07.09.2022

Wenn es Diamanten regnet

Laserexperimente lassen Nanodiamanten entstehen – bei Drücken und einer Elementkomposition wie im Innern von Eisplaneten.

Was geht im Zentrum von Planeten wie Neptun und Uranus vor? Um das herauszufinden, hat ein internationales Team unter Leitung des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf (HZDR), der Universität Rostock und der französischen École Polytechnique eine dünne Folie aus simplem PET-Plastik mit einem Laser beschossen und das Geschehen mit intensiven Röntgen­blitzen untersucht. Zum einen konnten die Forscher ihre frühere These bekräftigen, dass es wohl tatsächlich Diamanten im Inneren der Eisriesen am Rand unseres Sonnensystems regnet. Zum anderen könnte die Methode die Grundlage für ein Herstellungs­verfahren von Nanodiamanten bilden, wie sie für hochempfindliche Quanten­sensoren benötigt werden.

 

Abb.: Starke Laserblitze, die auf eine dünne Folie aus PET-Plastik geschossen...
Abb.: Starke Laserblitze, die auf eine dünne Folie aus PET-Plastik geschossen werden, erzeugen für einige Nano­sekunden Zustände wie im Inneren von Planeten. Unter dem Extrem­druck bildeten sich Nano­diamanten. (Bild: HZDR / Blaurock)

Die Verhältnisse im Inneren von Eisplaneten wie Neptun und Uranus sind extrem: Es herrschen Temperaturen von mehreren tausend Grad Celsius, der Druck ist millionen­fach größer als in der Erdatmosphäre. Dennoch lassen sich solche Zustände im Labor kurzzeitig simulieren: Starke Laserblitze treffen auf eine folienartige Materialprobe, erhitzen sie für einen Wimpern­schlag auf bis zu 6000 Grad Celsius und erzeugen eine Schockwelle, die die Materie für einige Nanosekunden auf das Millionenfache des Atmosphären­drucks komprimiert. „Bislang haben wir solche Versuche mit Folien aus Kohlenwasser­stoffen gemacht“, erläutert Dominik Kraus, Physiker am HZDR sowie Professor an der Universität Rostock. „Dabei konnten wir feststellen, dass sich unter dem Extremdruck winzige Diamanten bilden, sogenannte Nanodiamanten.“

Allerdings ließ sich mit diesen Folien das Planeten­innere bisher nur ansatzweise simulieren. Denn Eisplaneten enthalten nicht nur Kohlenstoff und Wasserstoff, sondern auch Unmengen Sauerstoff. Bei der Suche nach einem geeigneten Folien­material fiel die Wahl auf einen Allerwelts­stoff: PET – jenem Kunststoff, aus dem simple Plastik­flaschen bestehen. „Bei PET liegen Kohlenstoff, Wasserstoff und Sauerstoff in einem guten Verhältnis vor, um die Geschehnisse in Eisplaneten zu simulieren“, erklärt Dominik Kraus. Die Versuche führte das Team am SLAC National Accelerator Laboratory in Kalifornien durch. Dort steht mit der Linac Coherent Light Source (LCLS) ein starker, beschleuniger­basierter Röntgen­laser. Mit ihm lässt sich analysieren, was beim Auftreffen von intensiven Laserblitzen auf eine PET-Folie passiert. Dabei setzten die Fachleute zwei Messverfahren gleichzeitig ein: Per Röntgen­beugung prüften sie, ob sich Nanodiamanten bildeten. Und mit der Kleinwinkel­streuung konnten sie beobachten, wie schnell und auf welche Größe die Diamanten wuchsen.

Das Ergebnis: „Durch seinen Einfluss hat der Sauerstoff die Trennung von Kohlenstoff und Wasserstoff beschleunigt und damit die Entstehung der Nano­diamanten gefördert“, berichtet Dominik Kraus. „Dadurch konnten die Kohlenstoffatome besser zusammenfinden und Diamanten bilden.“ Das erhärtet die Vermutung, dass es im Inneren von Eisriesen buchstäblich Diamanten regnet. Die Resultate dürften nicht nur für Uranus und Neptun relevant sein, sondern auch für unzählige weitere Planeten in unserer Galaxis. Denn hielt man früher solche Eisriesen für rare Exoten, scheint mittlerweile klar, dass es sich um die häufigste Planeten­form außerhalb des Sonnen­systems handeln dürfte.

Außerdem stieß das Team auf einen weiteren Hinweis: Gemeinsam mit den Diamanten sollte auch Wasser entstehen – allerdings in einer ungewöhnlichen Variante: „Es sollte sich superionisches Wasser gebildet haben“, vermutet Kraus. „Dabei formen die Sauerstoffatome ein Kristall­gitter, in dem sich Wasserstoffkerne frei bewegen.“ Da die Kerne elektrisch geladen sind, kann superionisches Wasser elektrische Ströme leiten und so zur Bildung des Magnetfelds der Eisriesen beitragen. Allerdings konnte die Arbeitsgruppe bei ihren Experimenten die Existenz von super­ionischem Wasser in der Mischung mit Diamanten noch nicht zweifelsfrei belegen. Das soll künftig in enger Zusammen­arbeit mit der Universität Rostock am European XFEL in Hamburg geschehen, dem stärksten Röntgenlaser der Welt. Dort führt das HZDR das internationale Nutzer­konsortium HIBEF an, das ideale Bedingungen für solche Versuche bieten wird.

Neben diesen eher grundlegenden Erkenntnissen eröffnet das neue Experiment aber auch Perspektiven für eine technische Anwendung – die gezielte Herstellung von nanometerkleinen Diamanten. Bereits heute werden solche Nanodiamanten in Schleif- und Polier­mitteln verwendet. Künftig sollen sie als hochempfindliche Quanten­sensoren, medizinische Kontrastmittel sowie effiziente Reaktions­beschleuniger etwa zur Spaltung von CO2 dienen. „Bisher werden solche Diamanten haupt­sächlich per Sprengstoff-Detonation hergestellt“, erläutert Kraus. „Mit Hilfe von Laserblitzen könnten sie sich künftig deutlich sauberer fertigen lassen.“

Die Vision: Ein Hochleistungs­laser feuert zehnmal pro Sekunde Lichtblitze auf eine PET-Folie, die im Zehntel-Sekunden-Takt durch den Strahl gerastert wird. Die bei der Reaktion entstehenden Nanodiamanten fliegen wie Geschosse aus der Folie heraus und landen in einem Auffang­becken gefüllt mit Wasser. Dort werden sie abgebremst und können anschließend gefiltert und regelrecht geerntet werden. Der wesentliche Vorteil des Verfahrens gegenüber der Produktion per Sprengstoff: „Damit ließen sich Nanodiamanten gezielt maßschneidern, etwa was ihre Größe oder auch eine Dotierung mit Fremd­atomen betrifft“, betont Dominik Kraus. „Denn mit dem Röntgen­laser besitzen wir ein Labor-Werkzeug, mit dem sich das Größen­wachstum der Diamanten genau kontrollieren lässt.“

HZDR / DE

 

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