Wenn ein Proton auf ein Omega-Hyperon trifft
Alice-Detektor liefert präzise Daten der starken Wechselwirkung.
Die starke Wechselwirkung ist wesentlich dafür verantwortlich, dass Atomkerne existieren, die aus mehreren Protonen und Neutronen und letztendlich Quarks bestehen. Im Rahmen des Projekts Alice – A Large Ion Collider Experiment – des CERN in Genf haben Laura Fabbietti und ihre Forschungsgruppe an der Technischen Universität München nun eine Methode entwickelt, mit hoher Präzision die Kräfte zu ermitteln, welche zwischen Protonen und Hyperonen wirken, instabile Teilchen mit seltsamen Quarks. Die Messungen sind nicht nur bahnbrechend für das Gebiet der Kernphysik, sondern auch der Schlüssel zum Verständnis von Neutronensternen.
Eine der großen Herausforderungen der Kernphysik ist es, die starke Wechselwirkung zwischen Teilchen mit unterschiedlichem Quark-Gehalt mittels erster Prinzipien zu verstehen, diese also aus den Kräften zwischen den Bestandteilen der Teilchen, den Quarks und den die Kraft vermittelnden Gluonen, abzuleiten. Die Theorie der starken Wechselwirkung erlaubt jedoch keine zuverlässigen Vorhersagen für normale Nukleonen mit up- und down-Quarks, sondern nur für Nukleonen, die schwere Quarks enthalten, wie Hyperonen.
Experimente zur Messung der Kraft sind sehr schwierig, weil Hyperonen instabile Teilchen sind, die, kaum produziert, sofort wieder zerfallen. Ein aussagekräftiger Vergleich zwischen Theorie und Experiment war daher bislang nicht möglich. Die von Laura Fabbietti verwendete Methode öffnet nun eine Tür für hochpräzise Studien der Dynamik der starken Wechselwirkung am Teilchenbeschleuniger Large Hadron Collider (LHC). Vor vier Jahren schlug Fabbietti vor, die Femtoskopie zu nutzen, um die starke Wechselwirkung am Experiment Alice zu erforschen. Diese Technik ermöglicht Untersuchungen mit einer räumlichen Auflösung nahe einem Femtometer.
Die Forscher untersuchten nicht nur die Kollisionsdaten für die meisten Hyperon-Nukleon-Kombinationen, sondern auch die starke Wechselwirkung für das seltenste aller Hyperonen, das Omega, welches aus drei seltsamen Quarks besteht. Darüber hinaus haben die Physiker auch einen theoretischen Rahmen entwickelt, der Vorhersagen liefern kann. „Meine Gruppe hat der Kernphysik einen neuen Weg zur Messung der starken Wechselwirkung eröffnet, der alle Arten von Quarks umfasst – und dies mit einer unerwarteten Präzision und an einem Ort, den vorher niemand gesehen hat“, sagt Fabbietti.
„Die genaue Bestimmung der starken Wechselwirkung für alle Arten von Hyperonen war unerwartet“, sagt Fabbietti. „Dies lässt sich durch drei Faktoren erklären: die Tatsache, dass der LHC Hadronen mit seltsamen Quarks in Hülle und Fülle produzieren kann, die Fähigkeit der Femtoskopie-Technik, die Kurzstreckencharakteristik der starken Wechselwirkung zu untersuchen, und die hervorragenden Fähigkeiten des Alics-Detektors, Teilchen zu identifizieren und ihre Momenta zu messen.“
Ein Verständnis der Wechselwirkung zwischen Hyperonen und Nukleonen ist auch wichtig zur Überprüfung der Hypothese, ob Neutronensterne Hyperonen enthalten. Welche Kräfte zwischen den Teilchen herrschen, hat nämlich unmittelbaren Einfluss auf die Größe eines Neutronensterns. Bislang ist unbekannt, welche Beziehung zwischen der Masse und dem Radius eines Neutronensterns besteht. Fabbiettis Arbeit wird in Zukunft daher auch dazu beitragen, das Rätsel der Neutronensterne zu lösen.
TUM / JOL