10.12.2020

Wenn ein Proton auf ein Omega-Hyperon trifft

Alice-Detektor liefert präzise Daten der starken Wechselwirkung.

Die starke Wechselwirkung ist wesentlich dafür verantwortlich, dass Atomkerne existieren, die aus mehreren Protonen und Neutronen und letztendlich Quarks bestehen. Im Rahmen des Projekts Alice – A Large Ion Collider Experiment – des CERN in Genf haben Laura Fabbietti und ihre Forschungs­gruppe an der Technischen Univer­sität München nun eine Methode entwickelt, mit hoher Präzision die Kräfte zu ermitteln, welche zwischen Protonen und Hyperonen wirken, instabile Teilchen mit seltsamen Quarks. Die Messungen sind nicht nur bahn­brechend für das Gebiet der Kernphysik, sondern auch der Schlüssel zum Verständnis von Neutronen­sternen.

Abb.: Aus Kollisions­daten des ALICE-Detektors ist es gelungen, unter anderem...
Abb.: Aus Kollisions­daten des ALICE-Detektors ist es gelungen, unter anderem die starke Wechsel­wirkung zwischen einem Proton und dem Omega-Hyperon, das drei seltsame Quarks enthält, mit hoher Präzision zu messen. (Bild: D. Dominguez, CERN)

Eine der großen Heraus­forderungen der Kernphysik ist es, die starke Wechselwirkung zwischen Teilchen mit unter­schiedlichem Quark-Gehalt mittels erster Prinzipien zu verstehen, diese also aus den Kräften zwischen den Bestandteilen der Teilchen, den Quarks und den die Kraft vermittelnden Gluonen, abzuleiten. Die Theorie der starken Wechsel­wirkung erlaubt jedoch keine zuver­lässigen Vorhersagen für normale Nukleonen mit up- und down-Quarks, sondern nur für Nukleonen, die schwere Quarks enthalten, wie Hyperonen.

Experimente zur Messung der Kraft sind sehr schwierig, weil Hyperonen instabile Teilchen sind, die, kaum produziert, sofort wieder zerfallen. Ein aussage­kräftiger Vergleich zwischen Theorie und Experiment war daher bislang nicht möglich. Die von Laura Fabbietti verwendete Methode öffnet nun eine Tür für hochpräzise Studien der Dynamik der starken Wechselwirkung am Teilchen­beschleuniger Large Hadron Collider (LHC). Vor vier Jahren schlug Fabbietti vor, die Femto­skopie zu nutzen, um die starke Wechsel­wirkung am Experiment Alice zu erforschen. Diese Technik ermöglicht Untersuchungen mit einer räumlichen Auflösung nahe einem Femtometer. 

Die Forscher untersuchten nicht nur die Kollisions­daten für die meisten Hyperon-Nukleon-Kombi­nationen, sondern auch die starke Wechselwirkung für das seltenste aller Hyperonen, das Omega, welches aus drei seltsamen Quarks besteht. Darüber hinaus haben die Physiker auch einen theoretischen Rahmen entwickelt, der Vorhersagen liefern kann. „Meine Gruppe hat der Kernphysik einen neuen Weg zur Messung der starken Wechsel­wirkung eröffnet, der alle Arten von Quarks umfasst – und dies mit einer uner­warteten Präzision und an einem Ort, den vorher niemand gesehen hat“, sagt Fabbietti. 

„Die genaue Bestimmung der starken Wechselwirkung für alle Arten von Hyperonen war unerwartet“, sagt Fabbietti. „Dies lässt sich durch drei Faktoren erklären: die Tatsache, dass der LHC Hadronen mit seltsamen Quarks in Hülle und Fülle produzieren kann, die Fähigkeit der Femtoskopie-Technik, die Kurzstreckencharakteristik der starken Wechselwirkung zu untersuchen, und die hervorragenden Fähigkeiten des Alics-Detektors, Teilchen zu identifizieren und ihre Momenta zu messen.“

Ein Verständnis der Wechsel­wirkung zwischen Hyperonen und Nukleonen ist auch wichtig zur Überprüfung der Hypothese, ob Neutronen­sterne Hyperonen enthalten. Welche Kräfte zwischen den Teilchen herrschen, hat nämlich unmittel­baren Einfluss auf die Größe eines Neutronen­sterns. Bislang ist unbekannt, welche Beziehung zwischen der Masse und dem Radius eines Neutronen­sterns besteht. Fabbiettis Arbeit wird in Zukunft daher auch dazu beitragen, das Rätsel der Neutronensterne zu lösen.

TUM / JOL

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