13.04.2017

Wenn auf der Venus die Erde untergeht

Kolloid-Experimente geben Aufschluss über komplexe Subduktionszonen auf unserem Nachbarplaneten.

Erde und Venus sind sich in vielerlei Hinsicht sehr ähnlich. Beide Planeten sind nicht nur Nachbarn, sondern besitzen auch eine vergleich­bare Größe, Masse und Zusammen­setzung. Sie besitzen aber auch gravierende Unter­schiede. Am deut­lichsten sichtbar ist dies an der Atmo­sphäre der beiden Planeten. Die Venus besaß vor Jahr­milliarden vermut­lich ein erdähn­liches Klima, machte dann aber einen explosiven Treibhaus­effekt durch und ist seitdem ein äußerst unwirt­licher Planet. Auch geologisch gesehen zeigt die Venus deutliche Unterschiede zur Erde: Während unser Planet eine aktive globale Platten­tektonik hat, ist diese auf der Venus schon vor langer Zeit zum Erliegen gekommen.

Abb.: Die Artemis-Corona auf der Venus besitzt eine komplexe innere Geologie, wie Radarmessungen zeigen. (Bild: A. Davaille et al.)

Es ist allerdings sehr schwierig, die geo­logische Geschichte der Venus nachzu­vollziehen, da ihre Atmo­sphäre extrem dicht und mit Wolken aus Schwefel­säure verhangen ist, so dass Radardaten und Gravitations­messungen die einzigen verläss­lichen Quellen über die Topologie und die oberen Schichten der Lithosphäre liefern können. Die Auflösung dieser Daten beträgt aber nur rund ein bis zwei Dutzend Kilometer. Ein intern­ationales Forscher­team um Anne Davaille von der Univer­sität Paris Sud hat sich deshalb nun daran gemacht, im Rahmen einer größeren experimentellen Versuchs­reihe einige ungewöhnliche Strukturen auf der Venus-Ober­fläche aufzuklären. Damit wollen die Wissen­schaftler eine Brücke zwischen den hoch­komplexen Computer­modellen und den topo­graphischen Daten schlagen.

„Die Ober­fläche der Venus hat in den letzten 300 bis 600 Millionen Jahren kaum Bewegung gezeigt”, sagt Davaille. „Subduktion scheint nur nur selten und sehr lokal aufzutreten.” Zwei Regionen, in denen Subduktion eine Rolle spielt, sind die „Artemis-Corona” und die „Quetzal­petlatl-Corona”. Coronae sind runde, von Graben­zonen durchzogene Gebiete, in denen auch vulka­nische Aktivität und gravi­tative Anomalien auftreten. Während die Quetzal­petlatl-Corona jüngeren Datums zu sein scheint, besitzt die Artemis-Corona eine eindrucks­volle innere Struktur mit fünf kleineren Sub-Coronae.

Um zu testen, ob sich die Schwerkraft-Analysen und die Topologie dieser Coronae mit Subduktions­prozessen erklären lassen, simu­lierten die Forscher den oberen Mantel und die Lithosphäre in einem Tank. Angesichts planetarer Größen­verhältnisse erscheint der Versuchs­aufbau geraderzu winzig: Der gläserne Tank maß lediglich 15 Zenti­meter Breite und Länge, bei einer Höhe von 5 Zentimetern. Gefüllt war er mit einer speziellen Kolloid­mischung, die ähnliches Strömungs­verhalten wie heißes Gestein aufweisen sollte. Die Litho­sphäre simulierten die Forscher, indem sie die oberen Schichten ihres Gemischs bei den richtigen Para­metern austrocknen ließen.

Während das Gemisch im Tank Raum­temperatur hatte, heizten es die Forscher an mehreren Stellen von unten mit bis zu achtzig Grad Celsius an, um so auf­steigende Mantel-Plume zu simulieren. „Es war keine leichte Aufgabe, ein Gemisch zu finden, das sowohl die Entstehung von Platten wie von Plumen und von Subduktion ermög­lichte, und zwar aus­schließlich durch Konvektion, ohne äußere Einwirkung”, sagt Davaille.

Tatsächlich zeigten sich Subduktions­prozesse, nachdem es ein heißer Plume geschafft hatte, sich durch dünne Kruste zu drücken. Zunächst strömte heißes Material an die Oberfläche. Dies lässt sich auf der Venus besonders gut an der Quetzal­petlatl-Corona nachvollziehen, wo Lavaströme bis zu 1500 Kilometer geströmt sind. Ist die Lava­decke schwer genug, bricht die Planetenkruste unter ihr weg und wird durch die ringsum abfallende Strömung nach unten gezogen. Diese Vorgänge, die im planetaren Maßstab Jahr­millionen dauern, ließen sich im Experiment innerhalb weniger Minuten nach­vollziehen. Anscheinend sorgt auch die hohe Oberflächen­temperatur der Venus dafür, dass keine Platten­tektonik mehr auftritt. Denn die Litho­sphäre der Venus kann Scher­brüche zügig „auskurieren”, so dass es gar nicht zur Bildung von Platten kommt.

Abb.: Diese aus zwölf Aufnahmen zusammengesetzte Seitenansicht des Kolloid-Experiments zeigt, wie aufsteigende heiße Mantel-Plume zu lokaler Subduktion führen. (Bild: A. Davaille et al.)

Diese Ergeb­nisse sind nicht allein für die Erfor­schung der Venus von Interesse. Zwar erscheint bei den heutigen Tem­peraturen im Erdmantel und der entsprechenden Tiefe der Litho­sphäre auf unserem Planeten die Entstehung solcher Subduktions­prozesse schwierig. Auf der Venus liegen die Oberflächen­temperaturen über 400 Grad höher; die Litho­sphäre ist um rund vierzig Kilometer dünner. Im Archaikum, vor rund zweieinhalb bis vier Milliarden Jahren, lag aber auch auf der Erde die Mantel­temperatur rund 200 Grad höher als heute und dement­sprechend dünner war auch die Litho­sphäre. Die heutige Venus könnte also durchaus ein Modell für die tek­tonischen Verhältnisse auf der frühen Erde sein. Mit einem noch besseren Verständnis dieser Zusammen­hänge sollte sich auch die Möglich­keit für Platten­tektonik auf Exoplaneten abschätzen lassen. Schließlich bringen solche tek­tonischen Prozesse neues Material zutage und sorgen so für ein Recycling der Planeten­oberfläche. Wie es sich in neueren Forschung­sarbeiten heraus­kristallisiert, könnte dies auch für die Entstehung und Erhaltung von Lebens­formen wichtig sein.

Die Labor­ergebnisse lassen aber auch anderes unge­wöhnliches tek­tonisches Verhalten erwarten „Die Plume-indu­zierte Subduktion ist nur einer von mehreren konvek­tiven Prozessen, die wir im Labor beo­bachten konnten”, fügt Davaille hinzu. Einige dieser Prozesse ließen sich noch nicht mit bekannten Strukturen auf Planeten in unserem Sonnen­system identifizieren. Sie könnten aber durchaus auf eisbedeckten Trabanten oder Exo­planeten auftreten.

Dirk Eidemüller

JOL

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