es sich bei SDSS113 um ein Schwarzes Loch handeln könnte, das zu einem früheren Zeitpunkt zu ebendieser Zwerggalaxie gehörte und aus dieser geschleudert wurde.

Ganz so sicher sind sich die Forschenden allerdings nicht, denn es gibt zumindest theoretisch eine zweite, etwas exotische Erklärungsmöglichkeit: Es könnte sich bei SDSS 1133 um einen neuen Typus einer lange andauernden Supernova eines riesigen Sterns handeln. Dabei hätte dieser riesige Stern bereits vor seiner finalen Explosion während mindestens 50 Jahren in einer Folge mehrerer Eruptionen einen Großteil seiner Masse verloren.

Solche sich verändernden Sterne wurden schon beobachtet: Eta Carinae, einer der massereichsten Sterne unserer eigenen Galaxie, war 1843 während einer kurzen Zeit der zweithellste Stern am Nachthimmel. Wären solche Ausbrüche auch bei SDSS 1133 die Erklärung, dann würde es sich dabei um die längsten kontinuierlichen Eruptionen handeln, die man je vor einer Supernova beobachtet hat.

Die Forschenden werden nächstes Jahr die Gelegenheit erhalten, das Rätsel zu lösen. Schwarze Löcher und Supernovae emittieren beide ultraviolettes Licht, jedoch von unterschiedlicher Wellenlänge. Um das Spektrum sehr präzise messen zu können, hat man den Wissenschaftlern für Oktober 2015 Beobachtungszeit mit dem Hubble Weltraumteleskop zugesichert.

Auch die Veränderung der Helligkeit des Objekts in den nächsten Jahren wird den Wissenschaftlern Hinweise darauf geben, ob es sich um ein wegkatapultiertes Schwarzes Loch oder einen explodierenden Megastern handelt: Für ein wegkatapultiertes Schwarzes Loch erwarten sie eine veränderliche Helligkeit, während die Explosion einer Supernova sich mit der Zeit abschwächt. „Unabhängig davon, ob SDSS1133 ein wegkatapultiertes Schwarzes Loch oder ein explodierender Megastern ist, haben wir etwas entdeckt, das nie zuvor beobachtet wurde", sagt Michael Koss, einer der beteiligten Forscher von der ETH Zürich.

Und sollte es sich herausstellen, dass das Objekt tatsächlich ein wegkatapultiertes Schwarzes Loch ist, dann würde dies die Chance, dereinst Gravitationswellen nachweisen zu können, deutlich erhöhen. Der Rückstoß läge nach Aussage der Wissenschaftler rund zehn Millionen Jahre zurück. Für die konkrete Messung von Gravitationswellen wäre daher nicht dieses Objekt selbst bedeutend, sondern die Tatsache, dass es überhaupt existierte. „Zwerggalaxien sind sehr häufig", so Koss. „Die Wahrscheinlichkeit wäre damit groß, dass bald weitere solcher Rückstoßereignisse aufträten. Damit bestünde die Hoffnung, dass sich ein solches in der Nähe der Erde beobachten ließe, und dabei Gravitationswellen gemessen werden könnten."

ETH Zürich / PH

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