Weniger Langzeitstudenten
An jeder Uni gibt es sie: Langzeitstudenten. Doch Ihre Zeit läuft langsam ab.
Weniger Langzeitstudenten
An jeder Uni gibt es sie: Langzeitstudenten. Doch Ihre Zeit läuft langsam ab.
Berlin (dpa) - Manche hatten Angst vor dem Abschluss, andere nutzten Freiräume beim Studieren für andere Tätigkeiten. Eine gewisse Zahl von Langzeitstudenten gehörte lange zum sozialen Gefüge rund um die Universität. Ihre Zeit läuft zunehmend ab, wie Statistiker jetzt belegen. Die Einführung von Gebühren für Langzeit- und Zweitstudium unter anderem in Hessen und Nordrhein-Westfalen ist der Hauptgrund für einen Rückgang der Studentenzahlen in Deutschland auf heute unter zwei Millionen. Aber auch weniger Studienanfänger gibt es. Das Ziel der großen Koalition, 40 Prozent eines Jahrgangs für ein Studium zu gewinnen, ist damit ein Stückchen weiter in die Ferne gerückt.
Union und SPD begründeten dieses neue, alte Ziel der Politik im Koalitionsvertrag mit ökonomischer Effizienz: «Deutschland braucht mehr Hochqualifizierte, um den wirtschaftlichen Anforderungen der Zukunft Rechnung zu tragen.» Doch im internationalen Vergleich liegt Deutschland hier im hinteren Bereich. 2005 sank die Quote der Studienanfänger leicht auf 36,7 Prozent, nachdem sie seit 2001 von damals 32 Prozent angestiegen war. Dies teilte der Präsident des Statistischen Bundesamts, Johann Hahlen, am Dienstag in Berlin mit. Der OECD-Durchschnitt beträgt 53 Prozent. Mit Quoten um 80 Prozent zählen Island, Neuseeland und Schweden zu den Spitzenreitern. Leicht unter dem deutschen Niveau liegen Österreich, Belgien und Tschechien.
Die Zahl der Ersteinschreibungen sank 2005 um 2 Prozent auf 351 900. Damit setzte sich der 2004 begonnene Rückgang weiter fort. Hahlen war bemüht, dem Eindruck einer dramatischen Entwicklung entgegenzuwirken - war die Zahl der Studienanfänger doch zuvor seit 1994 um 35 Prozent angestiegen.
Die Studierendenzahlen insgesamt stiegen seit einem Tiefpunkt 1999 auf über zwei Millionen 2003. Dann führten unter anderem Hessen und Nordrhein-Westfalen Gebühren von mehreren hundert Euro pro Semester für Langzeit- und Zweitstudenten ein. Prompt rutschte die Zahl der Studentenzahl mit 15 und mehr Semestern um rund ein Drittel und die Studentenzahl im Wintersemester 2004/2005 insgesamt um 3 Prozent auf 1,96 Millionen. Im laufenden Wintersemester stieg die Zahl wieder leicht auf 1,98 Millionen.
Das Aktionsbündnis gegen Studiengebühren reagierte umgehend: «Studiengebühren schrecken vom Studium ab, das ist wieder einmal bestätigt worden», sagte Geschäftsführer Jochen Dahm. Das Bündnis, dem unter anderem die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) und Jugend- und Hochschulorganisationen angehören, nahm die Zahlen zum Anlass, gegen die schon eingeführten oder noch geplanten Gebühren auch zum Studienbeginn zu warnen. Dies werde viele Studenten abschrecken.
«Ich bin Statistiker und werde zu solchen Dingen nichts sagen», sagte Hahlen hierzu nur. Die zuletzt von den Landeskultusministern ausgedrückte Erwartung eines deutlichen Anstiegs der Studierendenzahl in den kommenden Jahren wollten die Statistiker Hahlen jedenfalls nicht deckungsgleich übernehmen.
Deutlich wiesen die Statistiker hingegen auf andere interessante Facetten hin: So liegt der Frauenanteil bei den Studierenden zwar bei knapp der Hälfte, aber nur 39 Prozent der Promotionen entfallen auf Frauen. Die Ingenieurstudiengänge holten nach einem Tief wieder auf. Und der Ausländeranteil erhöhte sich in den vergangenen zehn Jahren von 8 auf 13 Prozent. Chinesen sind mit 26 000 übrigens die größte Gruppe.
Basil Wegener, dpa